Berggeiss Ursi ist ein Jahr alt – unser Fotograf besucht sie im Stall ob Mollis
«Glarner Nachrichten»-Fotograf Sasi Subramaniam trifft eine Ziege zum zweiten Mal. Und findet heraus, wie es ihr seit ihrem letzten Treffen ergangen ist. Eine Foto-Reportage aus dem Stall.
«Glarner Nachrichten»-Fotograf Sasi Subramaniam trifft eine Ziege zum zweiten Mal. Und findet heraus, wie es ihr seit ihrem letzten Treffen ergangen ist. Eine Foto-Reportage aus dem Stall.
«Ursi wird ein Jahr alt», hat mir Biobauer Richard Bamert diese Woche am Telefon gesagt. Normalerweise mache ich selten Nachfolgegeschichten zu meinen Fotoreportagen oder Begegnungen. Aber Ursis Geschichte war für mich etwas ganz Besonderes, weil ich an Ursis Geburtstag zufälligerweise am Geburtsort war. Am Tag nach ihrem ersten Geburtstag stimmte ich zu, sie zu besuchen.
Richard Bamert hat mich vormittags in Mollis abgeholt und wir sind nach Mullern gefahren. Wegen des warmen Wetters und des Regens in den letzten Tagen lag nur sehr wenig Schnee. Als Richard mit mir auf dem Hof ankam, bestand seine erste Aufgabe darin, die Ziegen zu füttern. Dafür nutzte er einen Heusack und mir war klar, dass er gut zur Umgebung passte.
Danach ging Richard in die obere Etage des Stalls, in dem die Ziegen untergebracht sind, und begann, den Ziegen Heu zu geben. «Schau, Ursi hat grossen Hunger», sagte Richard lächelnd und sah Ursi an, die schnell das Heu frass, das er ihr gab. Ich war überrascht, wie sehr sie in einem Jahr gewachsen war. «Nun ist Ursi genau ein Jahr alt. Wie war deine Beziehung zu ihr?», fragte ich Richard. Er lachte und antwortete: «Nun, in der Regel sind Zicklein, welche bei ihren Müttern saugen, nicht sehr auf Menschen bezogen. Sie bekommen erst einmal alles, was sie brauchen, direkt von der Mutter. Manche interessieren sich dann trotzdem für den Hirten und lassen sich auch gerne kraulen, andere bleiben skeptisch und auf Distanz. Ursi ist irgendwo dazwischen, was für mich ganz in Ordnung ist. Meine Aufgabe ist es, sie zu beobachten und zu beurteilen, ob sie wohlauf ist. Sie beobachtet auch mich, und wenn sie erkennt, dass ich vielleicht etwas Salziges mitbringe, dann kommt sie so schnell wie möglich und frisst gleich aus der Hand.»
Als Ursi geboren wurde, wog sie 4560 Gramm. Ein Jahr später hatte ich das Gefühl, dass sie zwischen 25 und 30 Kilo wiegt. Ich fragte Richard Bamert, ob er Ursi noch so wie damals hochheben könne. Richard meinte, er könne es versuchen. Er hob Ursi hoch und kam aus dem Stall. Überraschenderweise blieb Ursi eine Weile ruhig in Richards Armen. Dann sagte er: «Sie hat sich wirklich sehr gut entwickelt. Sie fühlt sich an wie ein neugeborenes Evolèner-Kalb, also etwa 30 Kilo schwer.»
«Warum ist Ursi für dich eine spezielle Ziege?», fragte ich Richard, als er das Wasser für die Ziegen brachte. «Grundsätzlich hat jede Kuh und jede Ziege ihren Charakter, manche sind tatsächlich etwas spezieller als andere. Speziell an Ursi ist, dass ihre Geburt veröffentlicht wurde und sie dadurch doch bei der einen oder dem anderen bekannt gemacht wurde. Sie ist die einzige Strahlenziege in meiner Herde und hat sehr lange Beine.»
«Welche Rückmeldungen hattest du über Ursi, nachdem der Artikel in der Zeitung war?», wollte ich wissen. Richard hat meine letzte Frage so beantwortet: «Ja, das war lustig, die ersten drei bis vier Wochen danach haben mich fast alle darauf angesprochen. Manche nutzten die Geschichte als Gutenachtgeschichte für ihre Kinder. Berührt haben mich einige Kommentare aus Sri Lanka, da die Story über die sozialen Medien sogar dort veröffentlicht wurde.»
«Jede Geburt ist ein Wunder», sagte Richard, als Ursi geboren wurde. Das gleiche Wunder erlebte ich ein Jahr später, als ich Ursi wiedersah.
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Das ist eine schöne,…
Das ist eine schöne, tiefsinnige Geschichte.
Danke, dass das in der Zeitung ist.