×

Wieso Linthal drei Kirchen hat

Auf einem Rundgang haben Interessierte die Geschichte der drei Linthaler Kirchen kennengelernt.

Südostschweiz
28.04.23 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Zeuge vergangener Zeiten: Von der alten katholischen Kirche in Linthal ist nur noch der Turm erhalten.
Zeuge vergangener Zeiten: Von der alten katholischen Kirche in Linthal ist nur noch der Turm erhalten.
Pressebild Hans Kaspar Schiesser

von Julia Rhyner-Leisinger

In Linthal sind heute drei Kirchen vorzufinden, eine davon als Ruine. Kürzlich führte der Kunsthistoriker Andreas Bräm 40 interessierte Teilnehmende auf einem Dorfrundgang durch den Ort und stellte die drei Gotteshäuser vor. Organisiert wurde der Anlass durch den Verein Glarner Industrieweg und den Historischen Verein des Kantons Glarus.

Abseits des Dorfes, am Fusse des Kilchenstock, steht heute einsam und verlassen ein alter, heruntergekommener Kirchturm. Seine Innenansicht bleibt Interessierten vorbehalten, denn ein Gitter verhindert jeglichen Zutritt. Lange spielten dieser Turm und die dazugehörige Kirche allerdings die Hauptrolle in der Linthaler Kirchengemeinschaft.

In der Kirche, die 1319 erstmals schriftlich erwähnt wird, gingen hauptsächlich Katholiken ein und aus, zeitweise fanden auch reformierte Gottesdienste statt. 1484 wurde der Turm durch den österreichischen Baumeister und Architekten Steffan Klain erneuert und blieb bis heute so stehen.

Ein gestohlenes Fastentuch

Nach der Reformation erwies sich die gemeinsame Nutzung der Kirche als schwierig. Denn als die Reformierten den Katholiken das Fastentuch stahlen, mussten sie fortan für den Gottesdienst den Weg nach Betschwanden auf sich nehmen. 1604 erbauten die Reformierten deshalb eine eigene Kirche in «Ennetlinth», damals auf dem Gebiet der Gemeinde Rüti. Fast 180 Jahre blieb sie dort stehen, bevor sie einem Hochwasser zum Opfer fiel.

Damals war die Linth noch nicht kanalisiert und Überschwemmungen nicht selten. So dürfte die Angst vor Hochwasser mit ein Grund gewesen sein, warum die alte katholische Kirche abseits am Dorfhang gebaut worden war. Auch Überlegungen zur Nutzung des Kulturlandes könnten eine Rolle gespielt haben.

Die Reformierten bauten indes 1782 eine neue Kirche im Dorfzentrum auf höher gelegenem Boden. Die barocke Baute wurde unter der Leitung des einheimischen Zimmermanns Fabian Sträbi errichtet. 1882 wurde umfassend renoviert und eine Orgel angebracht. Hundert Jahre später folgte eine zweite Orgel.

Geschichtsträchtiges Überbleibsel

Von den Katholiken wurde die alte Kirche bis 1906 weitergenutzt, bis Feuchtigkeit und ein drohender Bergsturz am Kilchenstock den Bau einer neuen Kirche an einem anderen Standort erforderten. Die neue katholische Baute lag zentraler, im Dorfzentrum «Matt». Dort, wo heute auch das älteste Linthaler Haus noch steht: das um 1530 errichtete Landvogt-Schiesser-Haus.

Gebaut wurde die Maria-Himmelfahrts-Kirche im neuromanischen Stil vom bekannten St. Galler Architekten und Kirchenbauer August Hardegger. Er schuf bis zum Ersten Weltkrieg über 60 Kirchen in der Schweiz. Die über 100 Jahre alte Kirche hat bereits mehrere Renovationen hinter sich. Zuletzt wurde 2019 die Aussenfassade renoviert.

Mit dem Bau der neuen katholischen Kirche wurde ihre Vorgängerin abgerissen. Übrig blieb nur der Turm – seit 1906 sich selbst überlassen und unter Denkmalschutz gestellt. Ein Überbleibsel, das Geschichte erzählt.

Kommentieren
Kommentar senden
Mehr zu Ereignisse MEHR