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Der Bartgeier befindet sich im Höhenflug

Noch nie befanden sich so viele Tierarten auf der internationalen Roten Liste. Für den Bartgeier hingegen war 2021 ein absolutes Erfolgsjahr.

Südostschweiz
03.01.22 - 14:51 Uhr
Ereignisse

Der Bartgeier und der Iberische Luchs gehören zu den Gewinnern im Tierreich, wie die Jahresbilanz 2021 des WWF zeigt. «2021 war für die Bartgeier ein absolutes Erfolgsjahr», heisst es in der aktuellen Medienmitteilung. Im gesamten Alpenraum gab es einen Zuwachs von 50 Junggeiern. 44 Junggeier schlüpften wild, sechs Jungvögel wurden ausgewildert. In den Alpen fliegen damit wieder über 300 Bartgeier. «Das internationale Wiederansiedlungsprogramm, das vor über dreissig Jahren startete, ist also auf guten Wegen», lautet das Fazit des WWF.

Der Höhenflug des Bartgeiers freut die Stiftung Pro Bartgeier. Noch nie verliefen die Wildbruten so erfolgreich wie 2021. Alleine in der Schweiz sind im vergangenen Jahr 21 junge Bartgeier geschlüpft, 14 davon in Graubünden. «Das ist ein neuer Rekord auch für Graubünden», sagt David Jenny, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Vogelwarte Sempach. Zu diesem Erfolg haben auch neue Bündner Brutpaare beigetragen. Bei Tinizong im Surmeir und Martina im Unterengadin ist erstmals eine Brut geglückt. Jenny ist bei der Stiftung Pro Bartgeier seit seit fast 25 Jahren für die Überwachung der Brutpaare zuständig. «Inzwischen haben wir ein europaweites Netz von Beteiligten, die sich für Monitoring, Management und Schutz der Bartgeierpopulation engagieren», sagt Jenny.

Bartgeierküken im Nest

Blick durchs Fernrohr: Dieser Bartgeier im #schweizernationalpark ist um seinen Nachwuchs besorgt. Zwischendurch deckt er das Küken (rechts vom Bartgeier zu sehen) mit einem Flügel zu, anschliessend zeigt er, wie ein Bartgeier das Problem der fehlenden Toilette elegant löst. Das Küken ist ca. 5 Wochen alt und wohlauf. Ende Juni wird es seine ersten Flugversuche machen.

Posted by Schweizerischer Nationalpark on Tuesday, May 5, 2020

Bartgeierhotspot im Nationalpark

Der Bartgeier wurde einst als Lämmergeier und Kinderräuber verschrien und aktiv verfolgt. Dabei sind Bartgeier Knochenfresser und ernähren sich von Kadavern. Der letzte dokumentierte Abschuss eines Bartgeiers im Jahr 1913 markiert die Ausrottung der Alpenpopulation. Seit 1986 werden in den Alpen im Rahmen eines internationalen Projekts Bartgeier wieder ausgesetzt, 1991 erstmals auch im Schweizerischen Nationalpark (SNP). In der Val da Stabelchod wurden bis 2007 insgesamt 26 junge Bartgeier aus Zuchtstationen ausgewildert. In den letzten Jahren hat es im Engadin und im Grenzgebiet zu Italien mehrere natürliche Bruten gegeben. «Die Nationalparkregion hat sich zu einem Bartgeierhotspot in den Alpen entwickelt», sagt Hans Lozza, Leiter Kommunikation SNP. Deshalb werden im Nationalpark heute keine Bartgeier mehr ausgewildert. In anderen Gebieten der Alpen werden die Auswilderungen der eindrücklichen Vögel aber fortgesetzt, um den noch sehr kleinen Genpool der Alpenpopulation zu vergrössern.

Das erste Bartgeierpaar im SNP brütete 2007 erfolgreich in der Val Tantermozza. Bis heute haben in der grenzüberschreitendenNationalparkregion 23 Paare insgesamt 150 Küken aufgezogen, was 42 Prozent der alpenweit geschlüpften Jungtiere entspricht. Die Attraktivität der Nationalparkregion hat laut Jenny mehrere Gründe. Zum einen finden Bartgeier in diesem Gebiet genügend Kadaver von wildlebenden Huftieren. Zum anderen bietet die Geologie mit den zerklüfteten Dolomitfelsen viele Möglichkeiten, Horste anzulegen. Und natürlich gibt es im Nationalpark noch weniger Störungen als in anderen Alpenregionen. «Der Bartgeier ist heute ein Sympathieträger geworden, einerseits weil er ein faszinierendes Tier ist, andererseits weil man sein Image bewusst gefördert hat», meint Jenny. 

Noch viel Platz in Graubünden

In Graubünden wächst die Bartgeierpopulation stetig. Jedes Jahr kommen neue Brutpaare dazu. Das Monitoring wird dadurch immer aufwendiger. Während in der Nationalparkregion der Bestand praktisch gesättigt scheint, weitet sich die Population durch die Besiedlung neuer Lebensräume aber langsam aus. Die bündner Population beschränkt sich heute vor allem auf Südbünden mit dem Kerngebiet Nationalpark, zwei Paaren in den Südtälern und zwei Paaren in Mittelbünden. Jenny erwartet, dass sich die Bartgeier bald auch nach Mittel- und Nordbünden weiterausbreiten werden, wo der Lebensraum stimmt. Insgesamt reguliert sich so die Bartgeierpopulation selbst. Von 15 Paaren in Graubünden haben im vergangenen Jahr 14 einen Jungen aufgezogen. Bis zu drei neue Paare könnten in diesem Jahr für Nachwuchs sorgen. «Es gibt keine Region im ganzen Alpenraum, die so produktiv ist wie Graubünden – und es hat noch sehr viel Platz bei uns für den Bartgeier», meint der Experte.

Weitere Informationen: www.bartgeier.ch

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