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Fasten mit «schwerem Herzen» - Ramadan in der Erdbebenregion

In der vom Erdbeben stark zerstörten Stadt Adiyaman beginnt das erste Fastenbrechen des Ramadans. Familie Kaplan kommt am Donnerstagabend auf dem Boden ihres Zeltes zusammen, in der Ferne ist der Ruf zum Gebet zu hören. Still reicht Vater Ekrem das Brot, während Mutter Asli Wasser für ihre beiden Kinder eingiesst. Sie murmeln Gebete für diejenigen, die durch die verheerende Erdbeben am 6. Februar ums Leben gekommen sind.

Agentur
sda
24.03.23 - 14:19 Uhr
Ereignisse
Familie Kaplan mit Mutter Asli (r) und ihrem Mann Ekrem (2.v.l) begeht das erste Fastenbrechen in ihrem Zelt. Die Familie lebt seit dem Erdbeben, das den Südosten des Landes schwer traf, in einer Notunterkunft. Foto: Ergin Hava/dpa
Familie Kaplan mit Mutter Asli (r) und ihrem Mann Ekrem (2.v.l) begeht das erste Fastenbrechen in ihrem Zelt. Die Familie lebt seit dem Erdbeben, das den Südosten des Landes schwer traf, in einer Notunterkunft. Foto: Ergin Hava/dpa
Keystone/dpa/Ergin Hava

Durch die Erdbebenkatastrophe sind auch in Adiyaman viele Menschen ums Leben gekommen und viele sind obdachlos. In der gleichnamigen Provinz sind laut Regierungsangaben mindestens 56 000 der insgesamt 120 496 Gebäude eingestürzt oder stark beschädigt. Sechs Wochen später trauert die Stadt, die im Jahr 2022 rund 310 000 Einwohner zählte, noch immer. Die meisten, die geblieben sind, begrüssen in provisorischen Unterkünften den heiligsten Monat des Islam.

Gläubige Muslime verzichten im Ramadan einen Monat lang von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang etwa auf Essen, Trinken und Rauchen. Der Ramadan gilt als Zeit für innere Einkehr, Demut, Gemeinschaft und Wohltätigkeit.

Statt wie sonst fröhlich ist das erste Fastenbrechen in diesem Jahr von düsterer Stimmung geprägt. Mehr als 50 000 Menschen sind allein in der Türkei durch die Beben der Stärke 7,6 und 7,7 getötet worden.

«Ich hätte mir nie vorstellen können, mit so einem schweren Herzen in den Ramadan zu gehen. Ich wünschte, meine Schwester und meine Neffen wären auch hier», sagt Vater Ekrem Kaplan. Seine Tränen kann er dabei nicht zurückhalten. Seine Schwester und ihre vier Kinder sind bei dem Beben gestorben. Er besuche jeden Tag den Friedhof, giesse Blumen und reinige die Grabsteine, sagt er.

Eigentlich würde der Ramadan in Adiyaman, einer frommen, lebendigen Grossstadt, Tage vorher festlich begonnen. Ekrem Kaplans Frau Asli Kaplan erinnert sich an Trommler, die vor der Morgendämmerung in osmanischem Stil gekleidet durch die Nachbarschaften schwärmten, um die Bewohner für die letzte Mahlzeit vor der Morgendämmerung zu wecken. Nun verteilen Hilfsorganisationen in der Stadt Essen an Bedürftige. Nach dem Essen verkleiden sich einige Helfer als Clowns und sehen sich mit den Kindern Zeichentrickfilme im Hinterhof einer örtlichen Schule an.

Ein Stück weiter trinkt der 17-jährige Taha Erdem Tee mit seiner Familie. Auch bei ihnen ist nichts wie in den vergangenen Jahren. Das Menü ist bescheiden. Taha wurde landesweit bekannt durch ein Video, das er eingeschlossen unter den Trümmern drehte. Er sei sicher, er werde sterben, sagte er darin. Sein Traum sei es, Psychologe zu werden, um Menschen zu helfen, die von Katastrophen betroffen sind, sagt er der dpa. «Ich möchte den Menschen sagen, dass es immer Hoffnung gibt, selbst im dunkelsten Moment.»

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