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Ein Job, bei dem es um mehr als lodernde Feuer geht

Während in manchen Kantonen die Mitgliederzahlen der Feuerwehren sinken, ist das Problem in Graubünden nicht akut. «Noch nicht», sagt der oberste Bündner Feuerwehrmann.

Pierina
Hassler
24.07.21 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Gefährliche Arbeit: Wie bei diesem Waldbrand am 23. April 2014 oberhalb des Rosenhügels in Chur ist der Einsatz der Feuerwehrleute immer auch mit Risiken verbunden.
Gefährliche Arbeit: Wie bei diesem Waldbrand am 23. April 2014 oberhalb des Rosenhügels in Chur ist der Einsatz der Feuerwehrleute immer auch mit Risiken verbunden.
KANTONSPOLIZEI GRAUBÜNDEN

Wetterextreme gehören schon fast zum Tagesgeschäft der Feuerwehrkorps. Überschwemmungen, Waldbrände, Rüfen, Felsstürze und Waldbrände, immer sind die Schadensexpertinnen und Schadensexperten vor Ort. Ihr professioneller Einsatz ist in jedem Fall enorm wichtig und wird auch hoch geschätzt. Nur sind die Feuerwehrleute freiwillig mit dabei. Die Schweiz, darunter auch Graubünden, kennt mit wenigen Ausnahmen nur das Milizsystem. Zwar sind laut Feuerwehrgesetz Frauen und Männer in ihrer Wohnsitzgemeinde feuerwehrpflichtig. Wer dieser Pflicht aber nicht nachkommt, zahlt eine sogenannte Pflichtersatzabgabe. Diese kann von der Gemeinde festgelegt werden und liegt zwischen 100 und 500 Franken im Jahr. 

Bei den Unwettern vor zwei Wochen kam Graubünden glimpflich davon. Tief Berndt mit endlosem Regen, Sturm, Hagel und Überschwemmungen im Gepäck traf andere Kantone. Beispielsweise Bern, Zürich oder die Zentralschweiz. Vor Ort war immer auch die Feuerwehr. Im Zuge dieser Unwetter-Berichterstattung schrieb die «Neue Zürcher Zeitung»: Die Feuerwehrkorps würden den Klimawandel spüren, «Extreme Wetterereignisse dürften sich in Zukunft häufen. Gleichzeitig sinken die Mitgliederzahlen.» Gemeint sind die Mitgliederzahlen der freiwilligen Feuerwehren. Urs Bächtold, Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbandes und freiwilliger Feuerwehrmann in Thun, sagte zur «NZZ»: «Die Ereignisse summieren sich.» Sie würden die Arbeit ja nur nebenbei machen. «Wenn wir ausrücken, haben wir oft schon acht, neun, zehn Stunden im normalen Job gearbeitet.»

Gesellschaftlicher Aspekt

Conradin Caduff ist Feuerwehrinspektor des Kantons Graubünden. Über sinkende Mitgliederzahlen bei den Bündner Feuerwehren mag er sich nicht beklagen. Auch weil die Bestände in den letzten Jahren aufgrund von Feuerwehrfusionen und technisch besseren Geräten massiv abgebaut werden konnten. Er stellt aber klar, «Akut haben wir keine Not an Leuten, längerfristig könnte es aber durchaus problematisch werden.» Caduff erklärt, dass es in abgelegeneren Regionen schwieriger sei, Nachwuchs zu akquirieren als in grösseren Orten. «Die Jungen wandern ab, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit finden.» Sicher gebe es nach dem Umzug auch die Möglichkeit, am neuen Ort der Feuerwehr beizutreten. «Die Organisation bietet aber auch einen gesellschaftlichen Aspekt, wo man aufgewachsen ist, kennt man sich, am neuen Ort herrscht nicht die gleiche Verbundenheit.»

Caduff spricht von einer stetigen Herausforderung, neue Feuerwehrleute zu gewinnen. Es verlangt von den Verantwortlichen Einsatz und Überzeugungskraft. «Es ist auch im Kanton Graubünden nicht selbstverständlich, dass junge Leute Feuerwehrdienst leisten und später bereit sind, Kaderfunktionen zu übernehmen.»  

Funktionierendes Milizsystem

Die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehr ist also auch im Kanton Graubünden anspruchsvoll. Allerdings nimmt die Anzahl der Mitglieder nicht erst jetzt ab. Und hat vor allem auch viel mit der Neuorganisation zu tun. Während früher jede Gemeinde eine eigene Feuerwehr betrieb, wurden im Verlauf der letzten 20 Jahre regionale und, laut Caduff, schlagkräftige Organisationen gebildet. «Aktuell werden noch 54 Organisationen mit rund 4000 Angehörigen der Feuerwehr betrieben», so der Bündner Feuerwehrinspektor. Früher hätte es im Kanton 232 Feuerwehrorganisationen gegeben mit rund 12'000 Feuerwehrleuten.

Caduff will auch über das Milizsystem reden. Dieses habe sehr viele Vorteile. «Leute, die bei uns mitmachen, haben ganz verschiedene berufliche Hintergründe, die einen sind Handwerker, andere arbeiten in einem Büro oder sind Akademiker.» Diese Vielfalt sorge dafür, dass vor Ort viel Wissen vorhanden sei, welches bei den verschiedenen Herausforderungen sofort eingesetzt werden könne. Klar gehe es auch um die Verfügbarkeit, allerdings wüssten die Mitglieder, was von ihnen gefordert würde. Und Caduff erinnert sich in diesem Zusammenhang an einen Satz seines Vorgängers Hansueli Roth. «Feuerwehrleute sind Sprinter und keine Marathonläufer.» Damit habe Roth gemeint, dass die Feuerwehr als Blaulichtorganisation schnell vor Ort sein könne, um für Einsätze von Stunden bis Tage zu sorgen. «Danach braucht es eine Ablösung durch Partnerorganisationen wie Zivilschutz oder Armee», so Caduff.

Hohe Ansprüche

Trotz wachsender Aufgaben der Feuerwehr halte man auch am Milizsystem fest, weil dieses einfach, kostengünstiger, einsatzorientiert und wirksam sei, sagt Caduff. «Die Weitläufigkeit des Kantons Graubünden und die schwache Besiedelung erfordern eine stark dezentrale Feuerwehr.» Es müssten mit regionalen Stützpunktfeuerwehren Schwerpunkte für die Wahrnehmung von Spezialaufgaben wie Strassenrettung, ABC-Wehr, Elementarschadensbekämpfung oder Waldbrandeinsatz gebildet werden. «Nur so sind wir auch in Zukunft den hohen Ansprüchen gewachsen», so Caduff.

Ohne die Milizfeuerwehr wäre ein flächendeckender Einsatz nicht möglich. Der Schutz von Feuer oder Naturkatastrophen lastet nämlich fast ausschliesslich auf den Schultern der Freiwilligen. In der Arbeitswelt steigen aber Druck, Anforderungen und Komplexität stetig. Caduff ist überzeugt: «Trotz Verständnis bei vielen Unternehmen für das Milizsystem wird künftig eine Vereinbarung zwischen Arbeit und Feuerwehrdienst eine anspruchsvolle Gratwanderung sein.»  

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