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Wetter beruhigt sich langsam - Pegel steigen trotzdem weiter

Die Hochwasserlage in der Schweiz ist weiterhin angespannt und hat sich am Freitag teilweise verschärft. Am Bielersee wurde der Rekordpegel von 2007 geknackt, in Luzern hat der Vierwaldstättersee die kritische Marke erreicht. Das Wetter beruhigte sich dagegen langsam.

Agentur
sda
16.07.21 - 22:50 Uhr
Ereignisse

Seit Donnerstagmorgen sind vor allem im Kanton Schwyz und in der Walensee- und Alpsteinregion wieder 40 bis 70 Millimeter Niederschlag zusammengekommen, wie der Wetterdienst Meteonews am Freitag mitteilte. Die Hochwassersituation bleibe «akut».

Die höchste Gefahrenstufe 5 galt laut dem Naturgefahrenbulletin des Bundes für den Bieler-, Thuner- und Vierwaldstättersee. Für die Aare unterhalb des Thunersees, den Brienzersee, den Hochrhein, den Neuenburgersee, die Reuss und den Zürichsee galt die Gefahrenstufe 4.

Die Berner Behörden gingen am Freitagnachmittag davon aus, dass die Pegel von Brienzer, Thuner- und Bielersee in der Nacht von Freitag auf Samstag ihren maximalen Stand erreichen.

Neues Rekordhochwasser am Bielersee

Am Bielersee erreichte der Hochwasser-Pegel am Freitagabend um 21.50 Uhr den neuen Rekordwert von 430,94 Metern über Meer. Das ist etwa ein halber Meter über der Schadengrenze. Das bisherige Höchstwasser aus dem Jahr 2007 lag bei 430,88 Metern.

Wegen des Hochwassers war der Bahnverkehr im Twann beeinträchtigt. Es kam zu Zugausfällen und Verspätungen. Ein «grosses Problem» waren für die Einsatzkräfte die Schaulustigen, die Abschrankungen missachten, den Zugang zu den Einsatzgebieten mit Fahrzeugen blockieren und Risiken eingehen.

Auch der Pegel des Thunersees stieg weiter an. Der Wasserstand lag am Freitag um 21.50 Uhr mit 558,74 Metern über Meer 44 Zentimeter über der Schadengrenze. Bis zum Rekord des «Jahrhundertwassers» von 2005 fehlten noch 51 Zentimeter. 2005 erreichte der Pegel 559,25.

Hohe Aare in Thun und Bern

Ebenfalls auf der höchsten Gefahrenstufe war der Aare-Abfluss in Thun Schwäbis. Dort flossen um 21.50 Uhr rund 503 Kubikmeter pro Sekunde von Thun Richtung Bern beziehungsweise in einen Entlastungsstollen - 1999 waren es 564 Kubikmeter pro Sekunde gewesen.

Aus Sicherheitsgründen mussten 16 Bewohnerinnen und Bewohner eines Thuner Altersheims in Sicherheit gebracht werden, da die Zufahrt zum Gebäude für Rettungskräfte nicht mehr gewährleistet werden konnte.

Angestiegen ist bis Freitagabend auch das Abflussvolumen der Aare an der Messstation Schönau in der Stadt Bern. Dort wurde die Gefahrenstufe 5 mit einem Abfluss von 562 Kubikmetern pro Sekunde überschritten. Mitte des Freitagnachmittags war es wieder etwas weniger. Der Rekord von 1999 liegt bei 613 Kubikmetern pro Sekunde.

Am Stauwehr in Hagneck BE donnerten gemäss Schätzungen der Behörden pro Sekunde zwischen 900 und 1050 Kubikmeter Wasser in den Bielersee. Am Regulierwerk in Port BE, wo die Aare den Bielersee wieder verlässt, konnten jedoch nur maximal 650 Kubikmeter abgeleitet werden, und auch dies nur, «sofern es die hydrologische Situation zulässt».

Vierwaldstättersee über kritischer Marke

In der Stadt Luzern überschritt der Pegel des Vierwaldstättersees mit 434,94 Metern über Meer am Freitagabend die kritische Marke von 434,90 Metern. Bei dieser Höhe wird der Schwanenplatz überschwemmt, der zwischen See und Altstadt liegt. Aus diesem Grund wurden die Kapellbrücke, der Rathaussteg, die Reuss- und die Spreuerbrücke gesperrt. Auch die Ein- und Ausfahrt Luzern-Zentrum der A2 war zwischenzeitlich wegen Hochwassers ebenfalls gesperrt.

Das Dorf Brunnen SZ wurde aufgrund des ansteigenden Pegels des Vierwaldstättersees bis auf Weiteres für den Verkehr gesperrt. In Buochs NW und Ennetbürgen NW kam es vereinzelt zu vorsorglichen Evakuierungen. Die Sperrungen rund um den Lauerzersee dauerten laut einem Tweet der Kantonspolizei Schwyz weiter an.

Die Seestrasse am Ägerisee war teilweise unter Wasser und von Unterägeri ZG in Richtung Oberägeri ZG nur einspurig befahrbar. In der Nacht auf Freitag trat in Oberägeri der Trombach über die Ufer. Die am Donnertag vorgenommenen Verstärkungen des Reussdamms in Hünenberg ZG schienen sich laut dem kantonalen Krisenstab zu bewähren.

Die Kantone Luzern, Nidwalden, Obwalden, Uri und Schwyz verboten bis Montagabend Schifffahrt und Wassersport auf dem Vierwaldstättersee.

Keine Bootsfahrten wegen Wellenschlag

In Zürich hat die Polizei private Bootsbesitzer vorerst zum Verzicht auf Ausfahrten aufgefordert. Damit sollen zusätzlicher Wellenschlag und Schwell respektive Schäden in Häusern an exponierten Uferpartien verhindert werden. Auch das Zentralschweizer Polizeikorps lancierte einen entsprechenden Aufruf insbesondere mit Blick auf das bevorstehende Wochenende.

Der kommerzielle Schiffsverkehr auf dem Zürichsee wurde von Freitag bis mindestens Samstag teilweise eingestellt. Der anhaltende Regen liess nach Angaben der Stadtpolizei Uster ZH auch den Greifensee über die Ufer treten.

Auch im Kanton Schwyz blieb die Hochwasserlage nach Angaben der Kantonspolizei vom Freitag angespannt. Gesperrte Strassen gab es vor allem im Gebiet um den Lauerzersee. Der Pegel des Sees war am Freitag nach starken Niederschlägen zwischen Mitternacht und 8 Uhr um rund 30 Zentimeter gestiegen. Die Autobahn A4 zwischen Goldau und Seewen wurde deswegen gesperrt.

Rheinufer in Basel unterspült

In Basel wurde als Vorsichtsmassnahme die Grenzacherstrasse temporär gesperrt. Das Rheinufer wurde nach Angaben von Polizei und Rettung Basel-Stadt auf Höhe Rankhof unterspült, es kam zu einem Hangabbruch.

Die Lage um die Aargauer Flüsse entspannte sich am Freitag nach Kantonsangaben leicht. Die Lage war auch an Orten, an denen Massnahmen ergriffen wurden, relativ stabil. Die Behörden rechnen weiterhin mit teils hohen Abflussmengen für Rhein, Reuss, Limmat und Aare.

Die Neuenburger Kantonsregierung erliess am Freitag nach Absprache mit den anderen Anliegerkantonen Waadt und Freiburg ein Aktivitätsverbot für den ganzen Neuenburgersee. Auch Baden und Tauchen sind bis auf Widerruf untersagt. Die gewerbsmässige Schifffahrt bleibt erlaubt, der touristische Verkehr muss ruhen. Vom Verbot betroffen sind auch der Murten-, Schiffenen- und Greyerzersee, wie der Kanton Freiburg via Twitter mitteilte.

Aus Sicherheitsgründen hat der Westschweizer Energiekonzern Groupe E am Freitagnachmittag am Neuenburgersee den Strom zwischen Cheyres FR und Cudrefin VD abgestellt. Damit sollen Gefahren im Zusammenhang mit dem Hochwasser vermieden werden.

Entspannung zum Wochenbeginn in Sicht

Laut SRF Meteo sind seit Montag grosse Regenmengen gefallen. Spitzenreiter nördlich der Alpen ist La Valsainte FR mit 180 Millimetern. Das Tief «Bernd» werde erst am Montag «endlich abziehen». Die Hochwassersituation bleibe vorerst heikel.

Am meisten Regen fällt laut Meteonews am Wochenende am östlichen Alpennordhang. Ab Montag verspricht ein Hochdruckgebiet grösstenteils sonniges und trockenes Wetter mit steigenden sommerlichen Temperaturen.

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