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Chinesen erwarten Jahr des Rindes: Angst vor Corona bremst Reisewelle

Das Coronavirus vermasselt den Chinesen auch ein zweites Neujahrsfest. Mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie in Zentralchina haben die Behörden das Milliardenvolk dazu aufgerufen, zu dem wichtigsten chinesischen Familienfest nicht wie üblich in die Heimatorte zu reisen. Was sonst die grösste jährliche Völkerwanderung der Welt mit Hunderten Millionen Reisenden ist, hat sich zu Beginn der mehrwöchigen Reisewelle schon auf rund ein Drittel reduziert, wie Behörden berichteten. «Bleibt, wo ihr seid!», lautet die Ansage.

Agentur
sda
06.02.21 - 09:34 Uhr
Ereignisse
Das Laternenfest in Bortala findet zur Begrüßung des neuen Jahres statt. Die Chinesen erwarten das Jahr des Rindes. Nach dem schlimmen Corona-Jahr der Ratte soll es weniger turbulent werden. Foto: Tpg/TPG via ZUMA Press/dpa
Das Laternenfest in Bortala findet zur Begrüßung des neuen Jahres statt. Die Chinesen erwarten das Jahr des Rindes. Nach dem schlimmen Corona-Jahr der Ratte soll es weniger turbulent werden. Foto: Tpg/TPG via ZUMA Press/dpa
Keystone/TPG via ZUMA Press/Tpg

Dabei bedeutet den Chinesen das Neujahrsfest vielleicht noch mehr, als wenn in Deutschland Weihnachten und Neujahr zusammenfiele. Hinzu kommt, dass jeder fünfte Chinese als Wanderarbeiter gilt und nicht dort arbeitet, wo seine Familie herkommt. Nach dem Mondkalender wird das neue Jahr in der Nacht zum kommenden Freitag begrüsst: Es ist nach den chinesischen Tierkreiszeichen das Jahr des Rindes - oder auch des Ochsen oder Büffels. Nach dem wilden Corona-Jahr der Ratte soll es friedlicher und harmonischer werden - das sagen zumindest Wahrsager vorher.

Als das Sars-CoV-2-Virus im Dezember 2019 in Wuhan ausbrach, wurde kurz vor dem vergangenem Neujahrsfest eine Ausgangssperre für mehr als 50 Millionen Menschen in der zentralchinesischen Metropole und benachbarten Städten verhängt. Es war der Beginn der drastischen Massnahmen, mit denen das bevölkerungsreichste Land das Virus weitgehend in den Griff bekommen hat. Der Alltag hat sich inzwischen wieder normalisiert.

Auf nur wenige Fälle reagiert China seither sofort mit Abriegelung, Massentests, Kontaktverfolgung und Zwangsquarantäne. Seit dem Sommer gab es zunächst nur noch wenige lokale Infektionen. Doch erlebte China seit Jahresanfang in den Provinzen Jilin, Heilongjiang, Hebei wieder grössere Ausbrüche - in Peking und Shanghai einzelne Ansteckungen. Die Behörden sind alarmiert, weil sie Lücken in der Vorbeugung vor allem im ländlichen Raum zeigten.

Im Vergleich zur Ausbreitung des Virus in anderen Ländern ist die Lage in China undramatisch. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen waren gerade einmal zweistellig. Doch um eine unkontrollierte Ausbreitung zu verhindern, wurde schon früh davor gewarnt, zum Neujahrsfest zu den Familien in die Heimat zu reisen. Wer trotzdem reist, sollte am besten einen negative Corona-Test in der Tasche haben. Dennoch droht ihm, daheim erstmal zwei Wochen in Quarantäne zu müssen, was lokale Stellen in Eigenregie anordnen können.

«Soviel Urlaub habe ich nicht», sagt der Pekinger Friseur Wang, der mit seiner Frau sonst zu jedem Neujahrsfest seinen Sohn in Nordostchina besucht, der wie häufig in China bei den Grosseltern aufwächst. «Die örtlichen Behörden heissen uns nicht willkommen.» So werden sie ihr achtjähriges Kind diesmal nicht sehen können und in der Hauptstadt bleiben müssen, wo beide vor Jahren Arbeit gefunden hatten. «Es fällt uns nicht leicht. Aber was sollen wir machen?»

Auch Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihre Mitarbeiter an einer Heimreise zu hindern. Erzählt wird von Chefs, die vorher die Kündigung einfordern, wenn einer ihrer Angestellten dennoch reisen will. «Sie wollen nicht zur Verantwortung gezogen werden, falls es ein Problem gibt», sagt ein Angestellter eines Sportclubs. Nach der Rückkehr könne vielleicht ein neuer Vertrag gemacht werden. «Aber sicher ist das nicht. Wer reist, trägt das Risiko.»

Es gibt auch Anreize wie Einkaufsgutscheine oder die zu Neujahr üblichen «roten Umschläge» mit Geldgeschenken in Höhe von zum Teil sogar 1000 Yuan, umgerechnet 129 Euro, für Wanderarbeiter, die nicht in ihre Heimatdörfer reisen. Ein willkommener Nebeneffekt: Der Konsum wird gleich mit angekurbelt. Dennoch, es wird ein trauriges Neujahrsfest: Auch Tempelfeste und Neujahrsmärkte wurden abgesagt, um grössere Menschenansammlungen zu vermeiden. «So werden wir alle daheim hocken und Fernsehen schauen», sagt eine Sekretärin deprimiert.

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