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«Wien ist unruhig und in Schockstarre»

Valentina Dirmaier war am Montagabend in Wien, als der Terroranschlag auf die Stadt verübt worden ist. Die Österreicherin war Anfang 2018 für einen Monat auf der Redaktion der «Südostschweiz» tätig. Sie erzählt, wie sie die Stadt jetzt erlebt.

Südostschweiz
03.11.20 - 14:13 Uhr
Ereignisse
Polizisten am Dienstag beim Schwedenplatz, wo die Tat verübt wurde.
Polizisten am Dienstag beim Schwedenplatz, wo die Tat verübt wurde.
KEYSTONE

Skurril sei die ganze Situation, erzählt Valentina Dirmaier, fassungslos sie selbst. Immer wieder frage sie sich, welches die Beweggründe gewesen sein mögen für diese Tat. Die Journalistin Dirmaier, Anfang 2018 für einen Monat auf der Redaktion der «Südostschweiz» tätig, geht am Tag nach dem Terroranschlag durch die Strassen Wiens. Dirmaier, normalerweise eine fröhliche Frau voller Tatendrang, wirkt sehr nachdenklich. Sie geht beim Schwedenplatz vorbei, wo die Tat verübt wurde, vorbei an Orten, wo sich normalerweise viele Menschen tummeln. Es jetzt aber sehr ruhig ist. «Wien ist in Schockstarre, aber gleichzeitig unruhig.» Die Polizei halte sich bedeckt mit der Herausgabe von Informationen, sagt Dirmaier. Was sie weiss: Zwei Passanten und zwei Passantinnen sind beim Terroranschlag verstorben, der Attentäter wurde von der Polizei erschossen. 17 Menschen wurden verletzt, darunter ein Polizist. Die Polizei rate der Bevölkerung derzeit, zu Hause zu bleiben. Weil bislang unklar sei, ob das Attentat von einem einzelnen Täter oder einer Gruppe verübt worden sei. Falls es eine ganze Gruppe war, sei diese vermutlich noch unterwegs. Die ganze Nacht auf Dienstag habe die Polizei Razzien durchgeführt und immer wieder Personen festgenommen, so Dirmaier.

20 Jahre alt war der Täter, weiss Dirmaier aus Berichten des Wochenmagazins «Falter». Er ist in Österreich geboren, stammt aber aus Nordmazedonien. Die Redaktoren des «Falter» haben die Geschehnisse beinahe aus nächster Nähe miterlebt, wie Dirmaier erklärt. Deren Büroräumlichkeiten liegen direkt beim Schwedenplatz, dem Tatort. Die ganze Nacht hätten die Redaktoren im Büro ausharren müssen. Via Twitter haben sie sich zu den Ereignissen und der laufenden Polizeiarbeit geäussert.

Zum Glück zu Besuch bei einem Freund

Dirmaier war am Montagnachmittag von Linz nach Wien gereist, stieg am Westbahnhof aus und besuchte dann noch einen Freund, bevor sie in die eigene Wohnung in die Innenstadt zurückkehren wollte. Doch soweit kam es nicht. «Wir haben plötzlich von Verwandten Meldungen über den Terroranschlag erhalten. Es war total skurril.» Den Fernseher hätten sie und ihr Freund dann eingeschaltet, um sich über das Geschehen zu informieren. Dort sei auch die Ermordung des Polizisten gezeigt worden, was schockierend gewesen sei und zu regen Diskussionen geführt habe. Auch in der Wohnung ihres Freundes, etwa drei Kilometer vom Tatort entfernt, sei die Aufregung spürbar gewesen, so Dirmaier. Immer wieder hätten sie Helikopter und Sirenen hören können. Freunde und Bekannte hätten sich per Handynachricht immer wieder nach ihnen erkundigt.

«Zum Glück war ich am Montagabend noch auf Besuch und noch nicht zu Hause», sagt Dirmaier. Dieser Platz in der Innenstadt, wo das Attentat verübt wurde, sei normal ein Knotenpunkt für Pendler, beliebt bei Touristen und Einheimischen, so Dirmaier. Am Dienstagvormittag, bei ihrem Rundgang durch die Stadt, trifft sie auf Polizeieinheiten mit Schutzausrüstung und Sturmgewehren. Ansonsten ist sehr wenig los. Entlang des Donaukanals, wo es sonst von Velofahrern und Joggern nur so wimmelt, ist es jetzt ungewöhnlich ruhig – «sehr beklemmend».

Schauplatz bewusst gewählt

Auch der Blumenhändler in der Innenstadt, mit dem Dirmaier noch spricht, war glücklicherweise am Montagabend nicht in seinem Geschäft. «Er vermutet, dass Tatort und Zeitpunkt ganz bewusst gewählt wurden», erzählt Dirmaier. Am Montag, dem katholischen Feiertag Allerseelen, hätten viele Österreicher die letzten Stunden vor dem zweiten Lockdown in der Innenstadt noch geniessen wollen. Die lauen Temperaturen seien ideal gewesen, um noch unterwegs zu sein.

Seit Mitternacht gelten in ganz Österreich wieder verschärfte Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. So müssen Theater, Museen und Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder oder Fitnessstudios bis mindestens Ende November geschlossen bleiben. Lokale dürfen nur noch Abhol- und Lieferdienste anbieten, Hotels keine Touristen, sondern nur noch Geschäftsreisende aufnehmen. Kindergärten, Volksschulen und Unterstufenklassen bleiben geöffnet, an der Uni und auf der Oberstufe wird das Distance Learning umgesetzt.

(sz)

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Es heisst:Wien ist in Schockstarre.Im Nachhinein ist man immer schlauer.Das gleiche in Frankreich,England, das gleiche in Berlin .Man weiss das diese Leute gefährlich sind und schliesst sie nicht ein Leben lang weg.Es muss immer zuvor Tote geben.Terroristen sind nicht Therapierbar.

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