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Die Rega-Crew trifft keine Schuld am Helikopterunfall

Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle hat einen Bericht zu einem Helikopterunfall publiziert, der sich schon 2015 ereignete. Ihre Empfehlungen, um solche Unfälle zu vermeiden, sind aber viel älter.

Marco
Häusler
23.04.20 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Die Situation auf der Alp Oberkäseren am Unfalltag: Die Luftaufnahme zeigt den Mast (1), von dem die Telefonleitung wegführt; den ungefähren Standort der Person (2), die verletzt wird.
Die Situation auf der Alp Oberkäseren am Unfalltag: Die Luftaufnahme zeigt den Mast (1), von dem die Telefonleitung wegführt; den ungefähren Standort der Person (2), die verletzt wird.
PRESSEBILD

Der 28. Juni 2015 war ein Sonntag. Ein Helikopterpilot der Rega, ein speziell für Helikoptereinsätze geschulter Rettungsassistent und ein Arzt treten ihren Dienst um 8 Uhr auf der Basis der Schweizerischen Rettungsflugwacht auf dem Flugplatz in Mollis an. Es ist ein sonniger, eher ruhiger Tag. Der damals 50-jährige Schweizer Pilot, der 47-jährige Schweizer «HCM» (Helicopter Emergency Medical Services Crew Member) und der 34-jährige deutsche Arzt werden am Vormittag nur zu einem sogenannten Sekundäreinsatz gerufen, einem Verlegungsflug von Spital zu Spital.

Dann macht das Team Pause. Ihr Mittagessen kann die Besatzung noch in Ruhe beenden. Doch kurz vor 13 Uhr wird sie von der Rega-Zentrale alarmiert. Wie das «bei einer solchen Alarmauslösung üblich» sei, steht im Schlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), «wurden der Besatzung nur das ungefähre Einsatzgebiet, der Raum Speer, und ganz knapp der medizinische Sachverhalt mitgeteilt». Laut diesem geht es um eine bewusstlose Person, die möglicherweise reanimiert werden muss. Die Crew besteigt ihren Helikopter, eine zweimotorige Agusta Westland des italienischen Herstellers Leonardo, und fliegt um punkt 13 Uhr los. Kaum in der Luft, erfährt sie ihr Ziel: die Alp Oberkäseren in Amden.

In rund sechs Minuten vor Ort

Der Flug verläuft ruhig, und vor Ort wird das Rettungsteam bereits erwartet. Es kommt um 13.06 Uhr dort an. Südwestlich der Alphütte will eine Person den Helikopter auf einen Platz einweisen, der etwa 20 Meter unterhalb der Terrasse liegt. Das ist dem Piloten und seinen Kollegen zu nah. «Als sich der Helikopter im Endanflug befand», steht im Sust-Bericht, «entschied die Besatzung aufgrund der Nähe des Landeplatzes zur Terrasse, der sich dort aufhaltenden Personen sowie der engen Platzverhältnisse», einen anderen Landeplatz zu suchen.

Heli stösst in Telefonleitung

Alternative Landeplätze gibt es im steilen Gelände jedoch nur wenige. Der Pilot steigt einige Meter hoch, dreht die Nase des Helikopters nach rechts und fliegt südöstlich um die Alphütte, um auf deren Ostseite nach einem geeigneten Landeplatz Ausschau zu halten. Fündig wird er nordöstlich der Hütte. Diesen Platz fliegt er laut Bericht «leicht rechts schiebend, im langsamen Vorwärtsflug und leicht sinkend» an. Da kracht es.

«Der Helikopter kollidierte mit den beiden parallel verlaufenden Telefonleitungen, die von der Alphütte in ostsüdöstlicher Richtung wegführten und an dieser Stelle eine Höhe von circa 17 Meter über Grund aufwiesen.» So wird die Unfallursache im Sust-Bericht nüchtern umschrieben.

Drittperson wird verletzt

Der Helikopter kann zwar noch auf dem vorgesehenen Platz landen, und die Crew bleibt völlig unversehrt. Aber eine dritte Person wird von einem der zwei zurückschnellenden Leitungskabeln am Kopf getroffen, die beim Zusammenstoss vom Rega-Helikopter durchtrennt wurden.

Die Person wird laut Bericht «erheblich» verletzt. Der Arzt und der HCM versorgen sie medizinisch und kümmern sich auch um jene Person, für die der Rega-Heli ursprünglich aufgeboten wurde. Beide werden schliesslich mit zwei weiteren Rettungshelikoptern ins Spital geflogen.

Jetzt ist klar: Das Rega-Team trifft laut Sust-Bericht keine Schuld am Unfall. Der Entscheid, nicht an jener Stelle zu landen, auf die der Helikopter eingewiesen werden sollte, wird darin gestützt. Bereits auf dem Flug über die Alp Oberkäseren hätten sich HCM und Pilot zudem «mit der Hindernissituation rund um die Alphütte» befasst. Und die im Kartenmaterial nicht eingetragene Telefonleitung sei schwierig zu erkennen gewesen: «Selbst bei bekannter Position und intensivem Fixieren konnten die Drahtseile teilweise nur erahnt werden.» Doch ihre Position war nicht bekannt, weil sie «die für die Meldepflicht erforderliche Höhe von 25 Metern nicht» erreichte. Auch musste sie nicht in der sogenannten Luftfahrthinderniskarte eingetragen sein.

Vergleichbarer Unfall 2008

«Sinnvoll wäre, wenn alle Kabel – unabhängig davon, in welcher Höhe sie sich befinden – an eine zentrale Stelle gemeldet werden müssten.» Unter anderem dies hatte die Sust dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) bereits im April 2010 in ihrer «Sicherheitsempfehlung Nr. 417» zum Schlussbericht zu einem vergleichbaren Helikopterunfall geraten. Bei diesem stiess am 12. Mai 2008 ein Heli bei einer Zwischenlandung in Brändlen (NW) auf einer Höhe von 15 bis 18 Metern über Grund in das Drahtkabel einer Transportseilbahn.

Einen Teil der Sust-Empfehlungen hatte das BAZL daraufhin umgesetzt. Und das Teilstück der Telefonleitung auf der Alp Oberkäseren, das zuvor nirgends verzeichnet war, wurde Anfang September 2015 in die Hindernisdatenbank aufgenommen.

Marco Häusler ist Dienstchef der Zeitungsredaktion «Glarner Nachrichten». Er absolvierte den zweijährigen Lehrgang an der St. Galler Schule für Journalismus und arbeitete bei der ehemaligen Schweizerischen Teletext AG und beim «Zürcher Unterländer», bevor er im Februar 2011 zu Somedia stiess. Mehr Infos

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Kabel sind immer gefährlich für die Helikopter Unternehmen.War mit meinem Kollegen mal auf Gran Canaria in den Ferien ,da hatte es auch mal ein Unfall gegeben .Der Helikopter mit Pilot und Arzt sollten zu einem in ein Tobel abgestürzten Bus gehen.Doch da flog der Helikopter mit Pilot und Arzt in ein Hochspannungskabel und stürzte ab.Beide Pilot und Arzt tot.Bus Insassen konnten dann gerettet werden .Tragisch für den Piloten und Arzt die damals starben.

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