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Die Leute lassen die Finger vom Bargeld

Viele bitten ihre Kunden, mit Karte zu zahlen, manche bestehen fast darauf. Eine Ladenbesitzerin erzählt.

Ueli
Weber
28.03.20 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Das Bild stammt aus Vor-Corona-Zeiten: Margrit Häne (links) bittet die Kunden ihres Teegeschäfts, mit Karte oder per Rechnung zu bezahlen.
Das Bild stammt aus Vor-Corona-Zeiten: Margrit Häne (links) bittet die Kunden ihres Teegeschäfts, mit Karte oder per Rechnung zu bezahlen.
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Der Einkauf im Supermarkt, tatsächlich ein Erlebnis. Zu einer Trennwand gestapelte Coca-Cola-Flaschen kanalisieren die Kunden zu einer Mitarbeiterin in gelber Leuchtweste. Bitte eine Nummer ziehen. Hände desinfizieren. Wer möchte: Gemüsesäckli als Handschuhe, um nicht den Griff des Einkaufskorbes zu berühren. Lautsprecherdurchsage: «Liebe Kunden, zahlen Sie bitte wenn möglich mit Karte oder Smartphone. Geschätzte Kundinnen, halten Sie Abstand.»

Anstehen, Abstand halten. Die Menschen sind nett und schweigen sich ansonsten an. Einkauf auf das Förderband legen, wieder Abstand halten. Bezahlen, wenn möglich mit Karte oder dem Smartphone. An der Cola-Wand vorbei, Nummer abgeben. Nochmal Hände desinfizieren. Schönen Tag wünschen. Bleiben Sie gesund.

«Kommt problemlos an»

Die Coronakrise verändert unser Einkaufsverhalten. Die Grossen wie Migros und Coop bitten ihre Kunden schon länger, ohne Bargeld zu zahlen. Kleinere Läden sind nachgezogen – auch manche, die auf einen Lieferservice umgeschaltet haben. Etwa der Teebogen in Glarus. Hier heisst es: Bargeld unerwünscht. «Die Empfehlung auf Bargeld zu verzichten ging rum», sagt Inhaberin Margrit Häne. «Aber man hört ja mittlerweile auch anderes.» Wie dem auch sei: Vorsicht ist besser als Nachsicht, denkt sie sich. Das Ladenlokal hat sie von sich aus geschlossen. Die Kunden können ihren Tee bestellen und abholen oder liefern lassen.

Am Donnerstag arbeitete Häne die Bestellungen durch. Gerade noch jemand bezahlt bar. «Bei der Kundschaft kommt es problemlos an», sagt sie. Viele, die früher mit Münz und Note bezahlten, zückten in letzter Zeit sowieso von sich aus die Bankkarte.

Dass dem Geschäft bei jeder zusätzlichen Kartenzahlung Gebühren verrechnet werden, nimmt Häne in Kauf: «Damit muss man als Gewerbler umgehen können.» Die Massnahmen dienten schliesslich dem Schutz der Kunden und des Personals. «Es geht in beide Richtungen», sagt Häne. «Wir müssen jetzt alle am gleichen Strick ziehen.» Und was ist, wenn jemand nicht mit Karte bezahlen kann? «Ich schicke natürlich niemanden weg», sagt Häne. Aber eben: Lieber Kunde, bitte wenn möglich mit Karte bezahlen.

«Man muss kreativ sein»

Andere gingen da schon weiter. Eine Bäckerei in einem Vorort von Zürich weigerte sich vorübergehend, Bargeld anzunehmen. Das kam nicht bei allen Kunden gut an – ist aber erlaubt. Im Prinzip bestehe zwar eine Annahmepflicht von Noten und Münzen, sagte die Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, Sara Stalder, zur «Linth-Zeitung». Es handle sich aber um ein sogenanntes dispositives Recht. Ein Geschäft könne auch alternative Zahlungsmittel anbieten. «Es gibt somit keine Handhabe, die Bargeldbezahlung durchzusetzen», sagt sie.

In der gegenwärtigen Krise seien einvernehmliche Lösungen aber viel sinnvoller. «Gerade kleinere Geschäfte kennen ihre Kundschaft oft persönlich. Sie könnten das, was Kundinnen und Kunden einkaufen, in ein Buch eintragen und in Rechnung stellen», schlägt Stalder vor. «Man muss jetzt einfach kreativ sein.»

Wie hoch ist das Risiko einer Ansteckung mit Bargeld?

Wissenschaftlich ist nicht geklärt, wie wahrscheinlich eine Ansteckung durch Münz oder Banknoten ist. Wichtig zu wissen ist aber: Nur weil man einen mit dem Virus kontaminierten Fünfliber in die Hand nimmt, steckt man sich noch nicht an.
Das Virus kann nicht über die Haut in den Körper eindringen. Kritisch wird es, wenn man sich danach ins Gesicht fasst. Denn über die Augen, Nase oder Mund gelangt das Virus in den Körper. Wichtig ist darum: Nach dem Einkauf gründlich die Hände waschen oder desinfizieren. Und: Hände weg vom Gesicht. Viele Experten gehen davon aus, dass vom Bargeld kaum Ansteckungsgefahr ausgeht. Nur schon deshalb, weil sich das Virus dann schneller verbreitet haben müsste. Die Deutsche Bundesbank etwa gab an einer Pressekonferenz Entwarnung, vom Bargeld gehe keine Gefahr aus. Aber auch hier sind sich nicht alle einig: In Teilen Chinas dagegen wurden Banknoten eingezogen, desinfiziert und 14 Tage lang in Quarantäne gesetzt. US-Forscher haben jedenfalls nachgewiesen, dass das Coronavirus mehrere Tage auf Oberflächen überdauern kann. Allerdings untersuchten sie dabei kein Bargeld. Und es ist nicht klar, ob die Menge der überlebenden Viren für eine Ansteckung ausreichte.

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

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Ist ja sonderbar, nur Bargeld ist gefährlich. Was ist mit all den Importen aus China , Italien?
An diesen Gegenständen und Lebensmitteln kann sich Corona nicht einklinken?
Das Virus kommt den Bargeldabschaffern wie gerufen, so kann man den Bürger transparent wie in Orwells Visionen machen und systemkritische Wissenschaftler und Mediziner kalt stellen indem man ihnen den Geldhahn zudreht. Und Banken können Gebühren in jeder Höhe verlangen und wenn eine Bank in Schieflage gerät kommt man sicher nicht mehr an sein Geld...
Ebenso ist man aufgeschmissen wenn das EC Karten System wieder einmal streikt.

Da frage ich auch? wie viel wird dem Bäcker verrechnet ,wenn ich ein 1/2 Pfünderli nehme von Fr.1.90. und mit der Karte bezahle. Und nach meiner Ansicht ,kann die Karte und der Apparat auch mit Viren befallen sein.

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