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Handys sollen bei der Rekonstruktion des Ju-52-Absturzes helfen

Am Sonntag jährt sich der Absturz der Ju-52 beim Piz Segnas. Gemäss dem Statusbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) gibt es noch keine neuen Erkenntnisse zur Unfallursache. Der Bericht zeigt aber auf, wie die letzten Flugminuten der Ju-52 in einem aufwendigen Verfahren rekonstruiert werden.

Südostschweiz
02.08.19 - 10:28 Uhr
Ereignisse
Am 4. August 2018 stürzte die Ju-52 beim Segnasboden oberhalb von Flims ab.
Am 4. August 2018 stürzte die Ju-52 beim Segnasboden oberhalb von Flims ab.
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Für die Rekonstruktion des Unfallhergangs und des Flugweges werden Spuren am Wrack und an der Unfallstelle verwendet, dazu kommen Radardaten, Bild- und Videomaterial sowie die am Unfallort gefundenen Digitalkameras der Passagiere, heisst es im heute Freitag veröffentlichten Statusbericht der SUST. Der Grund für diese aussergewöhnliche Untersuchungsweise: Unfallresistente Flugschreiber sowie Sprach- und Geräuschaufzeichnungsgeräte gab es im verunfallten Flugzeug keine.

Über 40 Mobiltelefone, Digitalkameras, Speicherkarten und andere Komponenten mit allfälligen Datenspeichern seien an der Unfallstelle sichergestellt worden, heisst es im Bericht weiter. Weil die meisten dieser Elektronikkomponenten stark beschädigt waren, konnten sie nicht direkt  ausgelesen werden. Unterstützt wurde die SUST bei der Rekonstruktion der stark beschädigten Komponenten von der französischen Sicherheitsuntersuchungsbehörde Bureau d’Enquêtes et d’Analyses pour la sécurité de l’aviation civile (BEA).

3-D-Modelle

Der gesamte Flugverlauf könne mithilfe der verschiedenen Datenquellen gut rekonstruiert werden, für die letzten Flugminuten werde dabei eine hochpräzise Methode verwendet, schreibt die SUST in ihrem Bericht weiter. Dazu wurde der Talkessel südwestlich des Piz Segnas mit einem dreidimensionalen Laserscan-Verfahren aufgenommen und mit dem dreidimensionalen Geländemodell des Bundesamtes für Landestopografie kombiniert. Von einem Schwesterflugzeug der HB-HOT wurde ein Laserscan aufgenommen und ein dreidimensionales Modell erstellt. Dank dieser Modelle können Video-Aufnahmen, die vom Boden aus von der verunfallten Maschine im Flug gemacht wurden, bezüglich dem Gelände positioniert und analysiert werden. Ebenso seien mit diesem Modell Aufnahmen aus dem Inneren des Flugzeuges für die Flugwegbestimmung auswertbar. Wie es im Bericht weiter heisst, sollte es mit dem vorhandenen Bild- und Filmmaterial möglich sein, für die entscheidende Flugphase die Positionen des verunfallten Flugzeuges im Raum, dessen Lagewinkel gegenüber dem Gelände und seine Geschwindigkeit gegenüber dem Boden zu ermitteln.

Für die Untersuchung werden aber nicht nur Videos und Bilder, sondern auch Tonspuren aus dem Filmmaterial analysiert. Eine Spektralanalyse soll es erlauben, die Umdrehungszahlen der Motoren zu bestimmen und Rückschlüsse auf den Zustand der Motoren zu ziehen. Diese Arbeiten dauern aber noch an, die SUST wird hier ebenfalls durch die französischen Sicherheitsuntersuchungsbehörde BEA unterstützt.

Weiter wird die SUST in diesem Jahr noch Windmessungen im Unfallgebiet vornehmen. Mit der Rekonstruktion der Windverhältnisse erhofft man sich, den Unfallflug noch genauer nachvollziehen zu können.

Schlussbericht erst im nächsten Jahr

Wie die SUST abschliessend schreibt, haben ihre Untersuchungen «bereits wichtige Sicherheitsdefizite zu Tage gefördert, die zwar nicht direkt mit dem Unfall zusammenhängen, aber im künftigen Betrieb von historischen Luftfahrzeugen behoben werden sollten.» Die SUST plant, den Schlussbericht im ersten Quartal des kommenden Jahres vorlegen zu können. Dies unter der Voraussetzung, dass die noch ausstehenden Abklärungen wie vorgesehen abgeschlossen werden können. Dass es bis zum Vorliegen des Schlussberichts mehr als ein Jahr dauert, ist gemäss Christian Gartmann, Mediensprecher der Ju-Air, keine Überraschung. «Der Statusbericht zeigt, dass es eine sehr aufwendige Angelegenheit ist, einen solchen Unfall zu untersuchen», sagt Gartmann gegenüber Radio Südostschweiz. «Es müssen sehr, sehr viele Abklärungen getroffen werden, zum Flugverlauf selbst wie auch zu verschiedenen Faktoren rund um den Flug und den Flugbetrieb.»

Der Flugbetrieb der Ju-Air wurde letzten Spätherbst eingestellt, die Flugzeuge werden derzeit komplett «grundüberholt», wie Gartmann erklärt. Aus diesem Grund sei es für Ju-Air nicht schlimm, dass die Erstellung des Schlussberichts so viel Zeit in Anspruch nehme. «Aus menschlicher Sicht möchten wir aber möglichst bald erfahren, was dazu führte, dass das Flugzeug abgestürzte.» (sz)

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