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Falscher Polizist steht vor Gericht

Ein Glarner soll sich als Polizist ausgegeben haben, um für einen Freund Schulden einzutreiben. Vor Gericht wehrt er sich: Die Behauptung sei ihm in der Hitze des Gefechts herausgerutscht. Ein heimlich aufgenommenes Handyvideo könnte den Fall klären – falls es als Beweis zugelassen wird.

Ueli
Weber
08.12.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse

Ihren Streit unterbrachen die beiden jeweils, wenn Kunden an den Essensstand traten. Sobald die Hungrigen mit ihrem Essen ausser Hörweite waren, stritten sie weiter um die 530 Franken. Der Mann im Wagen schuldete sie dem Mann vor dem Wagen. Irgendwann schlug der Besitzer des Essensstands mit der Faust auf die Kasse. Der Mann vor dem Stand rief mit dem Handy einen Freund herbei.

«Ich kam deeskalierend auf das Areal», sagt dieser Freund über ein Jahr später vor dem Kantonsgericht Glarus. Dann sei die Sache leider eskaliert. «Worte sind gefallen, die nicht hätten fallen sollen.» Wegen diesen Worten wird dem Freund jetzt Amtsanmassung und Nötigung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert 1500 Franken Busse und eine bedingte Geldstrafe von 4500 Franken.

«Bist du von der Polizei?»

Laut ihrem Strafbefehl stellte sich der Angeklagte als Kripo-Mitarbeiter der Stadtpolizei Zürich vor. Dem Mann im Stand sagte er, er müsse seine Schulden bezahlen. Ansonsten habe er als Polizist Möglichkeiten, ihm das Geschäft kaputtzumachen. Der Betreiber des Essensstandes zahlte 250 Franken seiner Schulden zurück.

Der Angeklagte ist kein Polizist. Er arbeitete zu diesem Zeitpunkt aber bei einer auf Diebstähle spezialisierten Detektei. «Wegen einigen brenzligen Situationen auf der Strasse bin ich etwas kürzergetreten», erzählt er den Richtern. Heute sei er Geschäftsführer seines eigenen Unternehmens. Der Angeklagte erzählt ruhig und sachlich aus seinem Leben. Er ist Mitte 40 und zahlt Alimente für seine Kinder.

An diesem Tag vor eineinhalb Jahren sei er als Ruhepol aufgetreten, sagt er. Den Streit schildert er anders als die Staatsanwaltschaft. Er stellte sich demnach als Partner der Firma seines Freundes vor. Mit dem Mann hinter dem Tresen habe er ein konstruktives Gespräch geführt. Doch die beiden Streithähne kamen sich immer wieder in die Haare. Der Mann im Stand prahlte mit seinen Strafregistereinträgen wegen Körperverletzung und drohte, die Polizei zu holen.

Da sei es passiert, erzählt der Angeklagte: «Ich sagte ihm, das gibt nur Mehraufwand. Er fragte mich: ‘Bist du denn von der Polizei?’ Da sagte ich in der Hitze des Moments Ja.»

Heimliche Videoaufnahme

Vor Gericht erscheint die Staatsanwältin nicht – was sie zu sagen hat, steht im Strafbefehl, der hier als Anklageschrift gilt. «Schade», sagt der Verteidiger. Denn ihr Strafbefehl begründe auf gerade mal zwölf Zeilen, weshalb sein Mandant verurteilt werden solle. «Ihm ist nichts anderes übrig geblieben, als Einsprache zu erheben.»

Der Verteidiger fordert einen Freispruch für seinen Mandanten. Erst einmal stellt er aber einen anderen Antrag. Denn der Mann im Essensstand zeichnete den Schluss des Streits heimlich mit seinem Handy auf. Weil diese Aufnahme illegal sei, dürfe sie nicht als Beweis dienen, fordert der Anwalt.

«Bock zum Gärtner gemacht»

Zur Amtsanmassung, die seinem Mandanten vorgeworfen wird, sagt der Verteidiger: «Mit der Aussage, jemand sei von der Polizei, wird noch keine Amtsgewalt angemasst.» Der Besitzer des Essensstands habe sich zudem widersprochen. Bei der Staatsanwaltschaft habe er nicht mehr sagen können, was ihm der falsche Polizist konkret angedroht haben soll.

«Ich glaube, man hat den Bock zum Gärtner gemacht», sagt der Verteidiger. «Anstelle des säumigen Schuldners, der nicht bezahlen will, sitzt hier mein Mandant, der nur helfen wollte.»

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

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