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«Die gestrige Berichterstattung grenzt an extreme Rufschädigung»

Nach dem Bekanntwerden von gleich zwei Bettwanzen-Attacken auf den österreichischen Bergführer Franz Kröll in der Heidelberger Hütte in Ramosch erhitzen sich die Gemüter weiter. Für Stefan Wellhausen, der in der Hütte zur Bettwanzen-Beseitigung beauftragt worden ist, grenzt die Berichterstattung vom Montag gar an eine extreme Rufschädigung.

Südostschweiz
31.07.18 - 16:36 Uhr
Ereignisse
Gemäss Stefan Wellhausen wird die Heidelberger Hütte nun alle vier bis sechs Wochen mit Hunden nach Bettwanzen abgesucht.
Gemäss Stefan Wellhausen wird die Heidelberger Hütte nun alle vier bis sechs Wochen mit Hunden nach Bettwanzen abgesucht.
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Am Montag wurden zwei Fällen von intensiven Bettwanzen-Attacken auf den österreichischen Bergführer Franz Kröll in der Heidelberger Hütte in Ramosch bekannt. Auf Anfrage von «suedostschweiz.ch» nimmt nun erstmals Stefan Wellhausen, Führer von zwei ausgebildeten Bettwanzenspürhunden und beauftragter Schädlingsbekämpfer der Heidelberger Hütte, Stellung zu Krölls Aussagen in der Berichterstattung des Online-Portals «Blick».

Herr Wellhausen, haben Sie Kenntnis vom ersten Vorfall im Januar 2018?

Von diesem Vorfall habe ich mitbekommen.

Wurde bereits da etwas zur Bekämpfung der Bettwanzen unternommen?

Ja. Es ist eine dreiteilige Behandlung im chemischen Bereich. Der erste Teil dieses Dreierzyklus wurde dort durchgeführt. Dieser Zyklus wurde des Weiteren sehr gut durchgeführt, inklusive der Beseitigung in zugriffsgeschützten Bereichen wie Hohlräumen, Steckdosen oder hinter Holzverkleidungen. Das ist also alles sehr gut gemacht worden.

Wussten Sie, dass danach noch immer nicht alle Bettwanzen beseitigt gewesen sind?

Die Behandlung wurde wirklich gut gemacht. Bauart-bedingt ist in solchen Berghütten eine Bekämpfung aber immer sehr schwierig. Es ist nicht so, dass wir das Problem nur in der Heidelberger Hütte haben. Es kommt auch sehr oft im Bereich der französischen Berghütten vor. Ausserdem kommen die Bettwanzen auch in Beherbergungsbetrieben im Tal und in der Hotellerie vor. Und eins muss dazu ganz klar gesagt werden: Wir wissen nicht, wo dieser Bettwanzenbefall auf der Heidelberger Hütte herkam. Es kann durchaus sein, dass die Bettwanzen von einem Gast aus einem Hotel, einer Pension oder irgendeiner anderen Unterkunft im Tal mit auf die Heidelberger Hütte gebracht worden sind. Möglich ist aber auch, dass der Bergführer, der dort sehr stark gebissen worden ist, diese Bettwanzen auch in seinem Gepäck hatte und er damit gar nicht unbedingt von Bettwanzen aus der Heidelberger Hütte gebissen worden ist. Ich habe dazu auch den gestrigen Zeitungsartikel gelesen und muss sagen, dass das harter Tobak ist.

Warum harter Tobak?

Weil das bereits an eine extreme Rufschädigung grenzt und dazu sehr einseitig berichtet worden ist. Es sind sehr gute Massnahmen durchgeführt worden. Zu den Tätigkeiten, die die Heidelberger Hütte jetzt unternimmt, um einen künftigen Bettwanzenbefall vorzubeugen, gehört auch ein Präventionssystem, das wir jetzt aufgestellt haben. Dazu zählen auch Massnahmen wie ein Monitoring und die Eigenprävention zum frühzeitigen Erkennen von Bettwanzen durch das Personal. Diesen Aufwand, die jetzt die Heidelberger Hütte betreibt, unternimmt kein 5-Stern-Hotel, weder in der Schweiz noch in Deutschland.

Betreibt die Hütte diesen Aufwand bereits seit Januar oder erst seit dem zweiten Vorfall Ende Juni?

Wir sind schon seit einiger Zeit zu Gange in der Heidelberger Hütte. Das erste Mal Kontakt zu der Heidelberger Hütte hatte ich im Januar oder Februar dieses Jahres. Danach wurden auch umgehend Schädlingsbekämpfungsmassnahmen eingeleitet.

Die Beschwerden des österreichischen Bergführers Franz Kröll beziehen sich auf zwei Attacken, die erste im Januar und die zweite im Juni. Das kann doch kein Zufall sein, dass die Bettwanzen-Attacken gleich zweimal in der Heidelberger Hütte stattgefunden haben?

Das kann man schlecht sagen. Ich weiss schliesslich nicht, wo Herr Kröll zuvor war oder wo er davor übernachtet hat. Generell vermag ich nicht zu behaupten, dass die Stiche bei Herrn Kröll ausschliesslich von der Heidelberger Hütte stammen. Wir müssen eines wissen: Wenn wir von einer Bettwanze gebissen werden, passiert es unter Umständen, dass der Juckreiz durchaus erst zwei bis sieben Tage später, also mit einer Zeitverzögerung, auftreten kann. Auch habe ich einige Schreiben von Herrn Kröll gelesen, die sich auf die Hygiene in der Hütte beziehen. Die Bettwanze hat mit Hygiene nichts zu tun. Die Heidelberger Hütte wird darüber hinaus sehr vorbildlich geführt und ist in einem sauberen Allgemeinzustand. Überzeugen Sie sich am besten gleich selbst vor Ort von dem sauberen Zustand der Heidelberger Hütte.

Wie sieht es mit anderen Beschwerden aus? Gab es auch von anderen Gästen Beschwerden oder nur von Herrn Kröll?

Mir ist nur die Beschwerde von Herrn Kröll bekannt.

Und der Heidelberger Hütte selbst?

Dazu kann ich nichts sagen. Soweit bin ich mit den Verantwortlichen vor Ort nicht in die Materie gegangen. Die sind aber sehr offen und hätten mir bestimmt gesagt, wenn sich noch weitere Gäste darüber beschwert hätten.

Hatten Sie selbst Kontakt mit Herrn Kröll?

Ich selbst hatte keinen Kontakt, nein.

Wird sich bei der Bekämpfung künftig was verändern oder wird weiterhin gleich dagegen vorgegangen?

Nein, wir haben ja jetzt die Präventionsmassnahmen. Wir sind nun alle vier bis sechs Wochen mit den Hunden auf der Hütte.

Das heisst, es wird immer noch nach Bettwanzen gesucht?

Bei der Bettwanzenbekämpfung geht es darum, so früh wie möglich einen Befall zu erkennen und diesen dann schnellstmöglich zu behandeln. Mit der Detektion durch die Hunde haben wir das derzeit beste Mittel zur Verfügung. Wenn wir nun alle vier bis sechs Wochen vor Ort sind, erkennen wir einen frisch eingeschleppten Befall. Und darum geht es schliesslich, Befälle so früh wie möglich zu erkennen. Es wird aber niemals einen Schutz vor Bettwanzen geben.

Hat es denn im Augenblick auf der Heidelberger Hütte noch Bettwanzen?

Momentan haben wir ein positives Ergebnis.

Das heisst?

Das heisst, dass wir betreffend der Heidelberger Hütte in dem Bereich momentan sagen können: Wo etwas war, wird nochmals prophylaktisch nachbehandelt. Wir können daher davon ausgehen, dass wir dort keine grossen Populationen haben.

Dort schlafen zurzeit keine Gäste?

Dort nicht. Vorsorglich haben wir dazu nochmals einiges gemacht und beschlossen, ein weiteres Langzeitpräparat für eventuelle Vorkommen von kleineren Tieren, Larven und Eiern, die sich erst noch entwickeln, in den zugriffsgeschützten Bereichen anzuwenden. Hierfür haben wir einen sehr grossen Aufwand betrieben und Bohrungen vorgenommen, um diese Mittel hinter die Holzverkleidungen leiten zu können.

Gibt es Angaben zur Anzahl der Zimmer, die noch befallen sind?

Wir sprechen von einer sehr geringen Quote. Ich werde Ihnen dazu aber nicht sagen, wie viele Zimmer einen Befall haben. Wir liegen aber bei unter fünf Prozent.

Ist das ein guter Wert? Man möchte doch eigentlich bei null Prozent liegen.

Das ist ein sehr guter Wert.

Heisst «gut» nicht, dass keine Bettwanzen vorhanden sein sollten?

Das ist ein sehr guter Wert und wir können zufrieden sein. Es zeigt uns, dass die Massnahmen, die ergriffen worden sind nach dem ersten Auftreten im Januar, auch wirklich greifen. Und das ist das Wichtige.

Finden Sie es selbst nicht auch merkwürdig, dass sich nur eine Person beschwert hat?

Es ist komisch, wenn sich nur eine Person beschwert, dann so dagegen vorgeht und sogar davon spricht, dass eine Hütte geschlossen werden sollte. Gesichert ist heute auch, dass keine Übertragung von Krankheiten von Bettwanzen auf den Menschen stattgefunden haben, das kann heute so gesagt werden. Ausserdem gilt die Bettwanze nicht als Schädling, sondern als Lästling, was ein gravierender Unterschied ist.

Was ist denn der genaue Unterschied?

Von der Bettwanze geht kein Schaden aus. Schaden heisst so viel, dass sie zum Beispiel Krankheiten übertragen könnte. Sie belästigt die Leute aber mit Stichen, die unangenehm sind. Ausserdem besteht in Europa derzeit keine Meldepflicht für Bettwanzenbefälle.

Was bedeutet das?

Das bedeutet unter anderem, dass wir eine sehr hohe Dunkelziffer haben. Gerade der Tourismus und die Hotellerie stehen diesem Thema sehr verschlossen gegenüber. Ich muss dazu auch ganz klar sagen, dass es bei allen Massnahmen, die die Heidelberger Hütte und die Sektion übrigens sehr viel Geld kosten, extrem wichtig ist zu wissen, was in den Nachbarhütten los ist. Es bringt nämlich nichts, wenn die Heidelberger Hütte jetzt Bettwanzen-frei ist und die Nachbarhütten dafür einen Befall haben.

Engagiert sich die Heidelberger Hütte, um zu erfahren, was die Nachbarhütten zu diesem Thema unternehmen?

Das ist Aufgabe der alpinen Vereine. Das heisst, es ist Aufgabe des Deutschen Alpenvereins beziehungsweise der Sektion Heidelberg, die darüber informiert sind. Wir werden Informationsveranstaltungen machen, die anderen Hüttenwirte müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass auch sie einen Befall haben können. Ausserdem erleben wir gerade in der Hotellerie immer wieder, dass häufig Quoten von fünf bis sieben Prozent einen nicht entdeckten Bettwanzenbefall haben.

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Es ist unglaublich, dass der Alpenverein in dieser Situation keinen professionellen Schädlingsbekämpfer einsetzt, sondern jemanden, der laut eigener Aussage (auch auf seiner Homepage) nur zur Vorbeugung in Aktion tritt. Was soll das?
Die Hütte ist von Bettwanzen befallen und ich habe bereits von einer weiteren Betroffenen gehört. Seit Januar wissen Hüttenwirt und Alpenverein um das Problem und die "Maßnahmen" von Herrn Wellhausen sind nicht gerade von Erfolg gekrönt, denn sonst wäre der Bergführer nicht so massiv attackiert werden. Zudem drängt sich eine weitere Frage auf: Die Hütte steht auf Schweizer Boden. Hat Herr Wellhausen überhaupt eine offizielle Arbeitsgenehmigung dafür?

"Das heisst, dass wir betreffend der Heidelberger Hütte in dem Bereich momentan sagen können: Wo etwas war, wird nochmals prophylaktisch nachbehandelt. Wir können daher davon ausgehen, dass wir dort keine grossen Populationen haben."
Man oh man, da windet sich aber auch einer mit seinen Aussagen. Ich lese das so:
Es gab also Bettwanzen und es gibt sie immer noch. Man unternimmt seit geraumer Zeit Massnahmen um der Sache Herr zu werden. Bekämpft wird mit chemischen Ködern um eine Schließung zur (wirksamen) Hitzebehandlung zu vermeiden.
Der Bergführer war kein Einzelfall aber er ist halt an die Presse gegangen. Schließlich muss er die Hüttenwahl auch seinen Gästen gegenüber vertreten.
Und ob der Bettwanzen-Profi aus Niedersachsen die erste Wahl für die Hochgebirgshütte ist bezweifle ich....

Sehr geehrter Herr Schneider,

ich (bettwanzen-profi.de) monitore nur die Hütte um festzustellen ob es einen Befall hat oder nicht. Im Artikel wurde fälschlicherweise erwähnt, das ich Schädlingsbekämpfer sei. Dieses ist nicht der Fall. Ich betreue allerdings solche Maßnahmen und habe in den letzten 10 Jahren bereits über 2500 Bettwanzenbehandlungen in Europa begleitet. Die Behandlungsmaßnahmen in der Heidelberger Hütte werden von einem Schweizer Unternehmen durchgeführt.

Und ja ich bin bereits seit einigen Jahren mit meinen Spürhunden im Hochgebirge (Österreich, Schweiz und in den französischen Alpen ) zum Bettwanzen-Monitoring unterwegs.

Zum Punkt der thermischen Behandlung kann ich Ihnen nur sagen, dass dieses bauartbedingt nicht möglich ist, da die Hitze von 55-60 Grad nicht gehalten werden kann.

Sie können hier auf das Tun aller Beteiligten vertrauen.

Beim langen Lesen dieser langen Geschichte dieses Interview-Artikels fragt man sich, ob das nun "Heidelberger-" oder "Chemikalien-Retard-Hütte" (apropos weiteres Langzeitpräparat z.B. hinter Holzverkleidungen etc. leiten) heisst bzw. ob da nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird (angesichts eines bloss "Lästlings", hahaha) bzw. ob man da als Gast übernachtend noch einatmen möchte – Luftkurorteluft, notabene.
Das "Kurhaus" (! Nomen est Omen?) schaffte es sogar zu nationaler Berühmtheit via z.B. der Zeitschrift "Gesundheitstipp":
https://www.suedostschweiz.ch/leserbriefe/2017-05-30/berguen-fotografie…

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