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Sie geben Ferien her, um fremden Abfall einzusammeln

«Glarnerland macht sauber» nennen Rita und Ernst Bolliger aus Glarus ihre private Ferienaktion. Unterstützt von zwei jungen Afghanen sammeln sie während einer Woche Abfall von Linthal bis Niederurnen.

05.07.18 - 11:20 Uhr
Ereignisse

Sie könnten ihre Sommerferien auch mit einer Velotour irgendwo in der Schweiz starten. Wie sie es gewöhnlich tun. Stattdessen sind sie diese Woche jeden Morgen punkt 9 Uhr mit dem Velo am Bahnhof Glarus anzutreffen. Ernst und Rita Bolliger tragen gelbe Warnwesten. Gut gelaunt rüsten sie auch den 18-jährigen Jomah Ibrahimi und den 16-jährigen Mahdi Yaqubi damit aus.

Dann kann es losgehen. Ibrahimi winkt beim Abfahren, während Ernst Bolliger das Schlusslicht einnimmt. Gut lesbar ist auf dem selbst gemalten Plakat auf seinem Anhänger «Glarnerland macht sauber» zu lesen. «Um Autofahrer und Passanten auf unsere Aktion aufmerksam zu machen», wie Rita Bolliger zuvor erklärt hat.

An diesem Tag soll entlang der Kantonsstrasse vom Wiggispark in Netstal bis nach Mollis und wieder zurück Plastik, Alu, Flaschen und anderer Abfall aller Art eingesammelt werden. Die Abschnitte Glarus bis Linthal sowie Glarus, Riedern, Netstal waren schon dran.

Nachahmung erwünscht

Wie kommt man bloss auf die Idee, eine Ferienwoche herzugeben, um Abfall einzusammeln? «Die Idee haben wir schon länger», antwortet Rita Bolliger. Jedes Mal aufs Neue sei ihnen bei ihrer alljährlichen Sommer-Velo-Ferienwoche durch die Schweiz der Abfall am Strassen- und Wiesrand ins Auge gestochen.

«So viele Aludosen, Plastikreste, Flaschen», sagt Rita Bolliger. «Die man nicht einfach aufheben und mitnehmen kann.» «Dieses Jahr haben wir beschlossen, etwas zu unternehmen», fügt Ernst Bolliger an. «Und entschieden, konkret im Glarnerland anzufangen.» Dass andere ihnen dabei helfen oder durch sie weitere Aktionen angestossen werden, sei ihre Wunschvorstellung dahinter. «Also ganz viele Follower, die Hand anlegen», so Ernst Bolliger lächelnd.

Gefunden haben die Bolligers zwei junge Afghanen, die das Brückenangebot Integration an der Berufsschule in Ziegelbrücke besuchen, wo auch Rita Bolliger arbeitet. «Ich bewege mich gern und bin auch gern mit Herrn und Frau Bolliger unterwegs», begründet Jomah Ibrahimi seine Motivation. Vor allem habe er Zeit, da er keine Schule habe. Mahdi Yaqubi nickt. «Ich habe jetzt Schulferien, möchte aber nicht einfach nichts tun, sondern etwas machen.»

WM-Fahnen und vieles mehr

Zweieinhalb Stunden später sind die vier motivierten Abfallsammler auf der Höhe des Einkaufsparks Krumm in Näfels anzutreffen. Ein kurzer Platzregen zwingt gerade dazu, Pause zu machen. Der Korb von Rita Bolliger ist gut gefüllt. Neben Aludosen, Petflaschen, leeren Zigarettenpäckchen und Plastiksäcken liegen auch drei Schweizerfahnen. «Die Schweizer sind ausgeschieden. Da werden auch die kleinen Fähnchen aus dem Auto geschmissen», so Rita Bolliger.

Rund um die Bushaltestelle Krumm liegt einiger Müll herum. Dabei hängt dort sogar ein Abfallkübel. Auch in der Nähe des Mc Donald’s in Glarus sei viel herumgelegen. Eigentlich hätten sie insgesamt aber noch viel mehr Abfall erwartet, sagt Rita Bolliger. Je weiter südlich im Kanton, desto weniger hätten sie gefunden. Das liege vermutlich daran, dass der Klausenpass noch nicht sehr lange offen und das Gras am Strassenrand gemäht worden sei, wobei zugleich auch Abfall entfernt würde.

«Danke, dass ihr das macht»

«In Afghanistan würden wir schon ein Haus mit dem gesammelten Abfall füllen können», stellt Ibrahimi Vergleiche an. In seiner Heimat würde viel in der Landschaft entsorgt. Mit frischem Elan greift er nach weiterem Müll in der Wiese.

Die Leute reagierten positiv, sagt Ernst Bolliger. Jemand habe ihnen spontan gratuliert. Ein Bauer in Glarus Süd habe ihnen am Montag vom Traktor aus zugerufen «Danke, dass ihr das macht.»

Heute Donnerstag werden alle vier nochmals mit dem Velo in Glarus Nord Abfall einsammeln. Und am Freitag zu Fuss in Glarus unterwegs sein. Treffpunkt jeweils neun Uhr beim Bahnhof Glarus. Wer mitmachen will, ist herzlich eingeladen.

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