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Eine Altartafel kommt zurück

Von Nagel zu Nagel überwacht: Gestern ist eine mehr als 500 Jahre alte Schwandner Altartafel von Ausstellungen in Deutschland zurückgekehrt – in einer Klimakiste und professionell begleitet.

13.04.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Heimkehr mit Protokoll: Der Altarflügel wird aus der Klimakiste befreit, mit Handschuhen vorsichtig ausgepackt und auf allfällige Reiseschäden untersucht.
Heimkehr mit Protokoll: Der Altarflügel wird aus der Klimakiste befreit, mit Handschuhen vorsichtig ausgepackt und auf allfällige Reiseschäden untersucht.
CLAUDIA KOCK MARTI

Sorgfältig lösen die Transporteure die Schrauben der Klimakiste mit der wertvollen Fracht. Lydia Schmidt, diplomierte Restaurateurin, gibt die Anweisungen. Wie sie dies auch schon beim Verpacken in Stuttgart machte. «Empfindliche Werke wie dieses werden bei einem Transport von Nagel zu Nagel betreut», erklärt sie ihre Rolle. Der Altarflügel aus dem 16. Jahrhundert sei ungerahmt und weise diverse Beschädigungen und Schäden auf. Sie könne Tipps im Umgang mit dem Werk geben. Wichtig sei aber auch das Protokoll, das sie vor und nach dem Transport verfasse, wozu sie den Zustand des Werkes genau prüfe.

Mittlerweile ist die Kiste geöffnet. Eine sogenannte Klimakiste, die beim Transportieren vor Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen wie vor mechanischer Beschädigung schützt. Der noch verpackte Altarflügel wird nun einen Stock höher transportiert, wo er in seine Vitrine kommen soll.

Das Reisen gut überstanden

Die Hüllen fallen. Zwei Frauen, die heilige Barbara und die heilige Katharina, mit zerkratzten Gesichtern und ausgestochenen Augen sind zu erkennen. Auch Durchschüsse und lange Kratzer gehören zum Altarflügel. Das Augenmerk der Restaurateurin gilt nun ganz den auf ihrem Protokoll vermerkten Schäden und Schwachstellen.

Mit Handschuhen wird die Tafel vorsichtig umgedreht. Auf der anderen Seite ist die Darstellung des heiligen Antonius und des heiligen Sebastians zu sehen. Das Schweinchen zu ihren Füssen mit ausgestochenen Augen gibt ebenfalls ein beredtes Bild von der Wut der Bilderstürmer wieder.

Kaum in der Linth geschwommen

Die Restauratorin beleuchtet mit ihrer Lampe nicht nur vorhandene Schäden. «Hier wurde mit Gold gearbeitet. So wurde die Figur vorgeritzt.» Der Respekt vor dem Kunstwerk ist gross.

Dass vor mehr als 500 Jahren – so die Vermutung – die Kirchenleute in Schwanden diesen prächtigen Altar in Auftrag gegeben haben, erstaunt auch Museumsleiterin Bettina Giersberg. Denn geschaffen wurde dieser nicht von lokalen Künstlern, sondern um 1510 von einem Oberschwabener Künstler. Dass er keine 20 Jahre später, laut Legende am 21. Dezember 1528, von Anhängern der Reformation, die allen Heiligen- und Bilderkult bekämpften, stark beschädigt werden würde, konnte niemand ahnen.

Spannend ist, wie die Altartafel nach vier Jahrhunderten wieder auftauchte. So wurde sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem Mitglied des historischen Vereins des Kantons Glarus in einem Treppenhaus in Mitlödi entdeckt und vom Historischen Verein als Dokument angekauft. Nicht bestätigt ist allerdings die oft zitierte Begebenheit, dass die Tafel nach dem Bildersturm in die Linth geworfen und in Mitlödi angespült wurde, wie Giersberg aufklärt.

Heute gilt der noch vorhandene Altarflügel als eines der schweizweit bedeutendsten Zeugnisse aus der Zeit des Bildersturms in der Reformationszeit. Aus diesem Grund hatten ihn auch die Kuratoren der bayerischen Landesausstellung 2017 «Ritter, Bauern, Lutheraner» auf der Veste Coburg als Leihgabe für ihre Ausstellung im vergangenen Jahr ausgeliehen. Danach wurde das Kunstwerk zudem in der Ausstellung «Der Meister von Messkirch. Katholische Pracht in der Reformationszeit» in der Staatsgalerie in Stuttgart gezeigt.

Ab sofort ist dieses Zeugnis der Glarner Reformation wieder in der Ausstellung zur Geschichte des Kantons Glarus im Freulerpalast zu sehen.

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