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Naher Osten mitten in Eschenbach

Der Dorftreff in Eschenbach platzte fast aus den Nähten. Verwunderlich war dies nicht, denn mit Pascal Weber und Werner van Gent informierten zwei Top-Experten intensiv über die Zusammenhänge im Nahen Osten.

Südostschweiz
12.03.18 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Der Krieg in Syrien war ein grosses Thema in Eschenbach.
Der Krieg in Syrien war ein grosses Thema in Eschenbach.
KEYSTONE

Ausgeschrieben hatte die Kulturkommission den Abend zum 20-Jahr-Jubiläum der Gemeindebibliothek als Lesung aus Pascal Webers Buch «Bashar lernt laufen». Tatsächlich war die Geschichte um den syrischen Flüchtlingsjungen, dem der Krieg seinen Vater und auch sein linkes Bein geraubt hatte, Türöffner zu vielen andern Erzählungen aus den gebeutelten Regionen des Nahen Ostens. Die Auslandskorrespondenten van Gent und Weber tauschten sich am vergangenen Freitagabend mit dem Publikum über den sich wandelnden Syrienkrieg aus und analysierten die Situation in Kurdistan. Dabei blieb Orient-Experte Werner van Gent im Hintergrund und spielte dem Eschenbacher Pascal Weber die Bälle zu.

Bashar weiss nicht, wer wen und vor allem warum tötet. Dies ist bezeichnend für einen Krieg, wie er aktuell in Syrien stattfindet. Weber verglich das Geschehen in Syrien mit einem dreistöckigen Haus: «Der erste Stock ist die Ebene mit Assad, den Rebellen und Milizen, auf der zweiten Etage befinden sich regionale Grossmächte wie zum Beispiel Saudi-Arabien und im dritten Stock toben sich die globalen Mächte USA und Russland aus.»

Die Konflikte schliessen jedoch auch den Islamischen Staat, die Hisbollah und die Dschihadisten ein. Die Grenzen zum Iran, zur Türkei und zum Irak bergen weiteres Spannungspotential. Die Zivilbevölkerung steht nun bereits vor dem Beginn des achten Kriegsjahres.

«Assads Schema ist es, sich auf ein Gebiet zu konzentrieren und eine zermürbende Abriegelungstaktik anzuwenden. Mit Hilfe der russischen Luftwaffe attackiert er zur Ausmerzung islamischer Rebellengruppen gnadenlos auch die Zivilbevölkerung», erklärte Weber.

Keine Lösung in Sicht

Die Kriege im Nahen Osten haben nicht nur politische Strukturen und Infrastrukturen zerstört, sondern lassen auch in der Gesellschaft keinen Stein auf dem anderen. Dies sei aber nicht erst die Entwicklung der letzten Jahre oder Jahrzehnte, waren sich Weber und van Gent einig.

Weit in die Vergangenheit reichen die Traumata der arabischen Geschichte, ja bis zurück zum «Great Game», welches den historischen Konflikt zwischen Grossbritannien und Russland, bezeichnet. Immer wieder haben sich die Grossmächte eingemischt, nötige innere Reformen in den betroffenen Staaten blieben aus. Auf die Frage eines Zuhörers, was denn nach der Ära Assad wohl komme, antwortete Pascal Weber ehrlich: «Ich weiss es nicht. Momentan gibt es keine Lösung mit Assad und keine ohne ihn.»

Pascal Weber ist froh, die Eindrücke, die täglich auf ihn einprasseln, weitergeben zu können. Erzählen helfe – auch am Vortragsabend in Eschenbach. «Ihr seid meine Psychohygiene», meinte er ans Publikum gerichtet. Während bei Werner van Gent vor allem Geräusche und Gerüche haften bleiben, sind es bei Pascal Weber die Geschichten der Menschen, die ihn nicht so schnell loslassen. Auch die von Bashar nicht. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen: Bei einem Treffen vor einer Woche hat Bashar erzählt, dass er mit seiner Familie nach Kanada übersiedeln darf.

Bewegende Geschichten

Das Thema Syrien hat die Eschenbacher bewegt. Die Informationen aus erster Hand, gar von einem «Hiesigen», wurden regelrecht aufgesaugt. Die Schilderungen der Journalisten gaben den Begrüssungsworten von Gemeindepräsident Josef Blöchlinger Nachdruck. Dieser hatte nämlich unsere Kleinlichkeit und Missgunst angeprangert, welche angesichts der Probleme der Menschen im Nahen Osten beschämend seien.

An diesem Abend stand jedoch die Solidarität im Vordergrund und ein stolzer Spendenbatzen von über 7000 Franken kam zusammen. Der Erlös der Kollekte wird das Wirken der Organisation Swiss4Syria unterstützen, welche im Libanon Schulen für syrische Flüchtlingskinder in den Camps aufbaut. Geschäftsführerin Jessica Mor stand auf der Eschenbacher Dorftreff-Bühne und betonte: «Bildung schafft Hoffnung und eröffnet Perspektiven.»

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