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«Es hätte schlimmer kommen können»

Glück im Unglück und das beherzte Eingreifen der Belegschaft verhinderten beim Brand in der Landi-Filiale Thusis Schlimmeres.

16.12.17 - 04:30 Uhr
Ereignisse
Am Tag nach dem Brand ist vom Landi-
Gebäude nicht mehr viel übrig, die Einsatzkräfte räumen Schutt und Asche beiseite.
Am Tag nach dem Brand ist vom Landi-
Gebäude nicht mehr viel übrig, die Einsatzkräfte räumen Schutt und Asche beiseite.
ANDY MEISSER

Es ist eine traurige Szene, die sich Betrachtern just 24 Stunden nach Ausbruch des Feuers in der Thusner Landi-Filiale bietet. Eine kleine Gruppe in dicke Wintermäntel gehüllte Menschen schaut auf abgebrannte Balken, rauchende Trümmer und zerborstene Fensterscheiben. Es sind Mitarbeitende der Landi Thusis, die eben noch Gestelle aufgefüllt, Kunden beraten und Streusalz verkauft haben.

Nun stehen sie da und machen Fotos von ihrem Arbeitsplatz, der sich am Vortag innert Stunden in stinkendem Rauch und Asche aufgelöst hat (Ausgabe von gestern). Wie es nun, nachdem das Geschäft samt Tankstellenshop und Lager komplett niedergebrannt ist, weitergeht, wissen sie nicht. Sie haben momentan auch andere Sorgen, als mit der Journalistin zu sprechen.

Notfallplan ist brandneu

Auch Joachim Kirchler, Geschäftsführer der Landi Graubünden AG, ist am Freitagnachmittag auf dem Platz, wo einst eine seiner Filialen stand. «Wir hatten Glück im Unglück, dass niemand zu Schaden kam», sagt er. Und was das Schicksal der über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landi Thusis angeht: «Wir werden für alle individuelle Lösungen finden, um sie anderweitig einsetzen zu können.»

Der Standort Thusis bleibe auf jeden Fall bis auf Weiteres geschlossen, allenfalls könne die fast unversehrte Tankstelle bereits früher in Betrieb genommen werden. Kirchler lobt das «Top Team» der Landi Thusis. «Die Mitarbeiter haben genial reagiert. Einige sind bei der Feuerwehr tätig und haben sich in dieser Notfallsituation genau richtig verhalten.»

Auch der Notfallplan, der vor einem halben Jahr neu erstellt worden sei, habe sicherlich geholfen, dass am Donnerstag kurz vor 11 Uhr sämtliche 20 anwesende Kunden und Mitarbeiter aus dem brennenden Gebäude entweichen konnten. Die zwei Personen, die mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Spital hatten gebracht werden müssen, konnten am gleichen Tag wieder nach Hause.

Viel «Fleisch am Knochen»

Auf dem Platz vor der Agrola-Tankstelle steht der Einsatzleiter der Feuerwehr Thusis, Arnold Ziegler. Obwohl er, wie er Radio Südostschweiz gegenüber sagt, letzte Nacht kein Auge zugetan hat, wirkt er entspannt. «Bereits am Donnerstag konnten wir sämtliche Brandherde löschen», meint er. In der Nacht auf Freitag hätte die Feuerwehr Brandwache gehalten. Und allenfalls könne man das Gebäude am Abend schon dem Eigentümer, der Landi Graubünden AG, übergeben.

Ziegler erinnert sich: Am Donnerstag, kurz vor 11 Uhr, sei der Alarm eingegangen. Als das Kommando wenig später eingetroffen sei, hätte es schon einen Grossbrand angetroffen. «Wir reden hier über eine Landi. Es gibt viel ‘Fleisch am Knochen’, also viel Material, das sehr rasch brennt.»

Brand bewegt Thusis

In den Strassen von Thusis liegt der Geruch von Rauch noch immer in der Luft. Die Strassen sind voller Menschen. Viele sind in Gedanken beim Brand. «Ich war gerade unterwegs. Als ich nach Hause kam, standen alle Bewohner unseres Hauses draussen. Sie deuteten auf eine riesige schwarze Rauchsäule», meint Willi Christoffel, ein älterer Mann aus Sils, der in einem Restaurant einen Kaffee trinkt. Er sei ein guter Kunde der Landi und hoffe, dass die Filiale sobald als möglich wieder öffne. Nun schaltet sich auch die Dame am Nebentisch ein. Sie müsse immerzu an die Angestellten denken, was die wohl für einen Schock erlitten hätten. Und was wohl nun mit ihnen geschehen würde.

Tanklaster mit Benzin verschont

Wie ordnet die Gemeinde Thusis selber den Brand ein? «Die meisten Menschen hier sind einfach unglaublich froh, dass niemand zu Schaden gekommen ist», sagt Remi Crameri, Vorsteher des Departements für öffentliche Sicherheit der Gemeinde Thusis. «Viele sorgten sich wegen der Tankstelle und hatten Angst vor einer Explosion. Dann befand sich ein Fahrzeug voller Treibstoff nahe dem Feuer. Es hätte alles viel schlimmer kommen können.» Der Tankwagen sei von der Feuerwehr sofort gekühlt worden.

«Es ist sicher der Verdienst der Einsatzkräfte, dass nicht mehr passiert ist, und ich möchte mich bei allen beteiligten Partnern für den professionellen Einsatz bedanken», unterstreicht Crameri.

Zu der emotionalen Belastung kommt für die Gemeinde auch die finanzielle hinzu. Sie übernimmt einen Teil der Kosten des Einsatzes, sowohl für die heimische Feuerwehr als auch für die Wehren vom Oberen Heinzenberg, Cazis und Chur mit insgesamt 150 Feuerwehrleuten. «Wie hoch die Kosten sein werden, wissen wir im Moment noch nicht», sagt Crameri. Der Rest werde durch die Einsatzkostenversicherung gedeckt. Im Vergleich zum letzten Grossbrand Mitte Juli 2016 (siehe Kasten) sei diesmal das Ausmass des Brandes grösser gewesen, die Einsatzdauer der Feuerwehr aber kürzer.

Schaden in Millionenhöhe

Markus Feltscher, der Direktor der Gebäudeversicherung Graubünden, sagt: «Es handelt sich um den grössten Brand im laufenden Jahr.» Er rechne mit einem Schaden in tiefer, einstelliger Millionenhöhe. Die Schadenschätzer seien im Einsatz vor Ort. Wann die grossen Aufräumarbeiten beim Kreisel Heinzenberger Strasse/Italienische Strasse beginnen, kann Feltscher aber nicht sagen.

Das Feuer ist gelöscht. Für die Angestellten der Landi, für die Gemeinde Thusis und die Gebäudeversicherung ist die Geschichte jedoch noch lange nicht zu Ende. Auch die Polizei ist noch daran, die Brandursache zu klären. Dafür ruft sie Zeugen dazu auf, sich unter der Nummer 081 257 53 50 beim Polizeiposten Thusis zu melden.

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