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Schadenspotenzial in 3-D voraussehen

Am Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos wird auch Steinschlaggefahr untersucht. Ein ausgeklügeltes Programm sorgt für besseren Schutz.

Béla
Zier
17.10.17 - 16:42 Uhr
Ereignisse
Steinschläge sind  in den Bergen ein grosses Thema. Eine Simulationssoftware soll helfen, Schäden besser vorauszusehen.
Steinschläge sind in den Bergen ein grosses Thema. Eine Simulationssoftware soll helfen, Schäden besser vorauszusehen.
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Dass sich das Davoser Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) auch mit Steinschlaggefahr befasst, ist in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt. «Steinschlagforschung am SLF macht sehr viel Sinn, im inneralpinen Raum sind wir aufgrund unserer Kompetenzen und Lage prädestiniert, diese Naturgefahr zu untersuchen», sagt Andrin Caviezel. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SLF und in der Ramms-Gruppe tätig. Ramms ist der Name einer am SLF entwickelten Simulationssoftware und steht für Rapid Mass Movements.

Die Geburtsstunde dieser Software geht auf den Lawinenwinter 1999 zurück. Damals begannen Forschende am SLF mit den Arbeiten. Das Programm wurde zunächst dafür konzipiert, Lawinen, aber auch Murgänge im dreidimensionalen alpinen Gelände zu berechnen und zu visualisieren. Damit verhalf das SLF Ingenieuren sowie Naturgefahren-Experten zu einem wichtigen Werkzeug, um die Gefährdung von Verkehrsinfrastrukturen oder Siedlungen besser einschätzen und entsprechende Schutzmassnahmen planen zu können. Denselben Zweck erfüllt das Steinschlag-Modul von Ramms.

Basis für Schutzkonzepte

«Die dreidimensionale Computersimulation gewinnt immer mehr an Wichtigkeit», erklärt Caviezel. Das Modul Ramms-Rockfall werde vor allem von Ingenieurbüros eingesetzt. Das Programm helfe bei der Gefahrenzonenkartierung sowie auch der Dimensionierung und Standortwahl von Schutzbauten, führt der 33-jährige SLF-Forscher aus. Mit der Simulationssoftware könne man vorausschauend abklären, welche Schadensmöglichkeiten bestünden, wenn sich ein Stein an einem bestimmten Punkt löse und zu Tal donnere. Caviezel: «Wir können die genaue Steinform sowie das entsprechende Gelände im Programm abbilden und dann Computersimulationen im 3-D-Verfahren durchführen.»

«Dann weiss man, was auf einen zukommt.»

Eine solche Untersuchung sei beispielsweise für Nachrechnungen eines 140 Tonnen schweren Steinkolosses bei Brienz/Brinzauls durchgeführt worden. «Unser Programm ist das einzige, welches die Steinform so detailgetreu berücksichtigt und dadurch mittels Experimenten kalibriert werden kann. Dann weiss man, was auf einen zukommt», erklärt Caviezel.

Experimente am Flüelapass

Die Software Ramms-Rockfall sei, das betont Caviezel, kein Zauberwerkzeug. Die Einschätzung der Situation durch Experten im Gelände sowie geologische Abklärungen sei weiterhin unabdingbar. Zudem simuliere man keine Gesteinslawinen, sondern untersuche die von Einzelobjekten ausgehende Gefahr. Heute, Dienstag, wird das SLF am Davoser Flüelapass Steinschlag-Experimente durchführen. Caviezel dazu: «Solche kontrollierten Experimente sind ein zentraler Bestandteil dafür, um unser Softwareprogramm bei dessen Weiterentwicklung noch genauer der Realität anzupassen.»

Rund um den Globus im Einsatz

Das Ramms-Softwaremodul zur Risikobeurteilung von Lawinen und Murgängen wird von Experten seit Jahren nicht nur in der Schweiz, sondern auch international verwendet. Die Version Ramms-Rockfall, welche das SLF seit 2015 kommerziell anbietet, kommt laut Caviezel ebenfalls schon in einigen Ländern wie etwa Norwegen, Neuseeland, Indien oder Peru zum Einsatz. «Das trägt dazu bei, in Graubünden generiertes Wissen weltweit zur Anwendung kommen zu lassen», so Caviezel.

Béla Zier ist Redaktor der gemeinsamen Redaktion Online/Zeitung «Südostschweiz» und «suedostschweiz.ch» und berichtet über die Region Davos und das Prättigau. Er ist seit 1993 für die Medienfamilie Südostschweiz tätig und arbeitet dort, wo er auch wohnt. In Davos. Mehr Infos

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