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100 Jahre Tütato Postauto am Ofenpass

Vor 100 Jahren ist erstmals ein Postauto vom Engadin über den Ofenpass ins Val Müstair gefahren. Dies war nicht nur eine Erleichterung für die Bevölkerung, sondern auch ein Schub für den Tourismus.

Südostschweiz
01.07.22 - 17:18 Uhr
Ereignisse
Freie Fahrt seit 100 Jahren: Seit dem 1. Juli 1922 fährt das Postauto über den Ofenpass.
Freie Fahrt seit 100 Jahren: Seit dem 1. Juli 1922 fährt das Postauto über den Ofenpass.
Bild Museum für Kommunikation

Die Postautofahrt über den Ofenpass fasziniert viele – und das schon seit 100 Jahren. Gemäss einer Mitteilung von Postauto handelt es sich bei der Fahrt von Zernez durch den Nationalpark, über den Pass hinunter ins Val Müstair um eine der schönsten Linien von Postauto. Am Freitag feiert diese Linie nun ihren 100. Geburtstag. Doch war sie zuerst umstritten.

Ganz sicher war man sich nicht, im Vorfeld der Pionierleistung. Bevor am 1. Juli 1922 das erste Postauto über den Ofenpass in die Val Müstair fuhr, wurde rege diskutiert. Die Frage sei gewesen, wer die neue Linie betreiben und für die erwarteten Defizite aufkommen würde, heisst es. Immerhin galt das Münstertal mit seinen 1500 Einwohnerinnen und Einwohnern seinerzeit als eines der entlegensten Südtäler des Landes – und die Fahrt mit der Pferdekutsche dauerte lange.

Auch sonst war das Angebot nicht unbestritten. Es lag nämlich die Idee einer Bahnverbindung über den Ofenpass auf dem Tisch. «Weil dieses Projekt aber noch zu wenig ausgereift war, forderten verschiedene Seiten, mit der schneller realisierbaren Postautoverbindung vorwärtszumachen», heisst es weiter.  Innert wenigen Monaten entwickelte die Post daraufhin das Angebot. Dieses bestand aus drei Car alpin, die ab 1. Juli 1922 zwischen Zernez und Müstair fuhren. Das Saisonangebot bestand aus zwei Kursen in beide Richtungen in den Monaten Juli und August sowie aus einem Kurs in beide Richtungen im September.

Wurde gut genutzt: Bereits im ersten Betriebsjahr nutzten rund 4000 Gäste die Postautolinie.
Wurde gut genutzt: Bereits im ersten Betriebsjahr nutzten rund 4000 Gäste die Postautolinie.
Museum für Kommunikation

Eine besondere Premiere

Die erste Fahrt über den Ofenpass sei etwas Besonderes gewesen. Um die internationale Bedeutung dieser Linie zu unterstreichen, waren gar Vertreter aus den italienischen Städten Bozen und Meran anwesend. Aus diesem Grund endete die erste Fahrt nicht im Val Müstair – stattdessen fuhr das Postauto gleich weiter bis ins Südtirol.

4000 Fahrgäste im ersten Jahr

Bereits im ersten Betriebsjahr wurde die neue Fahrtmöglichkeit rege genutzt. So stieg die Zahl der Reisenden gegenüber den vorangehenden Jahren mit Pferdepost-Verbindungen fast um das Vierfache auf rund 4000 Fahrgäste an. Das befürchtete Defizit war damit markant kleiner. Noch besser sah es im zweiten Betriebsjahr aus: Da konnten die Verantwortlichen gar einen Gewinn verzeichnen.

Eine weitere Premiere folgte in der Saison 1933/34. Dann fuhrt erstmals auch im Winter ein Postauto über den Pass, anfänglich noch mit Raupenantrieb. Die Postautos quälten sich zu dieser Zeit mit Tempo 10 bis 15 die Passstrasse hoch, wie es weiter heisst. Das machten sich teilweise auch die Jugendlichen aus dem Tal zunutze. Wie der Lokalhistoriker Oswald Toutsch rückblickend erzählte, rannten sie dem Postauto nach, banden schnell ihre Schlitten an die Anhängerkupplung und liessen sich aufwärts ziehen – nicht zur Freude aller Postauto-Fahrer.

Heute schient dies unvorstellbar – sowie das magere Kursangebot. Stattdessen fährt das Postauto heute in der Regel täglich von Zernez bis nach Mals im Südtirol. Dort besteht Anschluss bis Meran. Auf 2149 Metern über Meer erreicht das Postauto den höchsten Punkt der Reise: die Passhöhe des Ofenpasses. Der tiefste Punkt liegt mit 914 beim Städtchen Glurns auf italienischer Seite, wo die Fahrt durch das enge Stadttor zugleich zu den Höhepunkten der Strecke zählt. Eines ist bis heute jedoch gleich geblieben: Die Strecke ist weiterhin die einzige ÖV-Verbindung ins Val Müstair – sowohl für Einheimische wie auch für Touristen.

Landschaften wie in Kanada: Die Fahrt von Zernez durch den Nationalpark, über den Pass hinunter ins Val Müstair gilt als eine der schönsten Linien von Postauto.
Landschaften wie in Kanada: Die Fahrt von Zernez durch den Nationalpark, über den Pass hinunter ins Val Müstair gilt als eine der schönsten Linien von Postauto.
Bild Postauto
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