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Der Film als Leidenschaft für Rafael Caduff

Rafael Caduff hat sich mit dem Puppenfilm «Die Windfee» einen Kindheitstraum erfüllt.

Bündner Woche
18.03.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Freut sich auf die Premiere: Rafael Caduff aus Tavanasa.
Freut sich auf die Premiere: Rafael Caduff aus Tavanasa.
Susanne Turra

von Susanne Turra

Film ab.

Es ertönt liebliche Musik. Celin, Delan und Radin treffen sich. «Wir ziehen durch die Weite. Wir reisen durch das Land. Das Glück liegt in der Ferne. Das Glück liegt auf der Hand.» So singen die drei Freunde aus vollen Kehlen. Sie machen sich auf die Suche nach der Ferne. Der Weite ohne Berge. Ohne Anfang und ohne Ende. Im Hintergrund ist der Wind zu hören. Das Wasser. Ein Vogel.

Und Schnitt.

Es ist Dienstagvormittag, der erste im März, im Seniorenzentrum «Cadonau» in Chur. Rafael Caduff sitzt im Zimmer und erzählt. «Ich wollte einen Film machen, aus dem Kopf heraus», sagt er. Und so entsteht «Die Windfee». Ein Puppenfilm. Ein Märchen. Mit Radin, dem kleinen Künstler und seinen beiden Freunden. Der 84-jährige Autor zeigt auf ein kleines Büchlein. Es ist ebenso königsblau wie der Pullover, den er trägt. Auf dem Buchdeckel ist eine grosse Sternwarte zu sehen. Sie steht im Zentrum der Geschichte. Dazu gleich eine kleine Anekdote: «Kürzlich hat mich jemand gefragt, ob diese Sternwarte auf den Kanarischen Inseln oder in Südamerika steht», sagt der Senior und lacht laut. «Und ich habe geantwortet: Nein. Sie ist auf meinem Nachttisch.» Er hat Humor. Dieser Rafael Caduff. Und er hat eine Leidenschaft. Den Film. Schon als Kind beschäftigt er sich damit. Die erste Filmvorführung besucht er damals als junger Primarschüler im Saal des Dorfschulhauses Danis-Tavanasa. Ein einfacher Trickfilm. Ein Stummfilm. Schwarz-weiss. «Das war eher eine Pannenvorstellung als eine Filmvorführung», erinnert sich Rafael Caduff und schmunzelt. «Das hat nach Verbranntem gestunken. Ich dachte, die Feuerwehr müsste kommen.» So oder so. Das Ganze interessiert und fasziniert ihn.

Kein Filmemacher

Film ab.

Auf dem Hügel entdecken die drei Freunde ein Schloss. Der Schlossherr klagt, dass seine Tochter verschwunden sei. Und so begeben sich die drei auf die Suche nach ihr. Auf ihrer Reise begegnen sie der Grille Harlekin. Auch der Wahrsagerin. Der schwarzen Fee. Den Leuchtkäfern. Und dem Astronomen. Dieser zeigt Radin aus der Sternwarte den herrlich dunkelblauen Sternenhimmel. Er fragt: «Was ist unsterblich?». Und er liefert die Antwort gleich selbst: «Alles ist unsterblich. Oder nichts.» Ein alter Gelehrter behauptete, es gebe gar kein Ende. Es gebe nur eine ewige Veränderung. Vom Balkon der Sternwarte aus betrachten die beiden die Welt und die Sterne.

Und Schnitt.

Zurück ins Seniorenzentrum «Cadonau». Rafael Caduff findet nicht über das Schreiben zum Film. Sondern über die Technik. «Ich bin kein Filmemacher», betont er. «Ich habe das alles neben meinem Beruf gemacht.» Für den diplomierten Maschineningenieur ETH bleibt das Filmen ein Hobby. Trotzdem. Es ist ein Haufen Arbeit. Da stecken unzählige Stunden dahinter. Er zeichnet, malt, bastelt. So auch die grosse Sternwarte. Dazu gleich nochmals eine lustige Geschichte: «Einmal ist ein Unglück passiert», verrät der Filmbegeisterte. «Als ich damals die Sternwarte fertig gebastelt hatte, streifte ich sie mit meinem Arm. Und das ganze Kunstwerk ist in sich zusammengebrochen wie zu einem Kuhfladen.» Da ist er wieder. Der Humor. Die Filmfiguren wurden damals übrigens von der Künstlerin Helene Muntwyler-Hochstrasser eigens für diesen Film hergestellt. Alle, ausser der Windfee und dem Astronomen. Diese Figuren stammen vollumfänglich aus der Hand von Rafael Caduff. Aus seiner Fantasie. Die Idee zum Film hat er im «Flegelalter», wie er sagt. Er schreibt ein Drehbuch. Und er bekommt für seine Puppen die Stimmen von Schauspielerinnen und Schauspielern aus dem Schauspielhaus Zürich. So kann alles, was gesprochen wird, professionell aufgenommen werden. Mehr noch. Er kann sogar den bekannten deutschen Theaterschauspieler und Sprecher Edzard Wüstendörfer für seinen Film gewinnen. Dieser sagte damals wortwörtlich zu ihm: «Herr Caduff, da haben Sie etwas ganz Verrücktes vor. Bringen Sie das fertig.» Rafael Caduff tut es. Mit viel Herzklopfen. Sein Vorhaben ist ein Kindheitstraum. Ein Lebenswerk.

Titelheldin: Die Windfee.
Titelheldin: Die Windfee.
Bild Riccarda Hartmann

Film ab.

«Die Lichter, die du in der Ebene erblickst, sind Irrlichter», sagt der Astronom zu Radin. «Viele erscheinen und verschwinden für immer.» Die Leute dort unten sehen nicht die Sterne, die Nacht für Nacht am Himmelszelt leuchten. Vielleicht kennen sie diese nicht. Auch wenn sie von der Unendlichkeit in die Ewigkeit hineinleuchten. Die Leute dort unten leben nur einen winzigen Augenblick. Dieser Augenblick ist ihre Ewigkeit. Radin legt sich schlafen. Im Traum sieht er die Tochter des Schlossherrn. Die Windfee.

Und Schnitt.

Zurück ins «Cadonau». Schon nach der ersten Filmvorführung, damals als Kind, weiss Rafael Caduff, eine solche Filmapparatur möchte er bauen. Gesagt, getan. Von der Kuckucksuhr aus der Stube löst er die Zahnräder. Aus einem kostbaren Fernrohr entwendet er die Linse. Klammheimlich. Aus dem Hausrat setzt er die Maschinerie zusammen. So nimmt das Ganze seinen Lauf. Über Jahrzehnte hinweg. Der Film entsteht in den 60er-Jahren. «Da habe ich schon gearbeitet», sagt Rafael Caduff. «Mit dem ersten Zahltag habe ich die benötigte Ausrüstung gekauft.» Nach und nach stapeln sich im Elternhaus in Tavanasa die Filmrollen. Zentnerweise. Bestimmt 50 Rollen. Und in den 70er- und 80er-Jahren taucht immer wieder die gleiche Frage auf: Wann wird der Film endlich aufgeführt? Nichts. Irgendwann versandet das Ganze. Bis vor vier Jahren. Rafael Caduff erleidet einen Schlaganfall und zieht ins Seniorenzentrum «Cadonau». Seine Wohnung wird aufgelöst. Und die Filmrollen werden gefunden. So kommt es, dass ein Wagen voller Filmmaterial schliesslich zur Digitalisierung beim Churer Filmemacher Andy Reich landet. Der Puppenfilm wird endlich fertiggestellt.

Film ab.

Radin wacht auf und zieht weiter. Plötzlich sieht er nur noch ein trauriges, ödes Land vor sich. Das Niemandsland. Vor dem letzten Baum, seiner letzten Orientierung, bleibt er stehen und kehrt um. Er muss zurück. Auf dem Weg begegnet er der Windfee. Und sein Traum kommt ihm wieder in den Sinn. Einmal im Leben träumen alle Menschen von einer Fee. Das Schicksal und der Zufall sind oft stärker als die Träume. Solange die Menschen die Morgenröte und die Abenddämmerung sehen, solange gibt es Feen, Wind und Träume. Träume, Wind und Feen.

Und Schnitt.

Kein Actionfilm

Zurück ins «Cadonau». Wir haben den Film auf dem Laptop gesehen. Und er gefällt. Die Sprache. Die Stimmen. Die Gedanken. «Der Film ist auch ein bisschen philosophisch», findet Rafael Caduff. In der Tat stellt er Menschen mit verschiedenen Charakterzügen dar. Nun wird der Film erstmals aufgeführt. «Lieber spät als nie», witzelt Rafael Caduff. «Es ist aber kein Actionfilm», betont er noch und lacht. Dann fährt er mit dem Rollstuhl um die Ecke. Nein. Es ist ein Puppenfilm. Ein Märchen.

«Die Windfee» von Rafael Caduff feiert am 1. April im Seniorenzentrum Cadonau in Chur Premiere. Die Uraufführung findet im Rahmen einer privaten Veranstaltung statt.

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23. März 2023

Rafael !!
Hier schreibt Fritz
Was für eine Freude!

Herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung deines Puppenfilms "Die Windfee"
Deine Einladung zur Premiere am ersten April in Chur ist für mich eine Sensation.
Als HelferInnen während einer kurzen Zeit etwa um das Jahr 1980 gratulieren wir Dir von ganzem Herzen: Sonja, Yolanda, Gabi, Max, Fritz.
Phasenweise musst du bestimmt mit vielen weiteren Frauen und Männern zusammengearbeitet haben, welche wir gar nie zu Gesicht bekommen haben.
Die Realisation des gut einstündigen Films muss ja ungefähr fünf Jahrzehnte in Anspruch genommen haben. Ist das vielleicht ein Rekord?
Während den letzten zwanzig Jahren verlor ich fast den Glauben, dass der Film fertig wird und je zur Aufführung kommt. Ja - oft quälte mich der Gedanke, dass dein Film schlussendlich "Vom Winde verweht" würde.
Doch die Windfee, sie ist gut zu dir. Sie meint es auch gut mit uns allen, die dir teils ein wenig, teils wahrscheinlich sehr viel, bei der Realisation helfen durften.
Die Windfee liess es nicht so weit kommen, dass dein Lebenswerk (so möchte ich es benennen) einfach so untergeht und Sie wird jetzt ihr Publikum erhalten.
Leider sind einige, teils sehr bekannte, professionelle Mitarbeitende heute nicht mehr unter uns.
Von ein paar wenigen wird man aber im Film noch Ihre unverkennbaren Stimmen hören.

Bis zur Premiere
Tschau Rafael
Lieben Gruß, Fritz

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