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Als Paul-André Cadieux seinen Vertrag zerriss

Der Hockey Club Davos feiert sein 100-Jahr-Jubiläum. Eine reiche Geschichte, die mitunter geprägt ist von unzähligen Anekdoten. Wir graben sie für euch aus.

Südostschweiz
01.11.21 - 14:28 Uhr
Eishockey
Bilder Bundesarchiv/Somedia-Archiv

Ticker

Paul-André Cadieux feierte mit dem SC Bern drei Schweizermeistertitel, bevor er zum HCD wechselte.
Paul-André Cadieux feierte mit dem SC Bern drei Schweizermeistertitel, bevor er zum HCD wechselte.
Bild Keystone/Archiv

Als Paul-André Cadieux seinen Vertrag zerriss

Der Schweiz-Kanadier Paul-André Cadieux gehörte zu den schillernsten Figuren auf Schweizer Eis. Mit Bern dreimal Meister als Spielertrainer, mit Davos danach aufgestiegen in die Nationalliga A. Sein Kämpferherz machte ihn mitunter aus. HCD-Legende Walter «Wädel» Dürst lobte ihn mit folgenden Worten: «Mit Cadieux hatten wir den grössten Krampfer in unseren eigenen Reihen. Ob im Training oder im Spiel: Er lebte uns seine Einstellung und seine Anweisungen vor. Er ging mit dem guten Beispiel voran und riss dadurch alle mit.»

Er hat also alle mitgerissen. Reissen ist auch das Spichwort für unsere nächste Anekdote. Cadieux forderte einst eine Lohnerhöhung. Als er diese nicht erhielt, zerriss er vor den Augen des Vorstandes seinen Vertrag. Später krebste er zurück und gab sich damit einverstanden, mit den bisherigen Konditionen weiterzuspielen. Doch die beleidigten Vorstandsmitglieder hielten an der Trennung fest. Diese Anekdote stammt aus dem Jubiläumsbuch «100 Jahre Hockeyclub Davos – Legendär, Leidenschaftlich, Rekordmeister».

So wie in dieser Bildmontage könnte sich die Szene abgespielt haben.
So wie in dieser Bildmontage könnte sich die Szene abgespielt haben.
Bilder Keystone (Bildmontage)

Berris Mühen mit der Waschmaschine

Paul Berri ist mit allen Wassern gewaschen. Als der HCD-Materialchef vor Jahren die erste Waschmaschine in Betrieb nahm, musste aber auch das Urgestein durch einen Lernprozess.

Der heute 81-Jährige erinnert sich in einem Interview mit der Südostschweiz (12.09.2021): «Ich weiss noch gut, als wir die erste Waschmaschine bekamen, inklusive Tumbler. Wir wussten doch nicht, wie man wäscht, warfen die Trikots einfach rein. Nach dem Waschen waren sie dann noch halb so gross (lacht). Die sind alle eingegangen. Wir mussten sofort neue Trikots bestellen.»

Del Curto spricht nicht nur mit seinen Händen, sondern haut damit auch in die Klavier-Tasten.
Del Curto spricht nicht nur mit seinen Händen, sondern haut damit auch in die Klavier-Tasten.
Bild Keystone/Archiv

Arno Del Curto spielt Beethoven

Darauf hat die Eishockey-Schweiz gewartet. Die Biografie «Arno Del Curto - Mit Köpfchen durch die Wand» ist erschienen und ist ein wahrer Anekdoten-Schatz. Im Interview mit der Südostschweiz spricht Del Curto über sein Buch und gibt einige Anekdoten zum Besten.

Eine handelt vom «Geilen Siech» Ludwig van Beethoven. Del Curto ist fasziniert vom Komponisten und dessen Musik und vergleicht ihn mit einem Rockstar.

Wie es dazu kam, dass Del Curto über Wochen ein Stück Beethovens einübte, um es danach seiner Mannschaft vorzuspielen, erklärt er in folgendem Interviewausschnitt.

Wildwestszene unter anderem mit Todd Elik (im goldenen Helm) und HCD-Goalie Petter Rönnqvist (verdeckt am Boden).
Wildwestszene unter anderem mit Todd Elik (im goldenen Helm) und HCD-Goalie Petter Rönnqvist (verdeckt am Boden).
Bild Keystone

Wildwest im Emmental

von Johannes Kaufmann

Am 2. November 1999 reist der HC Davos zur Meisterschaftspartie der Nationalliga A zu den SCL Tigers. Die Ausgangslage ist eigentlich klar: Hier der stolze Rekordmeister und Play-off-Finalist 1998, der unter dem jungen aufstrebenden Trainer Arno Del Curto eine ebenso junge, stürmische, aufstrebende und faszinierende Mannschaft stellt. Auf der anderen Seite sind die erst 1998 ins Oberhaus zurückgekehrten Emmentaler ein Habenichts der Liga, ein nur beschränkt konkurrenzfähiger logischer Anwärter auf den zehnten und letzten Tabellenplatz. Doch der HCD ist in diesen Tag ein Verein in der Krise. Zum ersten und bis zu seiner Abschiedssaison 2018/19 einzigen Mal in der 22-jährigen Ära Del Curto müssen die Blau-Gelben wirklich um den Einzug in die Play-offs bangen.

Die Partie in der noch zugigen alten Ilfishalle geht krachend mit 1:5 verloren. Der HCD blamiert sich sportlich bis auf die Knochen. Radio-Grischa-Reporter Jürg Sutter ist in seiner Reportage ausser sich. Er kann nur mit Mühe beruhigt werden. Doch dies ist an diesem Tag bloss Nebensache, denn die überaus giftig geführte Partie gipfelt in wüsten Schlägereien mit gleich mehreren Brandherden. Minutenlang liefert sich HCD-Abwehrrecke Beat Equilino einen Faustkampf mit Todd Elik, dem Topskorer und Enfant Terrible der Langnauer in Personalunion. Zum Kampf des Abends bitten indes die beiden Torhüter. HCD-Schlussmann Petter Rönnqvist, ein Import aus Schweden, und sein Antipode Martin Gerber dreschen mit vollstem Körpereinsatz minutenlang aufeinander ein. Die Zuschauer nehmen das zweifelhafte Spektakel gerne zur Kenntnis.

Einen eigentlichen Sieger im denkwürdigen Torhüter-Kräftemessen der anderen Art gibt es an diesem Abend weder durch einen Knockout noch nach Punkten. Doch mittelfristig sieht die Lage anders aus. Der 26-jährige Rönnqvist bezahlt den «Kampf der Maskenmänner» mit einer langwierigen Schulterverletzung. Sein Gastspiel in Davos geht nach bloss einer Saison zu Ende. Zurück in der Heimat findet er sein Glück nicht wieder. Die Karriere geht leise in der Zweitklassigkeit 2006 im Alter von erst 33 Jahren und nach einem Gastspiel bei Moskitos Essen in der zweiten Liga in Deutschland zu Ende. «Tinu» Gerber hingegen wird seine Emmentaler Heimat bald zu klein. Er macht Karriere in der besten Liga der Welt, der National Hockey League in Nordamerika. Später gönnt er sich auch ein Gastspiel in der russisch geprägten KHL. Und er hütet beim mit 1:5 verlorenen WM-Final 2013 gegen Schweden das Schweizer Tor. Sein Name steht aber auch für einen denkwürdigen Abend mit Wildwest im Emmental.

Warum Torriani und seine Familie in der Schweiz angefeindet wurden

 

Richard «Bibi» Torriani war einer der ersten grossen Sportstars der Schweiz, vor allem aufgrund seiner Erfolge, aber nicht nur. Torriani sprach fliessend Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch und war damit in den 30er-Jahren und während des Zweiten Weltkrieges prädestiniert als Ikone, die Schweizer Stärken symbolisierte. «In schwierigen Zeiten brauchte das Land Helden, und diese Rolle war auf Torriani zugeschnitten», heisst es dazu in der neuesten Chronik zur 100-jährigen Geschichte des HC Davos.

Doch seine Beliebtheit wandelte sich später, zumindest für einige Zeit. In der Saison 1955/56 wurde er Trainer der Mailänder Diavoli Rosso Neri und der personell identischen italienischen Nationalmannschaft. Sein Engagement wurde während des Spengler Cups, an dem die Mailänder mehrmals teilgenommen haben, eingefädelt, wie im Jubiläumsbuch beschrieben ist. An den Olympischen Spielen 1965 in Cortina d’ Ampezzo kam es dann zum Aufeinandertreffen zwischen Italien und der Schweiz. Torriani, der mit der Schweizer Nationalmannschaft als Spieler eine Silber- und fünf Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften gewann, stand nun auf der gegnerischen  Seite. Und mit Torriani an der Bande gewannen die Italiener tatsächlich gegen die Schweiz. «Deswegen wurden er und seine Familie in der Schweiz angefeindet», heisst es in der Chronik weiter.

Paul Berri: langjähriger Materialchef und lebendes Anekdoten-Archiv.
Paul Berri: langjähriger Materialchef und lebendes Anekdoten-Archiv.
Bilder Livia Mauerhofer und Keystone (Archiv)

Der Lausbub Paul Berri

Schon bevor Paul Berri seine lange und bis heute andauernde Laufbahn als Materialchef beim HC Davos anfing, hat ihn das Eishockeyfieber gepackt. Mit dem HCD-Virus wurde er schon als Kind angesteckt. In einem Interview mit der Südostschweiz (Ausgabe vom 12. September 2021) erinnert er sich an seine ersten HCD-Spiele: «Das war als Schüler auf der offenen Eisbahn. Die 20 Rappen für den Eintritt konnten wir uns nicht leisten. Also sind wir um das Stadion gerannt und haben eine Stelle gesucht, bei der wir unter den Gittern reinschleichen konnten. Der Kontrolleur hat uns natürlich gekannt und uns gar nicht gerne gesehen, weil er wusste, dass wir kein Ticket besassen. Um ihm auszuweichen, mussten wir stets um das Eisfeld rotieren.»

Nicht nur der Tabak von Meisterzigarren wurde zwischen 2006 und 2009 von HCD-Spielern konsumiert.
Nicht nur der Tabak von Meisterzigarren wurde zwischen 2006 und 2009 von HCD-Spielern konsumiert.
Bild Archiv

Der HCD auf und neben dem Eis berauschend

Was der HC Davos zwischen 2005 und 2011 aufs Eis zauberte war berauschend. Vier Meistertitel gewann der Rekordmeister in dieser Phase der mittlerweile 100-jährigen Geschichte.

Berauschend war jedoch auch das, was einzelne HCD-Akteure neben dem Eis zeigten. Im März 2006 bleibt der damals 28-jährige Jan von Arx in einer Dopingkontrolle hängen. Dem Emmentaler konnte der Konsum von Cannabis nachgewiesen werden. Von Arx sorgte damit für den ersten Dopingfall im Schweizer Eishockey seit 20 Jahren. Die harte Strafe: Sechs Monate Sperre.

Im August des gleichen Jahres stand Peter Guggisberg in Langnau vor Gericht. Der damals 21-jährige HCD-Flügel wurde zu einer Busse von 3500 Franken verdonnert und zu fünf Tagen Gefängnis bedingt. Guggisberg wollte am 24. April, etwas mehr als eine Woche nach der verlorenen Finalserie gegen Lugano, 40 Gramm Marihuana per Post versenden. Adressat: sein Davoser Teamkollege Fabian Sutter. Doch das Päckchen, von dem der damalige Richter meinte, dass sich damit rund 80 Joints drehen lassen würden, kam nie in Davos an. Die Postangestellten in Langnau liessen den Fall auffliegen. Der Marihuana-Geruch war offenbar «unüberriechbar».

Drei Jahre später reiht sich dann auch noch Dino Wieser in die Cannabis-Connection ein. Während der Finalserie in den Play-offs 2009 gegen Kloten bleibt auch er in der Dopingkontrolle hängen. Auch ihm konnte der Cannabis-Konsum nachgewiesen werden. Die Davoser gewinnen die Serie mit 4:0 nach Siegen deutlich. Wieser wurde nach dem Final für fünf Monate gesperrt.

Ein getragenes Shirt von Dan Hodgson wurde einst auf der Verkaufsplattform Ricardo zum Preis von 474 Franken angeboten.
Ein getragenes Shirt von Dan Hodgson wurde einst auf der Verkaufsplattform Ricardo zum Preis von 474 Franken angeboten.
Bild Ricardo.ch

Dan Hodgson und die Nummer 97,2

Der kanadisch-schweizerische Doppelbürger Dan Hodgson spielte von 1994 bis 1998 vier Saisons für den HC Davos und brachte es auf eindrückliche 215 Punkte in 158 Spielen. Kein Wunder war er ein Publikumsliebling. Seine Beliebtheit nutze Radio Grischa (heute: Radio Südostschweiz) für eine kreative Werbekampagne. So lief der Stürmer während der Saison 1994/95 mit der offiziellen Nummer 97,2 auf, der damaligen Radiofrequenz von Radio Grischa. Der Liga ging das dann doch zu weit und sie hat solche Nummern auf die nächste Saison hin verboten.

Dan Hodgson (rechts) 1997 im Duell mit Lugano-Legende Todd Elik.
Dan Hodgson (rechts) 1997 im Duell mit Lugano-Legende Todd Elik.
Bild Keystone/Archiv
Die Mannschaft des HC Davos im Jahr 1938.
Die Mannschaft des HC Davos im Jahr 1938.
Bild Keystone

Frühe Spengler-Cup-Geschichte: Prügeleien auf und neben dem Eis

Der Spengler Cup, der übrigens im Jahr 2023 zu seinem 100-jährigen Jubläum kommt, ist ein wahrer Fundus an Anekdoten. So auch jene Austragung im Jahr 1935 diese endete unrühmlich. Im Final standen sich der HCD und die Diavoli Rosso Neri aus Mailand gegenüber. Dem Siegtreffer der Italiener zum 2:1 ging ein nicht geahndetes Foulspiel am Davoser Torhüter voran. Daraufhin kam es auf den Zuschauerrängen zu «regelrechten Boxkämpfen» wie der Historiker Daniel Deruns in der neuesten HCD-Chronik festhält.

Das Beispiel aus dem Jahr 1935 zeige, so Derungs weiter, dass es bereits vierzehn Jahre nach der Gründung des Hockey Club Davos Zuschauerphänomene mit gewalttätigen Begleiterscheinungen gegeben habe. Weiter schreibt Derungs: «Auch die Eishockeyspieler selber hielten nicht immer das Prinzip des Fairplays hoch. So musste das Spengler-Cup-Finale von 1938 zwischen dem HCD und dem LTC Prag wegen einer Massenschlägerei auf dem Spielfeld beim Stand von 1:0 für die Gastgeber abgebrochen werden. Die Partie wurde erst am 15. Februar 1939 wiederholt und die Davoser gewannen das Spiel mit dem wenig torreichen Ergebnis von 1:0.»

Die Ehrfurcht vor dem Vater

Der Name Dürst ist eng mit dem HC Davos verbunden. Walter Paul «Watschga» Dürst gewann zwischen 1942 und 1965 zehn Schweizer Meistertitel sowie drei Bronzemedaillen an Weltmeisterschaften, eine Bronzemedaille an Olympischen Spielen und den Europameistertitel mit der Schweizer Nationalmannschaft. Dessen Sohn Walter «Wädel» Dürst blieben diese Erfolge verwehrt.

Denn 1969, wenige Jahre nachdem «Wädel» Dürst beim HCD seine Hockeylaufbahn anfing, schlitterte der Verein in die zweithöchste Spielklasse ab. Die B-Liga-Zeit dauerte fast die ganzen 70er Jahre an. Erst 1979 stieg der Rekordmeister - mit «Wädel» Dürst als Captain - wieder auf. Dürst hielt dem Verein all die Jahre die Treue, obwohl er immer wieder lukrative Angebote anderer Vereine erhalten hatte. Dass er diese ausschlug, hatte insbesondere mit seinem Vater zu tun, der ihm klarmachte, dass er nicht viel davon halten würde, wenn sein Sohn nicht mehr für «Gelb-Blau» auflaufen würde.

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Und ou wenn dr Fäbu en Bank wär go überfaue, oder diräkt irgendwo wär go ibrächä, wär är i mine Ougä trotzdäm immerno dr bescht gsi, ganz genauso wie är isch! ☺️

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