×

Ständerat will Massnahmen zur Dämpfung des Einkaufstourismus

Der Ständerat will neue Regeln im Einkaufstourismus etablieren. Entgegen den Empfehlungen seiner vorberatenden Kommission hat er am Dienstag drei Vorstösse angenommen, die den Einkaufstourismus weniger attraktiv machen wollen. Gezielt wird auf die Mehrwertsteuer.

Agentur
sda
21.09.21 - 13:25 Uhr
Politik
Der Ständerat will neue Regeln im Kampf gegen den Einkaufstourismus etablieren. (Symbolbild)
Der Ständerat will neue Regeln im Kampf gegen den Einkaufstourismus etablieren. (Symbolbild)
KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI

Die kleine Kammer besprach eine Motion der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N), welche der Nationalrat zugestimmt hatte. Diese verlangt, die Wertfreigrenze tiefer anzusetzen. Konkret soll der Mindestbetrag herabgesetzt werden, bis zu dem für Einkäufe im Ausland keine Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Diese Wertfreigrenze liegt derzeit bei 300 Franken pro Person und Tag. Erst wenn der Wert der im Ausland eingekauften Ware diesen Betrag übersteigt, muss für den gesamten Warenwert die Mehrwertsteuer bezahlt werden. Die Mehrwertsteuer würde mit der Änderung also früher fällig als bis anhin.

Zudem schlägt die Motion vor, die Wertfreigrenze an die Ausfuhr-Bagatellgrenze des Herkunftslandes anzupassen. Bei dieser handelt es sich um den Mindesteinkaufsbetrag im Ausland, welcher pro Verkaufsgeschäft oder pro Rechnung erreicht werden muss, damit die Mehrwertsteuer zurückerstattet wird.

Bei der Umsetzung der Motion sollen die neuen technischen Möglichkeiten miteinbezogen werden, namentlich die digitale Verzollungsapp «Quickzoll», die bereits im Einsatz ist.

Angst vor mehr Bürokratie

Folge gab der Ständerat auch zwei Standesinitiativen aus den Kantonen Thurgau und St. Gallen. Diese verlangen, dass bei allen privaten Einkäufen die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlt werden muss, sofern die ausländische Mehrwertsteuer zurückgefordert wurde. Die Wertfreigrenze würde also aufgehoben.

Die vorberatende Kommission empfahl, diese Initiativen abzulehnen. Sie teile zwar die Sorge, dass der «grassierende Einkaufstourismus» von über 10 Milliarden Franken pro Jahr zu einem Verlust von Arbeitsplätzen und Einbussen im Detailhandel führen könne, sagte Sprecher Pirmin Bischof (Mitte/SO). Die vorgeschlagenen Ideen seien aber nicht die richtige Lösung. Denn das Hauptproblem seien die Preisunterschiede zwischen in- und ausländischen Produkten. Zudem würde die Umsetzung der Vorschläge zu praktischen Problemen führen.

Die Standesvertreter aus St. Gallen - Benedikt Würth (Mitte) - und aus dem Thurgau - Brigitte Häberli-Koller (Mitte) - konnten den Rat jedoch von der Notwendigkeit der Initiativen überzeugen. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Schweiz vor der Haustüre eine zollfreie Zone zulasse, sagte Würth. Ihm sei klar, dass die Vorschläge keine Wunderwaffe im Kampf gegen den Einkaufstourismus seien. Es entstehe aber ein Dämpfungseffekt, wenn die steuerliche Ungleichbehandlung beseitigt oder reduziert werde.

Häberli-Koller liess zudem das Argument der hohen administrativen Aufwände nicht gelten. Angesichts der Digitalisierung lasse sich die Situation ganz sicher anpacken, sagte sie.

«Einkaufstourismus gehört zur Schweiz»

Da der Nationalrat den Vorstössen bereits zugestimmt hatte, ist nun der Bundesrat am Zug. Dieser lehnte die Anliegen ab. Die Beträge der Mehrwertsteuer, die neu erhoben werden müssten, seien so klein, dass der Einkaufstourismus dadurch kaum reduziert würde, sagte Finanzminister Ueli Maurer. Denn der Einkaufstourismus sei auch ein gesellschaftliches Erlebnis, das einfach zur Schweiz gehöre. Zudem seien die Preisdifferenzen zwischen den Produkten im In- und Ausland einfach zu hoch.

Die Vorstösse würden laut dem Bundesrat den Detailhandel in den Grenzregionen nicht retten, sondern würden eher dazu führen, dass die Menschen die neuen Regeln umgingen und daher viel eher Ware schmuggelten. «Wecken wir nicht falsche Hoffnungen», sagte Maurer, in der Hoffnung, dass die Vorstösse abgelehnt werden.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Manchmal sind Schweizer Produkte in Deutschland billiger, selbst wenn die Schweizer Mehrwertsteuer drauf kommt wäre es noch so. Mit dieser Tatsache werden alle Argumente vom Ständerat ad absurdum geführt. Ich ändere mein Einkaufsverhalten nicht, nach wie vor 95% in Deutschland, 5% in der Schweiz. Ich fühle mich aufgrund der Massnahme nicht motiviert mehr in der Schweiz zu kaufen.

Solange es unsere ach so lieb, netten Politiker nicht fertig bringen die Schweizer Wucherpreise massiv zu senken, finde ich das eine weitere Frechheit gegenüber der hier lebenden Bevölkerung.
Mir ist schon bewusst das nun einige Sagen, wir Verdienen hier ja viel mehr wie in Deutschland. Das stimmt nur begrenzt, nehmen wir das Beispiel "Niedriglohnsektor" Coiffeur/Frisör, Verkauf, Berufsfahrer, usw. in Deutschland gibt’s etwa 850.- bis 1000.- Euro Netto was heisst KK, Steuern, Soz.abgaben sind da schon weg, in der Schweiz gibts brutto um die 3400.- bis 4000.- nur da wird noch abgezogen.
Wer nun ein bisschen nachrechnet wird schnell merken dass unter dem sogenannten Strich, nach weiteren Abzügen wie Miete, Strom, Swisscom und Co. bei beiden etwa gleichviel bleibt.

Als EL-Bezieher muss ich jeden Franken mehrmals umdrehen, ob ich so manche Ausgaben des täglichen Bedarfes überhaupt tätigen kann? Die EL wurden ab 2021 geringfügig angehoben, aber durch die nunmehrigen zusätzlichen Eigenbeteiligungen bei den Medikamenten wieder "aufgefressen". Eine Möglichkeit dem geforderten Sparzwang gerecht werden zu können, ist für mich das Einkaufen im benachbarten Ausland und ich ausserdem Renten in Euro bekomme. Ich komme allerdings nicht an die 300-Franken-Grenze, sondern das sind einmal monatlich um die 100.00 Euro - mehr ist auch nicht drinnen -. Zudem nutze ich dabei die Sonderangebote, welche mit Preisreduktionen bis zu 50% verbunden sind. Zudem ist für mich der Einkaufstourismus - wie Herr Maurer schon erwähnt - ein gesellschaftliches Erlebnis, da ich wenigstens einmal im Monat "unter die Leute komme". Sonstige gesellschaftliche Teilhaben sind nach meiner Erfahrung für EL-Bezieher ohnehin nicht möglich, soferne sie nicht gratis angeboten sind.

Mehr Kommentare anzeigen
Mehr zu Politik MEHR