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Überbrückungsrente für Kampf gegen Altersarmut steht

Das neu geschaffene Sozialwerk für Ausgesteuerte ab 60 Jahren steht: Der Nationalrat hat am Donnerstag die letzte Differenz bei der Überbrückungshilfe bereinigt. Mit dieser soll verhindert werden, dass die Betroffenen in die Sozialhilfe abrutschen.

Agentur
sda
11.06.20 - 09:47 Uhr
Politik
Gegen Armut im Alter: Mit einer Überbrückungsrente für Ausgesteuerte ab 60 Jahren soll verhindert werden, dass die Betroffenen in die Sozialhilfe abrutschen. Das Parlament hat das letzte Detail des neu geschaffenen Sozialwerks geregelt.
Gegen Armut im Alter: Mit einer Überbrückungsrente für Ausgesteuerte ab 60 Jahren soll verhindert werden, dass die Betroffenen in die Sozialhilfe abrutschen. Das Parlament hat das letzte Detail des neu geschaffenen Sozialwerks geregelt.
KEYSTONE/CHRISTOF SCHUERPF

Der Nationalrat stimmte dem Antrag der Einigungskonferenz mit 131 zu 57 Stimmen bei 4 Enthaltungen zu. Die SVP sprach sich im Nationalrat als einzige Fraktion gegen die Überbrückungshilfe aus. Der Ständerat hatte den Antrag der Einigungskonferenz bereits am Mittwoch gutgeheissen, mit Nein-Stimmen der SVP-, der CVP- und der FDP-Fraktion. Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmungen.

Das Parlament versuchte bei der Schaffung einer Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose den Spagat: Es wollte die Altersarmut senken, ohne Fehlanreize im Arbeitsmarkt zu schaffen. Das neue Gesetz sieht vor, älteren ausgesteuerten Arbeitslosen mit einer Rente unter die Arme zu greifen. Sie sollen möglichst nicht mehr in die Sozialhilfe abrutschen. Als Vorbild dienen die bereits etablierten Ergänzungsleistungen.

Rund 3400 Betroffene

Das Parlament will allerdings weniger auslegen als der Bundesrat beantragt hatte. Statt jährlich rund 230 Millionen für 4600 potenzielle Bezügerinnen und Bezüger wollen die Räte pro Jahr nur 150 Millionen für 3400 Betroffene ausgeben.

Gegen den Widerstand der Linken hatten sich die Räte unter anderem darauf geeinigt, dass nur mit 60 Jahren oder später ausgesteuerte Personen Anspruch auf Überbrückungsleistungen haben sollen. Ursprünglich zählte der Nationalrat alle 60-jährigen Ausgesteuerten, unabhängig vom Zeitpunkt der Aussteuerung, zum potenziellen Kreis von Bezügern dazu.

Überbrückungsleistungen beantragen können gemäss Parlamentsbeschluss Personen, bei denen das Reinvermögen weniger als 50«000 Franken (für Alleinstehende) und 100»000 Franken (für Ehepaare) beträgt. Das entspricht der Hälfte der Vermögensschwelle für Ergänzungsleistungen. Zum Reinvermögen zählen auch Guthaben aus der 2. Säule, soweit sie einen vom Bundesrat zu definierenden Betrag übersteigen.

Leistungen plafoniert

Zudem soll die Überbrückungsrente gegen oben begrenzt sein. Der Nationalrat kam im Laufe der Beratungen auf seinen ursprünglichen Entscheid zurück und folgte dem Ständerat, der von Anfang an für eine Plafonierung eingestanden war.

Bei der Vorlage war zuletzt noch ein Detail offen. Das Parlament setzte für Ehepaare und Personen mit Kindern den Plafond der Überbrückungsleistungen beim 2,25-Fachen des allgemeinen Lebensbedarfs fest. Das entspricht 65'643 Franken pro Jahr. Dieser Plafond enthält auch die separat vergüteten Krankheits- und Behinderungskosten.

Nach dreimaligen Hin und Her zwischen den Räten musste wegen eines Details die Einigungskonferenz ans Werk. Es ging um die Höhe des Plafonds für Alleinstehende, bei dem der Ständerat den Faktor 2 des allgemeinen Lebensbedarfs vorsah, der Nationalrat aber das 2,25-Fache. In der Einigungskonferenz setzte sich der Vorschlag der grossen Kammer durch.

Mit Blick auf SVP-Initiative

Das neue Sozialwerk hätte schon in der Frühjahrssession unter Dach und Fach gebracht werden sollen. Diese wurde aber wegen der Corona-Pandemie abgebrochen.

Die Zeit drängt aber. Grund für die Eile ist die Abstimmung zur Begrenzungsinitiative der SVP, die im September stattfinden wird. Die Gegner der Initiative sehen in den Überbrückungsleistungen ein geeignetes Vehikel im Abstimmungskampf, weil sie negative Folgen der Personenfreizügigkeit abfedert.

Die SVP war nicht nur deswegen von Anfang an gegen die Vorlage. Sie führte immer wieder die Kosten als Gegenargument an. Gegen Ende der Beratungen argumentierte die Fraktion zusätzlich mit der aktuellen Corona-Krise. Arbeitgeber würden nun erst recht ältere Arbeitskräfte in die Überbrückungsrente abschieben. Zudem könne sich die Schweiz das neue Sozialwerk wegen der angehäuften Schulden erst recht nicht leisten. Die SVP droht mit einem Referendum gegen die Vorlage.

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Ist ja typisch, die SVP, die Partei für das "Volch" ist dagegen. Wenn es nach ihr geht müssen 60+ sich also weiterhin mit Ämtern herumschlagen, erniedrigen lassen oder Abklärungen aller möglicher Art über sich ergehen lassen, ob sie nun ein Fall für die IV (wo nicht selten kranke gesund geschrieben werden) oder ein Fall für das Sozialamt etc. sind. Und das nach einem meist arbeitsreichen Leben. Echt volksfreundlich!

Die SVP führt wieder mal die Kosten als Hauptgrund an. Ja was kommt den billiger, länger ALV beziehen, IV zu beziehen oder Sozialhilfe?
Letztendlich wird es wenn man es lässt wie es ist am Ende gar teurer durch den ganzen Aufwand mit Abklärungen und Ämtern.

Von der SVP hiess es, Ausgesteuerte 60+ wollten Arbeit und nicht Almosen.
Wenn es so ist, warum hat die SVP denn solche Angst vor der Überbrückungsrente?
Auch die Befürchtung, Betriebe könnten durch eine Überbrückungsrente in Versuchung geraten, mehr ältere Arbeitnehmer zu entlassen, ist absurd. Genau so, wie wenn man behaupten würde, nur weil man einen Regenschirm dabei hat würde es deswegen mehr Regen geben. Da verkennt man Wirkung und Ursache.

Und durch Corona sollten doch auch die erzkonservativsten Ökonomen gelernt haben, dass die Geldmenge nur durch die Regeln begrenzt werden.
Da gab es ein Riesen Gejammer bei der Rentenreform Berset wegen 70 Fr. mehr AHV wie wenn die Schweiz deswegen unter gehen würde.
Und jetzt durch den "Corona Notstand" schaffte man es, Milliarden für Wirtschaftshilfen aus dem Hut zu zaubern. Und die Empfänger dürfen dann damit gar noch Dividenden auszahlen.

Auch bei milliardenschwerer Beschaffung von Kampfflieger hat die SVP keine Angst vor den Kosten.

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