×

Schwarzeis im Engadin

Hans Peter
Danuser
14.01.20 - 04:30 Uhr
SCHWEIZ SCHWARZEIS
SCHWARZEIS BEDECKT DEN SEE. BILD ARCHIV

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Gut 40 Jahre wohne ich jetzt in St. Moritz, aber so etwas habe ich hier noch nie erlebt: November- und Dezember-Schnee a gogo mit super Pisten früh bis ins Tal hinunter; Loipen wie im Paradies und seit Jahresbeginn Kaiserwetter. Und die Krönung des Ganzen ist nun das Schwarzeis auf den großen Seen. Für einmal nicht auf dem Berninapass, sondern seit einer Woche auf dem St. Moritzer See, den Chamfèrer Seen und – in spiegelblanker Perfektion – dem Silsersee. 

Am Freitagnachmittag bin ich diesen der Länge nach gefahren, von der Schifflände Maloja via Isola, links an der Insel Chaviolas vorbei bis zum Ufer der Sils-Maria Bucht bei Chalcheras: vier Kilometer in 20 Minuten entspanntem, geniesserischem Eislauf bei leichter Bise im Gesicht – eine Panoramastrecke par excellence!

Die Eisfläche liegt 1797 m ü. M., in Ufernähe sieht man das Seegras unter den Füssen, Passanten hat es wenige. Die Eisqualität ist so gut, dass wenig Bewegung und Anstrengung genügen, um mit erstaunlicher Geschwindigkeit über das Eis zu gleiten. Das Raum- und Glücksgefühl dabei ist unbeschreiblich – die grosse Freiheit!

Vorsichtig beobachte ich jeweils das Eis, wenn ich eine neue Etappe in Angriff nehme. Der Silsersee ist das grösste Gewässer Graubündens und selten komplett begehbar. An einigen Stellen rund um die Halbinsel Chastè ist die Eisfläche noch offen und plätscherndes Wasser sichtbar. Da macht man besser einen grossen Bogen drum und orientiert sich an bestehenden Spuren anderer Eisläufer.

Ich empfehle auch allen, auf solchen Fahrten stets einen Hockey-Stock mitzunehmen. Vor vielen Jahren hat mir ein solcher das Leben gerettet, als ich plötzlich einbrach. Dank dem Stock gelang es mir, mich etwas abzustützen und aufs Eis zu robben. Noch besser ist, wenn man nicht alleine geht sowie ein Handy und eine Schote dabeihat. 'Kurdirektor geht baden', titelte der Blick damals nicht gerade imagefördernd. Seither bin ich vorsichtiger geworden, habe aber weiterhin kaum eine Schwarzeis-Gelegenheit ausgelassen – ohne weitere Schwimmeinlagen.

Am Samstag brachte die Südostschweiz eine gute Titelgeschichte zum 'Eislaufen auf dem schwarzen Diamanten von Sils'. Text von Ruth Spitzenpfeil, einer versierten Eisprinzessin und Redaktorin, Bilder von Marco Hartmann, mit und ohne Drohne. Den Online-Artikel gibt es HIER.

Entsprechend bevölkert war denn auch der See bereits am Samstagmittag: hunderte von Eisläufern mit und ohne Schlitten, Kinderwagen, Hunden, Skistöcken...zwei dänische Eissegler auf Kufen, etwa zehn farbige Kite-Segler auf Ski oder Schlittschuhen – ein friedliches, faszinierendes Treiben auf einem See, der keineswegs leise ist: 'Das ständige Glucksen, Summen und Krachen gehört zum Naturschauspiel' (Spitzenpfeil).

Ich glitt mit meiner Familie die 2 1/2 Km nach Isola, wo wir in einer geschützten Bucht Picknick genossen. Plötzlich brauste ein Helikopter herbei, setzte 20 Meter vor uns kurz auf dem Eis auf und hob wieder ab. Direkt vor uns stand ein Passagier auf langen Eisschnelllauf-Kufen und startete elegant Richtung Sils – ein Hauch von James Bond auf Eis...

Kurz darauf Feuerwehr- und Ambulanz-Sirenen bei Plaun da Lej. Etwas später kommt ein Ehepaar aus Isola vorbei, das soeben bei der Bergung von zwei eingesunkenen Radfahrern geholfen hat. Schwarzeis ist grossartig, aber brandgefährlich!

Dass dieser Tage auf dem St. Moritzer See zwischen Segelhaus und Reithalle eine Premiere stattfindet, passt dazu:  Erstmals finden olympische Eisschnelllauf-Rennen auf einem gefrorenen See statt. Den Online-Artikel dazu gibt es HIER. Diese Bilder werden um die Welt gehen und die Italiener vielleicht dazu inspirieren, die Eisschnelllauf-Rennen der Olympischen Winterspiele Mailand/Cortina von 

2026 ebenfalls auf dem St. Moritzer See auszutragen – dem Klima und dem Budget zuliebe.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.