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Submissionsbetrug? Korruption? – Das Bündner Baukartell wirft Fragen auf

Im Kanton Graubünden haben sich Baufirmen zusammengesetzt, um Auftragsvergaben und Preise abzusprechen. Nun wurden die Unternehmen mit Millionen-Bussen bestraft. Radio Südostschweiz klärt im Gespräch mit Jurist Mark Pieth, was mit dem Bussgeld passiert und wie es mit dem Baukartell, den Kantonen und Gemeinden nun weiter geht.

Markus
Seifert
12.09.19 - 04:30 Uhr
Politik
Die Wettbewerbskommission WEKO hat Bussen im Umfang von elf Millionen Franken gegen zwölf Bündner Baufirmen erhoben.
Die Wettbewerbskommission WEKO hat Bussen im Umfang von elf Millionen Franken gegen zwölf Bündner Baufirmen erhoben.
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Herr Pieth, die Wettbewerbskommission (Weko) hat Bussen verhängt, dabei handelt es sich um ein paar Millionen Franken, die bezahlt werden müssen. Was passiert mit diesem Bussgeld? Wohin geht das?

Prinzipiell gehen Bussen in die Staatskasse. Falls es nicht wirklich Bussen sind, sondern Einziehungen von Gewinn, gibt es die Möglichkeit, dass man das Geld an die Geschädigten weitergibt.

Durch die Absprachen unter Baufirmen wurden der Kanton und auch die Gemeinden auf gut Deutsch «beschissen». Sie haben zu viel bezahlt. Kann nun die öffentliche Hand von den Unternehmen Schadenersatz verlangen?

Artikel 12 des Kartellgesetzes sieht vor, dass die Geschädigten, also auch der Kanton und die Gemeinden, Zivilklagen erheben und Schadenersatz fordern.

Die Weko sagt, sie könne sich kaum vorstellen, dass so ein Betrug über eine so lange Zeit abgelaufen sei, ohne, dass die Ämter und die beteiligten Behörden etwas gewusst hätten. Das wären massive Korruptionsvorwürfe. Wie kann man diesen nun nachgehen? Wer muss tätig werden und diese Vorwürfe untersuchen?

Neben dem Kartellrecht gibt es auch noch das Strafrecht, das relevant ist. Dabei gibt es zwei Perspektiven. In jedem Fall müsste man prüfen, ob der Staat oder Private betrogen worden sind. Man nennt das Submissionsbetrug. Das ist eine heikle Sache, denn man muss nachweisen, dass ein Schaden passiert ist. Dieser ist sehr schwer zu berechnen. Das Zweite ist, dass wenn Beamte beteiligt sind, wir den Verdacht von Amtsträgerbestechung haben und dem muss selbstverständlich nachgegangen werden. Das ist von Amtes wegen zu verfolgen. Dass die Bündner Staatsanwaltschaft nicht immer die schnellste ist, ist bekannt.

Dann müsste die Staatsanwaltschaft jetzt von sich aus tätig werden. In Graubünden haben wir jetzt erstmals auch noch eine Parlamentarische Untersuchungskommission. Ist das die richtige Instanz, um solche Vorwürfe zu untersuchen?

Ich denke das sind zwei verschiedene Schienen. Die Staatsanwaltschaft muss tätig werden und der Sache nachgehen. Wenn grosse, systemische Vorfälle vorliegen – und das scheint so ein Fall zu sein, wenn über Jahre praktisch in jedem Fall Submissionsmanipulationen stattgefunden haben – dann muss man sich fragen, ob etwas im System von Graubünden falsch ist. Und dort macht es schon Sinn, dass man eine parlamentarische Untersuchungskommission einsetzt. Aber wichtig bleibt: sie ersetzt den Staatsanwalt nicht, dieser muss separat tätig sein. Und zwar auf zwei verschiedenen Schienen: Submissionsbetrug und eventuelle Korruption.

Sie haben Erfahrung im Bereich Untersuchung von Korruptionen. Wenn Sie den Bündner Bauskandal aus der Ferne betrachten, ist das ein Einzelfall oder etwas, das im Baugewerbe in der Schweiz vielleicht Gang und Gebe ist?

Korruption gibt es häufig im Baugewerbe. Das ist eine sehr anfällige Branche, in der Schweiz wie auch im Ausland. Aber die Dimensionen, die wir in diesem Fall haben, sind schon speziell. Dass praktisch jede Vergabe abgesprochen und manipuliert wurde, das ist schon sehr unüblich.

Der Sprecher von der Weko sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass den Behörden über diese lange Zeit nichts aufgefallen ist und sie nichts davon gewusst haben. Teilen Sie diese Meinung?

Die Frage ist: Haben wir einen Anfangsverdacht? Haben wir konkrete Informationen, die darauf hinweisen, dass Beamte und Amtsträger davon gewusst haben? Dann ist es zwingend, dass eine Strafuntersuchung eingeleitet wird. Man wird sie am Anfang gegen Unbekannt einleiten. Es muss nicht sofort eine bestimmte Person ins Auge gefasst werden. Aber man wird, vor allem gestützt auf den Weko-Entscheid, fragen müssen, ob die Staatsanwaltschaft dies nun ernsthaft angehen muss.

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Ich frage mich ob nicht mehr Geld, Aufwand betrieben wird, als der ganze Bauskandal gefordert hat. So kann man auch die Steuergelder verschleudern.
Nicht dass ich es richtig finde was da passiert ist. Solche absprachen sind nicht in Ordnung.
Betrachtet man nun wer geschägigt wurde, das ist auch die öffentliche Hand und nun wird wieder auf deren Kosten eine noch teurere Untersuchung eingeleitet, "das Geld reicht nicht mehr für die Untersuchung"
Schlussentlich zahlen wir dad ganze doppelt.Untersuchung, Baufiram die schliessen muss und Arbeitslose die wir auch bezahlen müssen. Schlussentlich ist das Ganze ein Minusgeschäft für alle.

SO-Reporter

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