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Albi Brun: «Metallene Behälter sind wertvolle Trouvaillen»

Der kreative Grafiker und Illustrator Albi Brun aus Chur baut aus gebrauchten und gefundenen Gegenständen abenteuerliche, bizarre Fortbewegungsmittel en miniature. Zurzeit arbeitet er an einer neuen Ausstellung.

Agentur
sda
19.07.19 - 09:02 Uhr
Kultur
Albi Brun, Grafiker, Illustrator und Erbauer bizarrer Fortbewegungsmittel, posiert in seiner Werkstatt, aufgenommen am Dienstag, 11. Juni 2019, in Chur.
Albi Brun, Grafiker, Illustrator und Erbauer bizarrer Fortbewegungsmittel, posiert in seiner Werkstatt, aufgenommen am Dienstag, 11. Juni 2019, in Chur.
Keystone/GIAN EHRENZELLER

Albi Bruns Atelier in der Churer Altstadt ist das Zuhause eines schrägen Tüftlers. Der sonnige Raum mit Blick auf den Hausberg Brambrüesch ist überfüllt mit Werkzeug, Holzkisten und Fundstücken aus Schrott und Altmetall, Karteikästchen randvoll mit Schrauben, Muttern, Draht und Kleinstteilen.

Jetzt ist er gerade dabei, ein defektes Küchengerät zu zerlegen. Daneben liegen ausgedientes Medizinal-Zubehör, eine alte Schreibmaschine und zerbeulte Blechdosen. Er reinigt die Einzelteile und sortiert sie.

Über der Werkbank thront besonders eindrücklich ein Hängebohrer, den ihm einst ein Zahntechniker überlassen hat. Darunter stehen metallene Behälter mit den dazugehörigen Aufsätzen. Die schmerzen schon beim Anblick. «Für andere mag das Ramsch sein, für mich sind es wertvolle Trouvaillen», sagt Albi Brun und zündet schmunzelnd seine Pfeife an.

Die RhB-Werkstätte als Spielplatz

Aufgewachsen ist Brun in Landquart, keine 100 Meter entfernt von den Werkstätten der Rhätischen Bahn. Er erkundete schon als kleiner Bub die tiefe Grube, in welcher der Werkstattabfall der Eisenbähnler landete. «Mit Abenteuerlust in den Knochen ergänzte ich meine Holzspielsachen zu wundersamen Flug- und Fahrobjekten mit Messing und Kupferteilen», erzählt der Künstler.

«Später baute ich mit Freunden aus Schwemmholz vom nahen Rhein Flosse, ich träumte von der Segelschifffahrt und dem endlosen Meer. Jetzt wollte ich Entdecker und Kapitän werden.» Doch 1957 änderte sich Albi Bruns Berufswunsch jäh.

Damals kenterte und sank das deutsche Segelschulschiff «Pamir» in einem Hurrikan vor Lateinamerika. Das war das Ende der grossen Segelschifffahrt. Auf einem Dampfer zur See zu fahren, kam für Albi Brun nicht in Frage. Also wurde er nicht Seemann. Er begann eine Berufslehre und wurde Grafiker in Chur.

Auf Expedition mit Robert Indermaur

Jahre später, Mitte der 1970er-Jahre, fiel ihm eine Schachtel mit Erinnerungsstücken aus seiner Kindheit in die Hände. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Bündner Künstler Robert Indermaur, machte er sich daran, das Modell eines Expeditionsschiffs zu bauen - ein alter Traum der beiden.

Verschmitzt lächelnd erinnert sich Brun: «So war das Urschiffmodel geboren, aus Karton und Sperrholz und ausgestattet mit einem Gaffelsegel. Auf Deck die Instrumente zur Steuerung. Sogar ein Mähbalken für Seegras gehörte zur Ausstattung. Ich konnte nicht mehr aufhören, staffierte das Schiff weiter und weiter aus, bis Indermaur genug hatte und ausstieg.»

Doch Albi Brun blieb seiner Leidenschaft treu und entwarf auf der Basis seiner phantastisch präzisen Zeichnungen und Entwürfen immer ausgefallenere «Flug,- Schwimm- und Fahrzeuge». Bis heute sind so über 20 Objekte dieser «Flug- und Wasserwelten» entstanden.

Die begehrten Kunstwerke sind mittlerweile alle an Liebhaber verkauft. Im Dezember letzten Jahres gab Brun ein Buch mit Plänen, Werkstattberichten und Fotografien heraus. In der aufwendig und liebevoll gestalteten Publikation ist die Entstehung sämtlicher Kreationen von 1975 bis 2017 ausführlich dokumentiert. Es trägt den holprig-schönen Titel «Merk- und denkwürdige Fortbewegungsmittel - Maschina und Apparät und Züx und Sacha». Er gab das Werk im Eigenverlag heraus und sorgt selbst für dessen Vertrieb.

Der Atlas der abgelegenen Inseln

Albi Brun wäre nicht Albi Brun, wenn er nicht bereits ein neues Projekt in Arbeit hätte. Er stiess vor einiger Zeit auf einen Artikel über Judith Schalanskys Buch «Atlas der abgelegenen Inseln». «Schon der Titel hat mich gepackt, das abgelegene Thema genauso», schwärmt der Churer.

«Der Atlas der abgelegenen Inseln» beschreibt fünfzig Inseln in allen fünf Ozeanen, die fernab jeder Zivilisation liegen. «Es ist ein pures Vergnügen, die Anekdoten und Geschichten, die sich um die Inselflecken ranken, zu lesen - all die Schicksale und Erlebnisse der Inselbewohner», erzählt der Künstler. Zufrieden und verträumt hockt der landgestützte Seebär Albi Brun in seiner Künstlerwerkstatt und reist in Gedanken zu den Inseln mit den gestrandeten Schiffbrüchigen, er besucht Figuren wie den verlassenen Naturforscher und die meuternden Matrosen.

Zwei Apparaturen für dieses maritime Abenteuerbild sind bereits in Arbeit: Zum einen ein Dampfhelikopter mit messingfarbenem Rotor. Wohin der einst fliegen soll, weiss sein Erbauer noch nicht. Das zweite Objekt ist ein Dampfluftschiff mit leeren Gaskartuschen als Antriebsdüsen. Auch hier kennt noch niemand den künftigen Landeplatz. Weitere Kunstwerke sind in Planung und werden im Laufe dieses Jahres dazukommen.

Voraussichtlich Ende dieses Jahres wird er seine neuen Arbeiten in einer Ausstellung in Chur zeigen.

Der Herr der grotesken Maschinen besass nie wirklich ein Boot, auch Reisen in die Ferne reizten ihn nicht. Gelegentliche Reisen gab es dennoch im Leben des Albi Brun. Mit seiner Frau Helene fuhr er öfters nach Korsika. Bündner blieb er aber auch dort: «Auf Korsika gibt es ja nicht nur das Meer, sondern auch wunderbare Berge.»

Augenzwinkernd erzählt er: «In den 70er-Jahren zog es viele meiner Freunde in die Toskana und nach Florenz. Also stieg auch ich in mein Auto und fuhr mit einem Freund los. Auf der Südseite des Bernina Passes knurrte mein Magen, und wir machten Rast in einem Berghaus im Val di Campo. Uns gefiel es da so gut, dass wir über Nacht blieben. Am nächsten Morgen wanderten wir hoch zum zauberhaften Lago di Saoseo. Den nächsten Tag verbrachten wir in Sondrio im Veltlin. Schliesslich erreichten wir immerhin Mailand, wir schauten uns die Stadt an und fuhren zurück. Florenz wartet heute noch auf mich.»

www.albi-brun.ch

Verfasserin: Christa Stalder, ch-intercultur

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