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«Irgendwie brauche ich wohl einfach die Strasse»

Heinz Gyger arbeitet seit 36 Jahren bei der Autobetrieb Sernftal AG (AS), die heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert. Das Panorama von Sernf- und Grosstal ist dem Chauffeur aus Engi noch nie verleidet. Seinen Beruf erlebt er aber heute als stressiger.

10.06.19 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Herr auf der Strasse in Glarus Süd: Heinz Gyger ist Bus-Chauffeur der Autobetrieb Sernftal.
Herr auf der Strasse in Glarus Süd: Heinz Gyger ist Bus-Chauffeur der Autobetrieb Sernftal.
SASI SUBRAMANIAM

Es ist 14 Uhr, die Luft flimmert von der Hitze am Bahnhof Schwanden. Heinz Gyger läuft zum wendigen, roten AS-Kleinbus mit den 16 Plätzen. In drei Minuten wird er nach Schwändi abfahren. «Leer ist der Bus nie», sagt der Chauffeur. Drei Leute werden mindestens einsteigen, lautet seine Prognose. Ein älterer Herr wartet bereits. Ein freundliches «Grüezi», und es geht los. Im Dorf und beim Altersheim steigen weitere drei Leute zu. Es sind bekannte Gesichter. Chauffeur und Fahrgäste duzen sich. Eine Frau fährt jeden Tag zwei Mal die Runde, wie Gyger später erzählt. Dies, um einen Blick auf ihr geliebtes, früheres bäuerliches Heimetli im Däniberg zu werfen. Auch Gyger blickt kurz zurück. Er erinnert sich noch gut an die sogenannten Extra-Therma-Touren mit vollbesetzten Bussen, als noch viele Leute bei der Therma und später dann bei Electrolux in Schwanden arbeiteten.

Vom Lastwagen zu Car und Bus

Buschauffeur zu werden, war von Heinz Gyger nicht direkt geplant. Gelernt hat der heute 57-Jährige aus Engi nach der Realschule zunächst Automechaniker. Autos haben ihn einfach fasziniert. Vielleicht, weil seine Eltern nie ein Auto besassen. An die Sernftalbahn, die vor dem Busbetrieb das sogenannte Chlytal von 1909 bis 1969 an den öffentlichen Verkehr anschloss, kann er sich nur knapp erinnern: «Ich weiss, man konnte den roten Wagen hinterherlaufen und vielleicht noch hineinspringen, beim Bus geht das nicht.»

Nach der Rekrutenschule arbeitet Gyger 1982 probehalber als Automechaniker in der Garage des Engeler Transportunternehmens. 1983 wird er beim Autobetrieb Sernftal fest angestellt. «Mach dann mal die Lastwagen-Fahrprüfung», forderte ihn der damalige Direktor Alfred Peter auf.

Gyger kommt rasch auf den Geschmack. Mit dem 2-Achs-Allradkipper fährt er im Auftrag der AS für das Baugeschäft Marti am liebsten hoch hinauf. Sei es für Bauarbeiten bei der Melioration von Elm, beim Bau von Skihäusern im Empächli Elm oder für Strassenarbeiten im Durnachtal. Er fährt auch mit dem 4-Achser Elmer Cito und mit dem Silo Zucker von Frauenfeld nach Elm und Rhäzüns. «Ich habe den Plausch daran gefunden und wollte längst nicht mehr in der Garage arbeiten.» Nach einigen Jahren kann Gyger auch Car-Reisen übernehmen und am Wochenende beim Kursbus aushelfen.

Italien, Frankreich, Holland, Deutschland, Österreich: Ab 2000 ist Gyger mit Vorliebe mit dem Car unterwegs, des öftern auch mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Altersheims Elm. Er lacht: «Die Leute wollten damals noch Strecke machen, weit fahren und Neuland sehen.» Der eine oder andere Fahrgast sei selten aus dem Tal herausgekommen, umso mehr habe man die Ausflüge genossen.

Für seine Car-Fahrten bereitet sich Gyger sorgfältig vor, studiert Karten auch zu den Sehenswürdigkeiten, auf die er dann aus dem Bus aufmerksam macht. Auf die aufkommenden GPS-Piloten stellt er kaum um oder höchstens mal in einer Grossstadt. An Führungen der Reisegruppen, etwa in ein stillgelegtes Bergwerk im Ruhrgebiet oder in ein spannendes Museum, nimmt der interessierte Chauffeur gern auch selber teil. «Schade, dass die Carfahrten wohl nicht mehr rentierten», sagt Gyger mit Bedauern. Vor drei, vier Jahren habe das Busunternehmen das Car-Reisen aufgegeben.

Am liebsten auf Obererbs

Rund 20 Leute arbeiten derzeit bei der Autobetriebe Sernftal AG, darunter ein Dutzend Chauffeure, welche im Wechsel die Touren ins Kleintal, nach Schwändi und Sool, Kies-Mettmen und Elm-Obererbs im Sommer machen sowie den Glarner Nachtbus fahren.

Was manchen auswärtigen, nicht berggewohnten Autofahrern den Puls in die Höhe treibt, geniesst der routinierte Chauffeur. Gyger kurvt gern enge Strassen hinauf. Vor allem auf Oberbs, wo es keinen Gegenverkehr gibt. «Es sind 1200 Meter Höhenunterschied von Schwanden bis oben», meint er lächelnd.

Und weiter: «Ich habe Glück gehabt.» Vor grösseren Unfällen ist Gyger verschont geblieben. Zwei, drei Mal musste er zwar schon mal auf Car-Ausflügen den Rückwärtsgang einlegen, weil die vermeintlich gut rekognoszierte Strecke für einen 50-Plätzer unpassierbar war. Folgen, ausser etwas später am Ziel zu sein, hatte dies aber nicht. Als etwas unheimlich sind ihm aber die eine oder andere nächtliche Busfahrt in schneereichen Wintern in Erinnerung, wenn der Bus einsam auf weiter Flur letztmals vor der Strassenschliessung Passagiere heimwärts oder aus dem Tal hinaus beförderte.

«Mir gefällt es sehr im Sernftal», sagt der Vater von zwei erwachsenen Söhnen, der nie woanders wohnen wollte. Aus dem Tal komme er genügend heraus, fügt er an. So steigt er nach dem Dienst gern auf seine 1700 Kubik-Harley-Davidson, um eine Spritztour über den Klausen oder den Kerenzerberg an den Walensee zu machen. Immer allein, wie er sagt. Seine Frau wolle da nicht mit. «Irgendwie brauche ich aber wohl einfach das Unterwegssein auf der Strasse.»

Schneller, dafür weniger Kontakt

Der heute enger als früher getaktete Fahrplan passt Gyger eigentlich. «Da müssen wir nicht mehr jeweils eine halbe Stunde in Elm warten.» Und die Leute sind noch ein paar Minuten schneller Zuhause als früher. Damit es keinen Stress gibt, muss aber alles reibungslos ablaufen.

Viel Kontakt mit dem Fahrer gibt es heute im Vergleich zu früher nicht mehr. Auch wenn Gyger viele seiner Fahrgäste kennt. «Früher kauften die Leute noch jeweils ihre Bus-Fahrkarte, etwa für 50 Rappen mit Halbtax, einheimisch, nach Schwändi. Heute steigen die Fahrgäste mit dem GA oder Mehrfahrten-Abo meistens hinten ein. Gehalten wird auf Verlangen, was die Passagiere lernen mussten. Doch könne man bei ihm ein Billett für die ganze Schweiz kaufen», sagt Gyger.

Eine Frau steigt nun im Thon aus, und an der nächsten Haltestelle bei der Post in Schwändi eine wieder ein. Beim Weiterfahren Richtung Lassigen ist der Bus drei Minuten zu spät dran. «Das holen wir wieder ein», sagt Gyger. Die Frau werde ihren Anschluss nach Elm sicher erreichen. «Und sonst kann ich immer noch dem Kollegen funken.» So viel Service muss sein.

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Finde es gut ,wenn solche Strecken wie Schwändi und Sool vom öffentlichen Verkehr bedient werden.Wenn auch solche Strecken auch nicht rendieren.Solche Strecken braucht man für Schüler und ältere Leute .Nicht jeder hat ein ,oder vermag ein Auto.

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