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Hochbrücke über Chur

Hoffentlich werden sie nie auffahren, die Bagger für den Bau dieser Brücke. Denn diese Brücke braucht es nicht! Es braucht sie nicht, weil das Verkehrsaufkommen marginal, die Kosten horrend, der landschaftliche und landwirtschaftliche Verlust nicht vertretbar und der verkehrstechnische Nutzen fragwürdig sind.

Als einziges Argument wird im Artikel vom 22. März 2019 angeführt, die Stadt Chur könne nachhaltig vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Wer den Verkehr vom und ins Schanfigg in Chur als Belastung empfindet, wohnt nicht an der Kaser-nenstrasse, nicht an der Ringstrasse und nicht an der Masanserstrasse. Dort gibt es täglich, mit Ausnahme des Sonntags, sehr viel Durchgangsverkehr – sehr wenig davon aus dem Schanfigg. Das Begehren, weshalb diese Brücke durchgestiert werden soll, kommt von den Touristikern in Arosa. Sie wollen, dass mit 2.50 m brei-ten Reisecars Touristen in Massen nach Arosa geführt werden. Möglichst nur für einen kurzen Ausflug, damit die herunterfahrenden den hinauffahrenden auf der Brücke zuwinken können. Das ist jetzt vielleicht etwas zu sarkastisch. Aber es gibt wirklich gute Gründe, diese Brücke nicht zu bauen. Zuerst, wie es sich das bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gehört, sind die Kosten anzuschauen:
In der SO vom 16. September 2017 wird das neue Projekt (Projektstudie) für die St. Luzibrücke vorgestellt. Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids soll sie gegen-über dem Auflageprojekt aus dem Jahr 2008 beim Anschluss an die Arosastrasse um ca. 300m nach Südosten verschoben werden, ziemlich genau um die Strecke, welche von 2013 – 2016 mit Kosten von 6.2 Mio. Franken normengerecht verbreitert und begradigt wurde. Zur Erinnerung: Ziel des Brückenschlags soll u.a. die Entlas-tung des Plessurquais, der St. Luzistrasse und der Arosastrasse zwischen Hof und Konvikt der Kantonsschule sein. Das heisst, nach Inbetriebnahme der Brücke wird das gerade erst sanierte Strassenstück ab Konvikt bis zum Brückenanschluss ge-schlossen. Das sollte jedem Steuerzahler schon einmal zu denken geben. Denn zu den geschätzten 11 Mio. Franken Mehrkosten der neuen Variante sind noch die in ein beachtliches Bauwerk verbauten (oder verlochten?) 6.2 Mio. Franken hinzu zu rechnen.

Am 31. August 2006 wurde in der SO eine Gegenüberstellung der Kosten für die Sanierung der Schanfiggerstrasse (gemeint St. Luzi- und Arosastrasse) und der Brücke veröffentlicht: 35 Mio. gegen 41 Mio. Franken. Zwei Jahre später waren es für die Strasse immer noch 35 Mio. ,für die Brücke aber 58 Mio. Franken mit der Er-wartung eines Bundesbeitrags von 50% (SO vom 4. Juni 2008). Die längere Varian-te von 2017 soll nun 66 Mio. Franken kosten und ein Bundesbeitrag ist nicht zu er-warten. (Irgendwo scheint sich noch ein Rechenfehler eingeschlichen zu haben, denn es ist von 11 Mio. Franken Mehrkosten gegenüber der früheren Variante die Rede, was 69 Mio. Franken ergäbe.) Man zähle nun die unnütz ausgegebenen 6.2 Mio. Franken noch dazu und kommt auf 72.2 Mio. bzw. 75.2 Mio. Franken gegen-über wahrscheinlich immer noch 35 Mio. Franken für den Ausbau der Strasse. Kann man in dieser Situation und in Anbetracht, dass der Bund nichts daran zahlt, einfach zur Tagesordnung übergehen? Regierungsrätin Barbara Janom Steiner zur Frage der Kantonsfinanzen in der gleichen Ausgabe der SO vom 16. September 2017: „…danach (nach 2018) wird es schwieriger, was aber nicht am Kanton liegt. …“. Oder vielleicht doch? Es mag stimmen, dass der Strassenausbau, wie im SO-Artikel vom 22. März 2019 erwähnt „aufwändiger“ ist, aber auf keinen Fall teurer zu stehen kommt. Aufwändig heisst in diesem Fall mehr Verkehrsbehinderungen beim Bau und der Lösung einiger gestalterischer Probleme, auf die noch einzugehen ist. Die Verkehrsbehinderungen dürften nicht Ausschlag gebend sein; sie gehören zum Alltag im bündnerischen Strassenbau, insbesondere auch beim Ausbau der Schanfiggerstrasse weiter hinten im Tal. Dies führt zum nächsten Stichwort: Muss von Chur nach Arosa eine Strasse von 8m Breite gebaut werden? Im Grossen Rat war eine einzige kritische Frage dazu gestellt worden. Konkurrenziert der Brücken-bau die Arosabahn? Das ist unweigerlich der Fall (wurde aber vom Regierungsver-treter nicht so klar gesagt!). Braucht Arosa an hochfrequentierten Tagen 20 bis 30 Reisecars, aber weniger Touristen, die mit dem Zug anreisen?

Es wird immer wieder ins Feld geführt, der Strassenausbau im städtischen Bereich sei aus denkmalpflegerischen Gründen nicht machbar. Wurde dies einmal genau untersucht? Es wird behauptet! Einmal abgesehen von einem kleinen Engpass vor dem Hofplatz sind Ausbaumöglichkeiten vorhanden. Das Tiefbauamt hat schon an anderen Orten bewiesen, dass gefällige Verbreiterungen möglich sind. Der Haldenhüttlirank kann grösstenteils in den Berg erweitert werden und etwas kleine-re Rebberge verkraftet der Hof sicher. Denn: Was uns das gigantische Brücken-bauwerk in städtebaulicher Hinsicht und aus Sicht des Landschaftsschutzes und des Verlusts an Kulturland beim Hof St. Hilarien (das übrigens auch dem Hof ge-hört) anrichtet, ist im Verhältnis zum Nutzen unangebracht. Allein für den An-schluss an die Malixerstrasse müssen die vor wenigen Jahren angelegten Apriko-sen- und Pfirsichplantagen sowie Gras- und Weideland im Ausmass von über einer Hektare geopfert werden. Dass der Heimatschutz sich ohne Alternativen zu prüfen bzw. zu verlangen, schon zum ersten Hochbrückenprojekt positiv geäussert hat, ist unverständlich. (Ihm scheinen die alten Möbel im Konvikt mehr am Herzen zu lie-gen.)

Sodann sind verkehrstechnische Probleme auf der anderen Talseite zu erwarten. In den vergangenen, wie auch in diesem Winter kam es vor, dass sich am Sonntag-abend ein Stau von der Autobahneinfahrt Chur Süd bis Chur Städeli und an man-chen Abenden sogar bis nach Malix mit Stauzeiten von gut einer Stunde allein vom Rückreiseverkehr von Lenzerheide/ Parpan/Churwalden bildete. Und dies nach Inbetriebnahme der neuen Kreisel in Chur West. Und nun soll auch noch der Rück-reiseverkehr von Arosa in die Malixerstrasse einmünden, an welcher zudem noch ein Kreisel am Rosenhügel geplant ist. Geht das gut – oder stehen die Autos ver-mehrt auf der neuen Brücke? Und was halten die Gemeinden Vaz/Obervaz und Churwalden davon, wenn ihre Tagesausflügler auf dem Weg nach Chur (noch län-ger) im Stau stehen? Was bekommen die Anwohner am St. Antönierrank (Mali-xerstrasse) davon ab? Wie kommt man in der Gegenrichtung voran?

Die Gemeinde Arosa sei an dieser Brücke interessiert, heisst es in anderen Beiträ-gen. Und die Einwohner der Schanfigger Dörfer (die der Gemeinde Arosa angehö-ren sowie Maladers, das bald zu Chur gehört)? Bringt es für sie Vorteile? Auf jeden Fall einen Umweg, wenn sie in die Stadt wollen und einen grösseren CO2-Ausstoss. Und Chur möchte sie doch in der Stadt haben – zum Shopping, zum Arzt, zu kulturellen Veranstaltungen, etc. Möglichst auch in der Innenstadt oder nur in Chur West, wohin sie geleitet werden, wenn sie über die Brücke fahren?

„Zurück auf Feld 1“ hiess im Beitrag der SO vom 16. September 2017 sei man ge-gangen und hätte eine neue Variante ausgearbeitet. Leider ist man nicht zurück auf Feld 1 gegangen. Feld 1 bedeutete, den Bedarf nochmals genau zu prüfen. Und zwar unter den seit Planungsbeginn eingetretenen Veränderungen der Ausgangs-lage. Da wären einmal der Skigebietszusammenschluss Lenzerheide – Arosa mit-tels prestigeträchtiger neuer Luftseilbahn im Urdental, der Kreisel am Obertor mit Einbahnverkehr Lindenquai/Plessurquai, die neue Fussgängerverbindung zwi-schen Kantonsschule Halde und Plessur sowie die Neugestaltung des Bahnhofs Arosa mit dem Anspruch von Arosa, die Nachhaltigkeit zu fördern. Das heisst doch nichts anderes, als dass die Tagesausflügler im Winter mit dem Auto bzw. Postauto oder Bussen auf die Lenzerheide fahren und von dort aus auf die Aroser Pisten wechseln, die Verbesserungen in Chur zu flüssigerem Verkehr führen, die Kan-tonsschülerinnen und -schüler sich nur noch gelegentlich bei Unterrichtsbeginn und -ende über den Hofplatz bewegen und Arosa gar nicht interessiert sein sollte, Hunderte von Autos anzulocken. Die Churer Tagestouristen fahren ohnehin mit der Arosabahn nach Arosa. Man kann sogar mit einer Tageskarte gratis von Chur mit dem Postauto in das Lenzerheidner Skigebiet fahren, nach Arosa wechseln und mit der Arosabahn zurück nach Chur fahren.

Eigentlich müssten sich Politiker und Verkehrsexperten einig sein: Für das margi-nale, nur an ganz wenigen Spitzentagen erhöhte, Verkehrsaufkommen solch hohe Kosten und Risiken, Verschwendung von Kulturland und Anziehung eines uner-wünschten motorisierten Verkehrs in Kauf zu nehmen, ist unverantwortlich. Vor-schlag: Abbruch der Hochbrückenprojektierung und Neustart für den moderaten Ausbau der innerstädtischen Strassen mit einem neuen Anforderungsprofil und danach Ausschreibung eines offenen Ideenwettbewerbs unter interdisziplinären Teams von Ingenieuren, Landschaftsarchitekten und weiteren Fachleuten z.B. des Denkmalschutzes usw. Dies wird es ermöglichen, ein umweltverträgliches, nach-haltiges und kostengünstiges Projekt auszuarbeiten und zu realisieren.
Walter Schmid, Chur

Walter Schmid-Lienhard
28.03.19 - 10:53 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
Zum Artikel:
Bis die Bagger auffahren, dauert es noch einige Zeit Die Hochbrücke über Chur ist noch nicht vom Tisch, SO GR vom 22. März 2019
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Es ist schon eigenartig. Wenn es um die Innenstadt und v.a. die Altstadt geht, wo die Bevölkerungs- und vor allem die Kinderdichte tief ist, will man den Verkehr reduzieren oder sogar abschaffen, aber für eine z.B. Ringstrasse hat man keine Lösung, ausser eine, die zu einer Verkehrszunahme in dicht besiedelten Wohnquartieren führen würde. Dabei hat vor 20 Jahren die Churer Bevölkerung ein Gesetz befürwortete, das den Churer Stadtrat verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen zur „flächendeckenden Verkehrsberuhigung insbesondere in den Wohnquartieren … sowie längerfristig eine Reduktion des privaten Motorfahrzeugverkehrs anzustreben“. Geschehen ist außer in der Innenstadt nichts. Unsere Stadtregierung ist verkehrsplanerisch im 20. Jahrhundert stecken geblieben. Die Stadt platzt jetzt schon aus allen Nähten. Aber mehr Straßen und Brücken lösen das Problem längerfristig nicht. Das Einzige, das wirkt, ist, wenn man das Autofahren erschwert.

Vorschlag:
In bestimmte Zonen (die vermehrt/ausgedehnt werden sollten mit der Zeit) dürfen nur ZEV verkehren
https://de.wikipedia.org/wiki/Zero_Emission_Vehicle
Analog dazu sollte es Zonen geben, wo nur Ruhige Bewohner wohnen dürfen (was aber den Lärmenthusiasten ebenfalls sehr dient, denn sie würden nicht wie bisher öfters dazu angehalten, sich an die entsprechenden Gesetze zu halten, beispielsweise haben doch tatsächlich schon Leute den Mieterverband angefragt, ob dieser ihnen helfen könne, sie würden nachts gerne lärmen).
Das Gemeinsame beider Beispiele:
Das Verursacherprinzip wird verwirklicht.
Denn bisher - im indifferenten Einheitsbrei alias "alternativlose Gesellschaft" – wird umweltfreundliches Verhalten nicht belohnt, im Gegenteil, wer Velo fährt atmet sogar mehr Abgase ein als wenn er motorisiert sich fortbewegt.
Wenn nur noch an stillen Orten wie Waldrand wohnen darf, wer diese Stille heiligt – bewahrt durch Eigenstille statt konterkariert mit Lärm – wer also Regeln befolgt, nur so kommt ein heilsamer Lernprozess in Gang. Rücksichtsvolles Verhalten müsste belohnt werden.

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