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Kanton wehrt sich dagegen, E-Voting auf Eis zu legen

Kanton wehrt sich dagegen, E-Voting auf Eis zu legen Erneut flammt Kritik am E-Voting auf. Das findet der Kanton St. Gallen sehr gut – Diskussionen würden das System verbessern. Die Regierung wehrt sich allerdings gegen ein gefordertes Moratorium.

Linth-Zeitung
01.02.19 - 04:30 Uhr
Politik
Umstritten: Die St. Galler Regierung will E-Voting weiter testen – und wehrt sich gegen ein Moratorium.
Umstritten: Die St. Galler Regierung will E-Voting weiter testen – und wehrt sich gegen ein Moratorium.
GIAN EHRENZELLER/KEYSTONE

von Sina Bühler

Vor einem Monat trat im Kanton St. Gallen ein neues Gesetz über Wahlen und Abstimmungen in Kraft. Die wohl wichtigste Neuerung: Es gibt nun eine gesetzliche Grundlage für die elektronische Stimmabgabe. Dies bedeutet zurzeit aber nur, dass der Kanton neben der Urnen- und Briefabstimmung künftig E-Voting einführen kann – nicht aber, dass er das auch muss oder sofort tut. 
Die Kritik am E-Voting reisst derweil nicht ab. Die Systeme seien nicht sicher genug, glauben die Gegner. Im Kanton St. Gallen ist eine Motion hängig. Sie verlangt ein Moratorium für 
E-Voting. Letzte Woche hat die Regierung ihre Antwort darauf publiziert. Sie schreibt, dass sie die Anliegen der Motionäre grundsätzlich unterstützt und trotzdem von einem Moratorium absehen will. Im Gegenzug schlägt sie vor, die Tests weiterzuführen und parallel einen Bericht zu den Risiken von E-Voting und E-Counting (der elektronischen Stimmauszählung) zu erstellen. Der Kantonsrat dürfte Mitte Februar entscheiden, ob er das striktere Moratorium oder den Bericht will.


Kanton will weiter testen


Ein Moratorium wäre im Moment der falsche Weg, meint Vizestaatssekretär Benedikt van Spyk: «Die Forderung danach kommt zu früh. Wir probieren zurzeit Verfahren aus, machen Tests und sind an der Weiterentwicklung. Das würde durch ein Moratorium ausgebremst.» Die Frage müsse im Moment nicht lauten, ob man für oder gegen E-Voting sei, sondern ob sich dieser Testprozess lohne. Dass dieser Prozess dann kritisch überwacht und diskutiert werde, sei nicht nur gut, sondern wünschenswert.

Diskutiert und kritisiert wird E-Voting nicht nur im Kanton St. Gallen. Letzte Woche wurde eine schweizweite Initiative für ein Moratorium lanciert, unterstützt wird sie von links bis rechts. Auch die Initiative würde dem Kanton nicht in die Quere kommen, meint dazu van Spyk. Bis sie zur Abstimmung gelange, habe man die Antworten auf die offenen Fragen vermutlich schon gefunden: «Dann ist die Testphase gelungen – oder eben nicht.»

 

«Unsere Verfahren und Tests würden durch ein Moratorium ausgebremst.»
Benedikt van Spyk, Vizestaatssekretär St. Gallen


Der Kanton St. Gallen bemüht sich seit 2009 um ein E-Voting-System, musste aber schon zum zweiten Mal den Anbieter wechseln. Zuerst entwickelte er gemeinsam mit acht weiteren Kantonen ein eigenes Projekt, das 2015 vom Bund nicht bewilligt wurde. Dann kam ein Projekt des Kantons Genf, das Ende 2018 wegen zu hoher Kosten abgebrochen wurde. Damit bleibt nur noch ein möglicher Player für ein E-Voting System übrig: die Post. St. Gallen führte inzwischen entsprechende Verhandlungen, nach der amtlichen Publikation der Vergabe im Laufe des Februars wird der Vertrag unterschrieben. Bei der ursprünglichen Ausschreibung war das Genfer Projekt preislich um 600 000 Franken attraktiver. «Die Post hat seither ihr Preismodell angepasst. Sie ist zwar immer noch etwas teurer, aber nicht mehr in den gleichen Dimensionen», sagt der Vizestaatssekretär dazu.


Kritik an neuem Anbieter


Die Post nutzt die Software des spanischen Entwicklers Scytl. Gestern erschien im Onlinemagazin «Republik» ein kritischer Bericht zum Unternehmen, das in der Vergangenheit Forschungsgelder zweckentfremdet habe, mit Sicherheitsproblemen bei der Stimmabgabe kämpfte und nicht genügend transparent operiere. Die geschilderten Vorfälle reichen allerdings mehrere Jahre zurück. «Scytl ist der Marktführer in diesem Bereich und hat eine lange Geschichte» sagt van Spyk dazu. Natürlich gebe es in dieser Zeit auch Rückschläge. Vor allem was die Transparenz angeht, sieht er die Entwicklung aber positiv. Denn damit das System überhaupt von der Bundeskanzlei zugelassen wird, muss die Firma ihre Quellcodes veröffentlichen. Dazu hat sie sich bereit erklärt. Eine Gratwanderung für einen privaten Anbieter, der damit Geld verdient. 

Bis im Frühjahr wird ausserdem ein sogenannter Intrusion-Test stattfinden, bei dem Hackerinnen und Hacker amtlich bewilligte Manipulationen versuchen dürfen. Wer es schafft, erhält eine Kompensation. «Treten dort gravierende und nicht behebbare Mängel auf, dann ist E-Voting wahrscheinlich schwierig weiterzutreiben», meint van Spyk.


Bereits elektronische Schritte


Da ein wichtiger Teil der Stimmabgabe auf Papier heute schon elektronische Zwischenschritte beinhaltet, nutzt der Kanton die Gelegenheit und nimmt deren Sicherheit unter die Lupe. Niemand zähle bei Wahlen die Stimmen heute noch manuell, sagt Benedikt van Spyk: «Unser Ergebnisermittlungssystem ist schon älter und hat daher nicht so eine hohe Sicherheitsstufe. Der vorgeschlagene Bericht würde auch in diesem Bereich den Handlungsbedarf und die notwendigen Massnahmen, die der Kanton bereits ergriffen hat oder als notwendig erachtet, aufzeigen.»

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Wo «Hackerinnen und Hacker amtlich bewilligte Manipulationen versuchen dürfen». Ja so läuft #EVoting in der Schweiz. Auch die «Gratwanderung» von Scytl wegen dem Source Code ist symptomatisch für das ganze Projekt, wo ziemlich alles eine unmögliche Gratwanderung ist.

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