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Hornkuh initiative

Kühe mit oder ohne Hörner?

Eine interessante Frage, die recht viel Zündstoff bietet. Es zeigt wieder einmal mehr, wie gewisse Kreise in der Schweiz sich eine „Heidiland-Schweiz“ zurückwünschen. Alles unter dem Deckmantel des Tierwohls und des Fortschritts. Wenn diese Initiative aber angenommen wird, zeigt es wieder einmal mehr, wie heuchlerisch wir in der Schweiz agieren. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde des Geldes wegen und mit einer deutlichen Mehrheit verzichtet, gegen viel gravierende Tiermissbräuche im Ausland vorzugehen, einem Ort, in dem doch fast 50% unserer Lebensmittel herkommen. Wir dürfen nicht, wir können nicht - im Endeffekt, wir wollen nicht!

Jetzt soll auf einmal das Horn der Kuh maßgebend sein, wie tierfreundlich wir hier in der Schweiz sind. Sind wir ehrlich, egal ob jetzt mit Freiwilligkeit geworben wird, der Druck auf Landwirte wird steigen, sobald das Vorhaben durchkommt. Das sieht man bei jeder Änderung hinsichtlich des Tierwohles. Wenn auch zuerst freiwillig angeboten, nehmen es immer mehr Labels auf und schliesslich wird es dann fest im Gesetz verankert. Die Frage ist auch offen, woher die Gelder kommen sollen. Geht es auf Kosten der Landwirte, die diesem Wunsch dann keine Folge leisten? Ebenso werden Studien als Argumente gebraucht, die sich teils total widersprechen oder gar nicht anwendbar sind. Gehen wir von all den Vergleichen aus, bei denen die „Probleme“ im Alter angeblich aufgrund der Enthornungen vorkommen ohne dabei eine Vergleichsgruppe zu haben, da die Vergleichsgruppe bereits als Masttiere früh geschlachtet wurden.

Tiere mit Hörnern brauchen viel mehr Platz, als enthornten Tiere. Mit Horntieren muss also der Bestand verkleinert werden und die Kompensation erfolgt wieder durch Importe. Wer zudem einmal miterlebt hat, wie Kühe untereinander umgehen, sobald man ein neues Tier der Gruppe zufügt, der weiss, dass auch ohne Hörner bereits ziemlich viel gekämpft wird. Dass die Tiere zudem auf staatlichen Wunsch immer natürlicher und freier, sprich im Laufstall, gehalten werden sollen, durch den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Druck die Herden immer größer werden, heißt auch, dass der intim vertraute Kontakt zum Menschen verloren geht. So viel zum Argument, dass man seinen Tieren immer vertrauen könne und die Gefahr von Hörnern für Menschen nebensächlich sei.

Hörner wachsen im Übrigen nicht einfach so in die richtige Richtung, sie müssen mehrheitlich geformt werden. Ob dies um so vieles tierfreundlicher ist, wenn über mehrere Wochen ein „Jöchli“ die Hörner in eine Richtung zwängt. Wer eine Zahnspange hat, der weiß, was für Kräfte hier am Wirken sind. Zudem steht die Frage im Raum, ob genetisch hornlose Tiere unvollkommen sind, ob sie nicht kommunizieren können. Das bleibt eine offene Frage.

Interessant ist doch auch die Tatsache, wie hier wieder „naturnahe“ Zustände gefordert werden. Die Würde des Tieres wird aufgegriffen. Interessanterweise beschäftigt sich niemand damit, dass auch Hunde und Katzen eine Würde haben, ist es doch um einiges nachvollziehbarer, dass auch eine Kastration bzw. eine Sterilisation ein wesentlicher Eingriff in das Wesen eines Tieres ist! Oder auch Hunde an der Leine, Katzen ohne Auslauf… Da wäre eine umfassende und objektive Diskussion übers Thema „Tierwürde“ und was denn ein Tier in seinem Wesen ausmacht wünschenswert und nicht nur eine einseitige, auf Kosten der Landwirtschaft, in der anscheinend alle zu wissen glauben, wie man Tiere hält.

Sehr gut gemeint, aber dennoch nicht ganz spruchreif ist diese Initiative angelegt. Die Gesellschaft wird wiederum ihre Hände in Unschuld waschen, der Landwirtschaft einen Bären aufbinden und weiterhin auf Tierquälerische Produkte aus dem Ausland zurückgreifen. Es ist zu hoffen, dass wir endlich konsequent für das Tierwohl auf der ganzen Erdkugel aufmerksam machen, wo Tiere zu eng, in zu großer Anzahl gehalten, wo sie mit Medikamenten und mit Hormonen vollgestopft werden, wo sie bei Krankheit keine oder eine schlechte Behandlung erhalten, wo sie über lange Zeit eingepfercht transportiert werden. Hier fordere ich endlich mehr Aktivismus!

Samuel Patzen
05.11.18 - 02:42 Uhr
Leserbrief
Ort:
Scharans
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