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In der Hütte sind alle gleich

Sich auf die Gäste einlassen, egal ob der Gast ein Handwerker oder ein Nobelpreisträger ist, das sei ihnen das Wichtigste, sagen Claudia Drilling und Fridolin Vögeli. Es gebe keine Hierarchien oder Berührungsängste. Für einige ist das aber auch eine Herausforderung.

Südostschweiz
14.01.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Fridolin Vögeli und Claudia Drilling lieben ihr Leben als Hüttengastgeber in den Bergen.
Fridolin Vögeli und Claudia Drilling lieben ihr Leben als Hüttengastgeber in den Bergen.
BEATE PFEIFER

von Beate Pfeifer

Claudia Drilling und Fridolin Vögeli strahlen vor Energie und Lebensfreude. Und das, obwohl sie eigentlich müde und erschöpft sein müssten, denn sie sind erst vor wenigen Tagen nach Schwändi gezügelt. Und gerade angekommen, bereiten sie bereits wieder ihre Abreise zur höchstgelegenen SAC-Hütte in Graubünden vor. Die beiden bewirtschaften die Jenatschhütte und dies bereits im siebenten Jahr – ein Lebenstraum auf 2652 m ü. M., wie das Ehepaar betont.

Kennengelernt haben sich die beiden vor gut 20 Jahren. Claudia Drilling kommt aus Frankfurt am Main, hat Architektur studiert und anschliessend ihren ersten Job in einem Architekturbüro in Chur angenommen. Fridolin Vögeli ist gebürtiger Glarner und aufgewachsen in Ennenda. Er hat bei den Aroser Bergbahnen gearbeitet, am Ende in der Geschäftsleitung. Bei einem Auftrag an das Architekturbüro haben sich die beiden kennengelernt. «Es hat gepasst», sagt Fridolin Vögeli und lacht, «schliesslich haben wir am selben Tag Geburtstag.» Das sind aber bei Weitem nicht die einzigen Gemeinsamkeiten, die der Landmensch und die gebürtige Städterin haben. Ihre Grundwerte, wie Achtung vor der Natur und den Mitmenschen seien ebenfalls gleich. Und auch die Liebe zu den Bergen teilen sie. Deshalb haben sich die beiden irgendwann selbstständig gemacht und ihre erste Hütte bewirtschaftet, damals die Spitzmeilenhütte SAC. «Jetzt, die Jenatschhütte ist mein beruflicher Höhepunkt, auch wenn wir weniger verdienen als bei anderen Jobs», sagt Vögeli. Und, dass er auch bei seinen früheren Jobs Vollgas gegeben habe.

Der Steckbrief von Claudia Drilling.
Der Steckbrief von Claudia Drilling.

Sich auf die Gäste einlassen, egal ob der Gast ein Handwerker oder ein Nobelpreisträger ist, das sei ihnen das Wichtigste. Es gibt keine Hierarchien oder Berührungsängste. Auf der Hütte sind alle gleich.

Vögeli und Drilling verstehen sich als Hüttengastgeber, nicht als Hüttenwarte. «Uns ist es wichtig, dass der Gast merkt, er hat jetzt Zeit – und wir haben Zeit für den Gast», sagt Claudia Drilling. «Ich empfinde es als unsere Aufgabe, dem Gast zu ermöglichen, dass er zur Ruhe kommt.» Und das bewerkstelligen die beiden unter anderem mit einem recht einfachen, aber effektiven Mittel: Kein Gast bekommt das Passwort ihres W-Lans. Vögeli erklärt: «Viele, die zu uns kommen, leben in einer hektischen Welt, müssen immer erreichbar sein. Oft sind es Leute mit einem gewissen Grundeinkommen und den entsprechenden Jobs. Und die sind froh, wenn sie einmal – gezwungenermassen – nicht online sind.» Nach ein bis zwei Tagen würden sich die Gäste fühlen, als hätten sie ein bis zwei Wochen Urlaub gehabt. Auch wenn ein Gast sein Handy mit Strom füttern möchte, wartet auf ihn eine besondere Herausforderung, denn einfach an eine Steckdose klemmen geht nicht. «Wer sein Handy aufladen will, darf dafür eine halbe Stunde Küchendienst leisten», erklärt Claudia Drilling. Die Folge sei eine herrliche Ruhe und Entspanntheit auf dem Berg und gute Begegnungen in der Küche. Die rund 4000 Gäste pro Jahr kommen mit dieser Art der Entschleunigung gut klar. Schwieriger sei dies manchmal für junge Hüttenhilfen. Eine habe wegen der fehlenden Erreichbarkeit sogar die Hütte nach wenigen Tagen verlassen.

Die beiden Hüttengastgeber lieben ihre Tätigkeit, aber ein leichtes Leben ist die Bewirtschaftung einer Berghütte mit Platz für bis zu 75 Gäste nicht. 16 Stunden und mehr sind Claudia Drilling und Fridolin Vögeli täglich im Einsatz. Noch bevor die Gäste aufstehen, bereitet das Ehepaar Filterkaffee vor und richtet das Buffet mit selbst gebackenen Broten, frischem Birchermüesli und anderem mehr. Während des Frühstücks legen sie ständig nach, im Anschluss wird Büroarbeit erledigt, werden Fragen beantwortet und das Geschirr mit der Hand gespült. Dach müssen die Betten gemacht und die gesamte Hütte geputzt werden. Weiter gehts mit dem Mittagessen, Kuchen backen für den Nachmittagskaffee sowie den ersten Vorbereitungen fürs Abendessen. Zwischendurch treffen Gäste ein und alle werden persönlich begrüsst. Das Abendessen zieht sich oft bis nach 21 Uhr hin und danach beginnen bereits die ersten Vorbereitungen für den nächsten Morgen. Warum tun die beiden sich solch lange Arbeitstage und ein Leben ohne Luxus an? «Wir haben so viele schöne Begegnungen, haben tolle Menschen kennengelernt und Freunde gefunden. Wenn man merkt, dass der Gast zur Ruhe kommt, dann weiss man, wofür man das macht», sagt Claudia Drilling. «Und es ist schön, so reduziert zu leben. Ich brauche eigentlich nur den Fridli, um zufrieden zu sein – und ein paar soziale Kontakte.» Und Vögeli ergänzt: «Der Luxus ist doch, dass wir den Luxus haben, auf vieles zu verzichten.»

Der Steckbrief von Fridolin Vögeli.
Der Steckbrief von Fridolin Vögeli.

Dass die beiden mehr oder weniger Tag und Nacht zusammen sind, stört sie nicht. Die gleiche Grundeinstellung sei eben wichtig und dass man sich sagt, was man denkt. «Zwischendrin mal allein sein braucht es aber schon», so Vögeli. Er sei der «Aussenminister», das heisst zuständig für den Aussenbereich der Hütte, und er verbringe dann auch Zeit allein draussen, beim Lösen irgendwelcher technischer Probleme. Das passe ihm gut.

Die Ressourcen oberhalb der Baumgrenze auf der Jenatschhütte sind begrenzt. Die Hüttengastgeber haben gerade, dank einiger Spendengelder und einem Stück Eigenfinanzierung, neue Wasserleitungen verlegt und Fotovoltaik- und Solarzellen installiert. So sollen die Sonnenenergie genutzt, Brennholz gespart und in der Folge die Transportflüge mit Holz minimiert werden. Denn ein sinnvoller, haushälterischer Umgang mit Ressourcen ist den beiden wichtig. Das gilt auch für den Umgang mit Nahrungsmitteln. «Wir machen auf der Hütte aus allem noch etwas. Einmal haben wir ein Restebuffet zusammengestellt. Unsere Gäste waren hell begeistert», so Vögeli.

Das Leben auf der SAC-Hütte hat das Ehepaar verändert. So leben sie heute bewusster als früher. «Wenn ich sehe, wie manche Menschen mit sich selbst und der Umwelt umgehen und wie viele Leute ihre Wünsche im Materiellen ausleben, finde ich das schade», so Drilling. In der Natur sei man schnell ein Teil von allem. Man werde bodenständiger.

Sie hoffen, dass sie noch lange weitermachen können und vor allem gesund bleiben. Und sie haben die Hoffnung, dass auch junge Menschen zur Hütte hochkommen und die Natur dort oben geniessen lernen – ohne Handy, Social-Media-Kanäle und Co.

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Wir setzen uns evtl. in die Nesseln, denn an diese Hütte können wir kein Lob geben. Jedoch wissen wir von anderen Leuten welche diese Hütte meiden werden.
Da wurde über Gäste, welche sich verspätet haben, gemotzt und zugewartet. Dann, obwohl es hinlänglich bekannt sein sollte, dass Risotto ein Mahl ist, welches nicht gerne zu lange in der Pfanne verbleibt, wird die ganze Hüttencrew vor dem Nachtessen ausgiebig vorgestellt - natürlich vom Hauptdarsteller Fridolin. Und dann kommt es wie es muss: Ein trockener, fader Risotto liegt im Teller. Unsere Tischnachbarn - Italiener - nennen dieses Essen jedenfalls nicht Risotto... Den Nachtisch, ein Schälchen mit Milch und etwas Festem darin - haben wir 4 schlichtweg stehen gelassen.
Wir sind dankbar in Hütten sich an den Tisch setzten zu dürfen und nicht selbst kochen zu müssen. Doch wenn dann alleine Risotto aufgetischt wird so ist es nicht zuviel verlangt, wenn dieses Essen al dente und dazu nicht trocken wie auch fad auf den Teller kommt.
Selbst auf knapp 4600m haben wir prima Pasta gegessen - jedoch ohne vorherige Showeinlage! Und in keiner anderen Hütte in CH, I & F sind wir so zweifelhaft verköstigt worden.
Am nächsten Tag bei der Begleichung der Rechnung wurden wir gefragt, weshalb wir zur Jentsch-Hütte gekommen seien. Wie bitte???!

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