Das Aus für den Ausgang
Mara Schlumpf über den Kater Royale.
Mara Schlumpf über den Kater Royale.
«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.
Reden wir nicht länger um den heissen Brei herum. Was die Generation Y (also die Millennials wie mich und David) von der Generation Z (ergo Nicole) unterscheidet, ist, wie fit wir aktuell in Sachen Ausgang noch sind. Ich werde dieses Jahr 30. Und der Ausgang will seit ein paar Jahren gut geplant sein. Oder genauer gesagt, die Tage danach. Oh ja, Tage. Plural. Ein Tag reicht zum Erholen nicht mehr. Wenn ich am Freitagabend in den Ausgang gehe, bin ich ab Sonntagmittag wieder ansprechbar. An den Samstag erinnere ich mich dann kaum mehr. Ausser: an das Frühstück. Ein gediegenes Katerfrühstück ist ein Muss. Ohne geht gar nichts.
Früher war das anders. Ich erinnere mich noch gut, wie meine Freunde und ich, nachdem die Bar geschlossen war, mit dem Besitzer noch stundenlang am Tresen gesessen sind – unser eigenes Bier zapfen durften und drinnen geraucht haben. Dazu muss gesagt werden, dass im Aargau die Bars nicht schon gefühlt um 23 Uhr schliessen wie hier in Chur. Jedenfalls kam es hin und wieder vor, dass mich der Barbesitzer anschliessend direkt zur Arbeit gefahren hat. Kein Problem. Ein Red Bull und ein Gipfeli – und ich war wieder fit. Und natürlich ging es noch am gleichen Abend wieder in den Ausgang. Ich behaupte, es gab Wochen, in denen wir nie richtig nüchtern wurden.
Wenn ich heute zwei Gläser Wein zu schnell trinke, kriege ich am nächsten Morgen die Augen nicht auf. Schnaps – besonders dieser üble Kräuterschnaps in der grünen Flasche – ist ein Garant für einen Filmriss. Wann hat mein Körper begonnen, so ein «Partypooper» zu sein? Heute glühen meine Freundinnen und ich nicht mehr vor. Wir gehen vor dem Ausgang etwas essen. Zur Sicherheit. Wie langweilig!
Wo sind die Zeiten hin, an denen wir nächtelang durchgetanzt haben? Nach dem Konzert von Paul Kalkbrenner 2016 zeigte mein Schrittzähler 27 Kilometer an. 2022 – Paul war wieder in der Schweiz – waren es noch acht Kilometer. Und wir hatten ein Hotelzimmer in der Nähe, in welches wir uns anschliessend einen Döner bestellten, bevor wir komplett erschöpft ins Bett fielen. Wir hatten drei Dosen Aprikosenöl für trockene Lippen eingepackt. Aber keinen Haarspray. Noch schlimmer: Wir hatten Sitzplätze gebucht. Zwar mischten wir uns trotzdem unter die tanzenden Menschen bei den Stehplätzen – aber bei unserer Buchung stellten wir doch tatsächlich sicher, dass wir einen Platz zur Erholung zur Verfügung haben. An einem Technokonzert. Das ist doch krank. Nur gut, sassen wir während des Konzerts keine einzige Minute. Das gab mir schliesslich doch noch etwas Glaube an unsere Jugend zurück.
Auch Spontanität ist mir fremd geworden. Ich will meine Tage planen. Kurzfristig von diesen Plänen abzuweichen, widerstrebt mir. Das ist so schade. Die lustigsten Erinnerungen in meinem Kopf entstanden in spontanen Situationen. Seien wir ehrlich - keine tolle Anekdote beginnt mit «Wir hatten das und das schon lange geplant und dann haben wir es auch gemacht.»
Älter zu werden, frustriert mich manchmal echt. Mir graut davor, in den Ausgang zu gehen und die schrullige alte Frau zu sein, die glaubt, noch immer zwanzig zu sein. Da frage ich mich: Wie lange habe ich noch, bis es so weit ist?
Tief in meinem Inneren weiss ich aber auch, dass ich es mag, mir an einem Freitagabend mit meinem Mann irgendwelche Serien auf Netflix reinzuziehen und am Samstag frisch und munter aus dem Bett zu hüpfen. Wenn meine Freunde schreiben «treffen wir uns in 30 Minuten in der Bar?», liege ich meist schon im Pyjama auf der Couch – mit meinem aktuellen Lieblingsbuch. Mein Leben hat zwar massiv an Aufregung verloren – weniger schön ist es aber keineswegs. Es ist halt einfach anders.
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