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Auf den Hund gekommen

Treue braune Augen, glänzendes schwarzes Fell und 33 weisse Härchen an der Schwanzspitze: Das war Cheyenne, die wohl liebenswerteste Labradorhündin der Welt. Bis sie nicht mehr war.

Nicole
Nett
22.03.23 - 16:30 Uhr
Drama im Pyjama: Cheyenne war lange an meiner Seite. Doch es hätte noch länger sein können.
Drama im Pyjama: Cheyenne war lange an meiner Seite. Doch es hätte noch länger sein können.
Bild Sibilla Nett

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Es war ein warmer Frühlingstag im April 2005. Völlig aufgeregt sassen meine Familie und ich im alten Mazda – Mutter mit einer Landkarte in der Hand, Vater am Steuer. Es ging in Richtung Luzern, zu einer Hündin, die wir vorher nur in einem «Tierwelt»-Magazin gesehen hatten. 

Dort angekommen, sahen wir sie also erstmals live: Cheyenne. Ihre Besitzerin, eine ältere Frau, war damals vor kurzer Zeit verstorben. Dringend brauchte der zweijährige Fellknäuel ein neues Zuhause. Der Fall war für uns schnell klar: Ja, wir wollen sie haben – am besten sofort! Denn wir alle haben uns in die Hundedame verliebt. Und sie sich offenbar auch in uns: So sprang sie in unseren Kofferraum, als ob sie das die letzten Jahre nie anders gemacht hätte.

Zu Hause angekommen, durften wir sie endlich richtig kennenlernen. Ich war damals in der dritten Klasse und hatte davor stets höllische Angst vor Hunden und ihrem Gebell. Doch Cheyennes lieblicher Charakter kam immer wieder zum Vorschein und nahm mir schnell die Angst. So verbrachten wir Stunden, Tage und gar Jahre gemeinsam. Sie wurde fester Bestandteil unserer Familie und gehörte vier Jahre lang zu unserem menschlichen «Rudel».

Morgenritual: Jeden Tag besuchte ich Cheyenne in ihrem «Chörbli», streichelte sie und wünschte ihr einen schönen Tag.
Morgenritual: Jeden Tag besuchte ich Cheyenne in ihrem «Chörbli», streichelte sie und wünschte ihr einen schönen Tag.
Bild Sibilla Nett

Vier Jahre klingt nicht nur nach wenig – ist es auch, leider. Da Cheyenne viel humpelte, musste ihr Kreuzband operiert werden. Lange Zeit haben wir sie aufgepäppelt, zwölf Wochen an der Leine geführt und sie mit Schmerzmitteln gefüttert. Später stolzierte die tapfere Kämpferin wieder wie ein junges Reh durch die Landschaft. Das ging einige Monate so weiter, und wir freuten uns riesig für sie. Doch kurze Zeit später passierte bereits das nächste Unglück: Eine Untersuchung am Hals ergab, dass Cheyenne Lymphdrüsenkrebs hat. Ab diesem Tag folgten viele sehr, sehr traurige Tage.

Wir mussten zusehen, wie die sonst aktive und aufgestellte Familienhündin immer schwächer und schwächer wurde. Es vergingen einige Wochen, bis Cheyenne einfach nicht mehr konnte. Ich kann mich noch gut an unseren letzten gemeinsamen Spaziergang erinnern. Es war kein langer Spaziergang, wir legten vielleicht 300 Meter zurück. Dann blieb Cheyenne einfach stehen, ging weder vor noch zurück und wollte nur noch nach Hause. Obwohl ich damals noch ein Kind war, sammelte ich all meine Kräfte und trug die siebenjährige Cheyenne zurück.

Wenige Tage später kam der Moment, vor dem wir uns lange gefürchtet hatten. Der Krebs siegte über die tapfere Dame. Cheyenne lag nur noch hechelnd da, konnte kaum mehr aufstehen und hatte hohes Fieber. Dann bekam sie die Spritze, die ihre braunen Augen für immer schloss, ihr Kämpferherz zum Stillstand brachte und sie von ihrem schrecklichen Leiden erlöste. Glücklicherweise konnten wir uns noch von ihr verabschieden, bevor sie ihre Reise über die Regenbogenbrücke antrat.

Musstet ihr euch schon einmal von einem geliebten Haustier verabschieden?

Auswahlmöglichkeiten

Alles, was mir und meiner Familie heute bleibt, ist die Erinnerung. Auch wenn das Ereignis schon viele Jahre zurückliegt, denke ich noch heute gerne an Cheyenne zurück. Etwa an ihre spektakuläre Mäusejagd. Sie konnte stundenlang buddeln, um später mit einer dreckigen Nase plus vielleicht einer Maus wieder zurückzukommen. Oder etwa daran, wie schreckhaft sie war: Gewitter, aber auch Knallgeräusche, waren für sie der Horror. Ich war dann für sie da, wenn sie sich fürchtete. Ich hatte mich schliesslich am Anfang auch vor Hunden gefürchtet, und sie konnte mir diese Angst nehmen. Am meisten aber bleibt mir Cheyennes Gutmütigkeit in Erinnerung. War ich mal krank, spielte sie auch krank und lag die ganze Zeit bei mir. War ich aus irgendwelchen Gründen mies gelaunt, war die Labradorhündin garantiert an meiner Seite und leckte meine Hand ab. Gab es mal ein Familientreffen oder die legendäre Weinlese, war Cheyenne der Star – denn sie konnte einfach mit jeder und jedem umgehen. Bekam sie zwischendurch ein Leckerli, war ihr Tag perfekt.

Hier ein paar weitere Eindrücke von Cheyenne:

Immer dabei: Cheyenne möchte eigentlich den Stock, ich dafür das leckere Schlangenbrot.
Immer dabei: Cheyenne möchte eigentlich den Stock, ich dafür das leckere Schlangenbrot.
Bild Luzi Nett
Lächeln oder Zunge rausstrecken: Cheyenne war stets gerne auf dem Maiensäss mit ihrem menschlichen «Rudel».
Lächeln oder Zunge rausstrecken: Cheyenne war stets gerne auf dem Maiensäss mit ihrem menschlichen «Rudel».
Bild Luzi Nett
Mitten im Schneegestöber: Bei einer Schneeballschlacht durfte Cheyenne keinesfalls fehlen.
Mitten im Schneegestöber: Bei einer Schneeballschlacht durfte Cheyenne keinesfalls fehlen.
Bild Sibilla Nett

Ich bin dankbar für all die Momente, die ich mit Cheyenne verbringen durfte. Diese Endgültigkeit hat mir schon damals gezeigt, dass man jede Sekunde mit den geliebten Mitmenschen oder Haustieren geniessen sollte, auch wenn der Alltag oft hektisch und das Leben kein Ponyhof ist. Irgendwann wird es zu spät sein für gemeinsame Erlebnisse, sagenhafte Gespräche oder verrückte Ideen. Plötzlich werden die Streicheleinheiten fehlen, das laute Bellen verstummen und das «Chörbli» leer sein. Genau dann ist es schön, wenn die Zeit davor so richtig genossen und zelebriert wurde. In dem Sinne: Geniesst das Leben – denn das Leben ist jetzt!

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