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Ein Besuch bei der Hilti Gruppe

Supply Chain Management: Die Studierenden der Digital Supply Chain Management Studienrichtung werfen zum Abschluss des ersten Semesters einen Blick hinter die Kulissen der Hilti Gruppe in Schaan.

Fachhochschule
Graubünden
22.02.23 - 10:09 Uhr
Pressebild

An der Fachhochschule Graubünden wird ausgebildet und geforscht. Über 2000 Studierende besuchen Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengänge. In diesem Blog geben Studierende, Dozierende und Mitarbeitende Einblicke in den Hochschulalltag und in Themen, welche sie gerade beschäftigen.

Supply Chain Management: Die Studierenden der Digital Supply Chain Management Studienrichtung werfen zum Abschluss des ersten Semesters einen Blick hinter die Kulissen der Hilti Gruppe in Schaan. Wir lernen, wie sich Hilti durch eine einzigartige Distributionsstrategie abhebt, wie das Unternehmen Nachhaltigkeit und Digitalisierung verbindet und tauschen uns mit Vertretern des Weltkonzerns aus. Begleitet werden wir dabei von Supply Chain Managern der Medmix AG und Georg Fischer Piping Systems, die die Möglichkeit nutzen, sich ebenfalls mit Hilti auszutauschen und voneinander zu lernen.

«Ihr gehört zu den ersten, die unsere neue Unternehmensstrategie sehen», sagt Markus Katzenmayer der uns am Morgen am Hilti Hauptsitz begrüsst. Als Human Resources Business Partner von Hilti und Absolvent des Executive MBAs der FH Graubünden, führt er uns durch einen lehrreichen Tag, an dem wir nicht nur herausfinden, wieso die Werkzeuge von Hilti auf Baustellen auf der ganzen Welt als Statussymbole gelten. Wir lernen auch, wie das Unternehmen sein Geschäftsmodell transformiert hat und in täglich 280'000 Kundenkontakten nicht mehr «nur» die bekannten roten Bohrmaschinen und viele weitere Produkte verkauft, sondern neu auch Lösungen für Kunden entwickelt, damit diese keine Geräte kaufen müssen, sondern über eine von Hilti gesteuerte und IoT-basierte Fleet Management Dienstleistung bereits jährlich mehr als eine Million Geräte nur noch vermietet werden.  

Dadurch entstehen besondere Anforderungen an das Supply Chain Management bei Hilti – von der Produktentwicklung und der Produktion angefangen, bis zum Einkauf und dem weltweiten Transport.

Digitalisierung der Produktion

In Schaan werden Strategien und Produkte entwickelt und die Supply Chain Prozesse global gesteuert. Innerhalb des Produktionsverbunds von Hilti ist Schaan aber auch ein wichtiger Standort, an dem nicht nur Produkte hergestellt, aber auch neue Produktionsverfahren erprobt werden. Pascal Jud, Plant Manager des Werks Schaan erklärt uns, wie die Produktionsstandorte in Europa, Asien und Nordamerika zusammenhängen und wie die Innovation bei Hilti nicht nur auf Produkte bezogen ist, sondern auch die Produktionsprozesse ständig weiterentwickelt werden. Nicht ohne Grund hat die TU Berlin die Prozessinnovation von Hilti mit einem Manufacturing Excellence Award ausgezeichnet. Die Umstellung auf ein voll integriertes Manufacturing Execution System (MES) dürfen wir an dieser Stelle ebenfalls erwähnen. Auf dem Rundgang durch das Werk durften wir weitere sehr interessante und beeindruckende Projekte und Lösungen sehen.

Wo ist das Supply Chain Management bei Hilti angesiedelt

Das Supply Chain Management umfasst alle wertschöpfenden Prozesse eines Unternehmens. Da das eine recht grosse Palette an Aufgaben mit sich bringt, ist in vielen Unternehmen das Supply Chain Management auch in verschiedenen Einheiten angesiedelt. Mit einer Landkarte des Hilti Supply Chain Managements schliesst Rüdiger Kübler, der weltweit für die Warenwirtschaft bei Hilti verantwortlich ist, den Vormittag. Von zwei Mitgliedern der Konzernleitung, über die Geschäftseinheiten und einer dedizierten Supply Chain Geschäftseinheit geht die Organisation weiter bis zu den Regionen und Ländergesellschaften. Um diese vielen Fäden zusammenzuhalten und sicherzustellen, dass alle Aktivitäten – vom Einkauf über die Produktion bis zum Transport – auf die Bedürfnisse der Kundschaft abgestimmt sind.

Dafür ist die Prognose des Kundenbedarfs sehr wichtig, denn nur wenn Hilti vorhersagen kann, wo welches Produkt in welcher Menge in Zukunft benötigt wird, können die richtigen Mengen der passenden Waren eingekauft, produziert und transportiert werden. Bei dieser Aufgabe des Supply Chain Plannings gehört Hilti zu den absoluten Spitzenunternehmen und wird 2023 den höchsten Reifegrad in einem Bewertungsmodell erreichen, wie Rüdiger Kübler ausführt. Den Weg, wie Hilti diese Stufe erreicht, erklärt uns Jan Busch, der als Global Process Manager für das Planning weltweit verantwortlich ist.

Nachhaltigkeit: nur ein Marketing-Instrument oder Realität?

Von Nachhaltigkeit sprechen heute fast alle Unternehmen. Wie steht es mit dem Thema aber bei der Hilti Gruppe? Peter Rupp ist Head of Sustainability der Hilti Gruppe und nimmt sich die Zeit, mit uns das Thema zu besprechen. Seine Eröffnung der Diskussion ist direkt: «Was wollt ihr über Nachhaltigkeit bei Hilti wissen?» - und die erste Frage aus unserer Gruppe ist auch sehr direkt: «Ist Nachhaltigkeit bei Hilti nur Greenwashing?». Dass die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei Hilti nicht nur bis zur Hochglanz-Broschüre geht, sondern in der Kultur, im Geschäftsmodell und im beruflichen Alltag integriert ist, lernen wir während der anschliessenden Diskussion. Hilti ist trotz der Grösse des Unternehmens weiter im Besitz der Gründerfamilie und versteht Nachhaltigkeit als das Zusammenspiel von Menschen, der Gesellschaft und der Umwelt.

Als Teil der Mission von Hilti «Make Construction Better», will Hilti die Transformation der Baubranche von einem linearen System hin zur Kreislaufwirtschaft anführen. Dabei spielen Supply Chain Prozesse eine zentrale Rolle: bei der Produktentwicklung und dem Einkauf von Rohmaterial beginnt die Entscheidung eines Unternehmens für Nachhaltigkeit. Für Hilti ist der Einkauf von recyceltem oder regenerierten Rohstoffen wichtig, da dies einen grossen Einfluss auf die Nachhaltigkeit einer Supply Chain hat. Bei den Gestaltungen von Produkten achtet Hilti darauf, diese so zu designen, dass sie über mehrere Lebenszyklen hinweg genutzt werden können, z.B. durch Wiederverwendung der Produkte, deren Ersatzteile oder umfassendem Recycling. Bei der Produktion der Produkte werden grosse Mengen an Energie verbraucht, Ressourcen eingesetzt und Abfälle produziert. Hilti arbeitet aktiv daran, die Menge an Abfällen zu minimieren und die Effizienz in der Produktion zu steigern. Nicht zuletzt durch die besseren Informationen, die dank der Digitalisierung schneller zur Verfügung stehen. Auch bei der Nutzungsphase der Produkte hat sich Hilti der Nachhaltigkeit verschrieben und sein Geschäftsmodell grundlegend verändert. Mit Dienstleistungen wie dem oben erwähnten Fleet Management oder dem Tool Management kaufen Kunden keine Geräte mehr von Hilti sondern nutzen diese, wenn sie diese benötigen. Wenn die Geräte von einem Kunden nicht gebraucht werden, können diese bei anderen Firmen eingesetzt werden. Am Ende der Nutzungsphase des Produkts sorgt Hilti dann dafür, dass die Geräte zurückgenommen werden und entweder aufgewertet, in Einzelteile zerlegt und wiederverwendet oder an NGOs oder Lehrstätten gespendet werden. Dadurch wird es möglich, den Kreislauf zu schliessen und den Verbrauch von wertvollen natürlichen Ressourcen bewusster zu gestalten.

Daneben stellt Hilti zur Zeit auch seine Fahrzeugflotte mit über 16'000 Autos auf Elektrofahrzeuge um und bietet den Mitarbeitenden in Schaan die Möglichkeit, kostenlos ihre eigenen Elektroautos aufzuladen. Das ist möglich, da Hilti die zwei grössten Photovoltaikanlagen des Landes gebaut hat. Wie der Transport bei Hilti umfassend durch Digitalisierung nachhaltiger gemacht wird, haben wir weiter unten beschrieben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können übrigens auch einen Teil ihrer Arbeitszeit für soziale Projekte investieren, zum Beispiel beim Bau von Häusern in Krisenregionen, bei der Mitarbeit in Behindertenwerkstätten oder der Pflege von Wäldern.

Damit Nachhaltigkeit möglich wird, müssen zuerst alle Akteure verstehen, welche Auswirkungen die wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Umwelt und Gesellschaft haben. Hilti gehört hier zu den weltweit führenden Unternehmen. Bei der Messung von Treibhausgasemissionen analysiert das Unternehmen nicht nur, was Hilti selbst verursacht, sondern die Auswirkungen der gesamten Supply Chain, vom Rohstoff bis zur Kundschaft entlang des gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte. Bis Ende 2023 will Hilti selbst in den eigenen Betrieben (Scope 1 und 2) CO2-neutral werden und darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag leisten, die gesamte Supply Chain bis 2030 deutlich zu verringern und 2050 das Netto-Null Ziel (Scope 1, 2 und 3) zu erreichen. Dafür hat sich das Unternehmen im Dezember 2022 zur Science Based Target Initiative (SBTi) verpflichtet, mit der die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht werden sollen.

Dafür plant Hilti in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen bis eine Milliarde Franken zu investieren und zeigt damit, dass Nachhaltigkeit für das Unternehmen kein Marketing-Slogan sondern gelebte Realität ist!

Transporte nachhaltiger und effizienter gestalten

Was wir schon über das Semester hinweg immer wieder gehört haben, ist, dass in einer digitalen Supply Chain Warenflüsse durch Informationsflüsse ersetzt werden. Durch die bessere Planung von Transporten können Lieferungen konsolidiert werden und so fallen weniger LKW-Fahrten, Schiffstransporte oder Bahn- und Flugbewegungen an.

Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Portemonnaie – aber wie kann das ein Unternehmen wie Hilti machen, dass Warenbewegungen koordinieren muss zwischen

  • 14 Fabriken
  • 6 globalen Nachschub-Lagerhäusern,
  • 8 regionalen Verteilzentralen,
  • 90 zentralen Lagerhäusern
  • und einer Vielzahl von Hilti Stores und Kunden-Standorten

die auf der ganzen Welt verteilt sind? Und um das Ganze noch komplexer zu machen, koordiniert Hilti auch den Transport der Mehrheit von Waren, die sie von Lieferanten einkaufen.

Die 7-R der Logistik (das richtige Produkt, in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität, zur richtigen Zeit, zum richtigen Preis, an den richtigen Kunden und den richtigen Ort) bewegen – und dass alles nachhaltig und kosteneffizient - will Hilti mit dem Projekt MOVE! erreichen.

Ralph Gut erklärt uns als Projektleiter wie komplex die Datenstrukturen sind, die über mehrere IT-Systeme zusammenspielen müssen, damit das neue Transportation Management System (TMS) die gewünschten Vorteile bietet:

  • Echtzeitüberwachung von Transporten und Ereignissen
  • Dynamische Netzwerkplanung und KI-basierte Vorschläge zur Zusammenführung von Transporten
  • Optimierte Auswahl von Verpackungen, Transportmitteln und Dienstleistern
  • Automatisierte Verarbeitung der Prozesse, bis hin zur Bezahlung der Transporte

Zu sehen, wie alle Themen unseres Studiums in diesem Projekt zusammenkommen war für uns spannend zu sehen: Supply Chain Prozesse digitalisieren, Daten und Technologien nutzen und Veränderungen in Organisationen umsetzen, um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.

Karriere bei Hilti

Zum Abschluss des intensiven Tages dürfen wir die Einstiegsmöglichkeiten bei Hilti kennenlernen. Spannend war für uns besonders auch der Einblick in das Hilti Internship Program. In diesem kann über einen Zeitraum von drei bis zwölf Monaten eine strategisches Projekt in einer Abteilung des Unternehmens bearbeitet werden und auf Wunsch auch mit der Bachelor Thesis verknüpft werden – und das in einem internationalen Team: die aktuell 80 Praktikantinnen und Praktikanten bei Hilti in Schaan kommen aus 27 Ländern und bekommen neben der Arbeit selbst ein Coaching und nehmen an I3 Workshops («Innovation & Improvement by Interns») teil, wo sie interdisziplinäre Challenges bearbeiten.

Hilti ist der Weltmarktführer für Komplettlösungen für die gesamte Wertschöpfungskette der Baubranche mit Hauptsitz in Schaan. Ein Team von rund 32'000 Mitarbeitenden ist in 120 Ländern für das Unternehmen tätig, um Bautätigkeiten einfacher, schneller und sicherer zu machen. Als Weltmarktführer bietet Hilti eine vielfältige Auswahl an Produkten, Systemlösungen, Software und Dienstleistungen um den Bereich von Werkzeugen und Befestigungslösungen an.

Das Familienunternehmen ist im Besitz der Martin Hilti Family Foundation und wurde 1941 gegründet. Weltweite Bekanntheit erlangte das Unternehmen mit der Erfindung des ersten elektro-pneumatischen Bohrhammers in 1967. Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Hilti Gruppe einen Umsatz von 6,3 Milliarden Franken. Die Kernwerte des Unternehmens sind Integrität, Mut, Teamarbeit und Engagement. Durch den intensiven Kundenkontakt vor Ort fliessen Kundenbedürfnisse direkt in Forschungs- und Entwicklungsprojekte ein, in die das Unternehmen sechs Prozent seines Jahresumsatzes investiert.

Dieser Beitrag wurde von Armir Quehaja erstellt. Er studiert berufsbegleitend Digital Supply Chain Management an der Fachhochschule Graubünden und arbeitet als Junior Project Manager Supply Chain bei Georg Fischer Piping Systems.

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