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Meine hübsche Polizistin

Jérôme
Stern
08.05.17 - 13:56 Uhr
Ärger verfolgen: Für Südostschweiz-Redaktor Jérôme Stern werden die Strafzettel plötzlich zweitrangig.
Ärger verfolgen: Für Südostschweiz-Redaktor Jérôme Stern werden die Strafzettel plötzlich zweitrangig.
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In regelmässigen Abständen schreibt ein Redaktor der Zeitung «Südostschweiz», Ausgabe Gaster-See, ein paar persönliche Zeilen zu einem Thema, dass ihn gerade beschäftigt. Erhaltet hier einen kleinen Einblick in die Welt der Menschen hinter den Artiklen, die Ihr täglich lest.

Ich unterstütze Rapperswil-Jona regelmässig mit namhaften Geldbeträgen. Wie das? Nun, es begann mit meinem ersten Arbeitstag in der Redaktion, genauer mit dem Arbeitsweg: Sollte ich als Auswärtiger per Bahn anreisen – oder das eigene Auto benutzen? Ich wollte das Auto nehmen. Aber wo parkieren? Zwar gibt es diverse Parkhäuser, aber exorbitant teuer.

Meinen kargen Journalistenlohn für Parkgebühren auszugeben, kam nicht infrage. Also versuchte ich es mit den Parkfeldern, die waren günstiger. Natürlich versenkte ich stets brav meinen Obolus im Automaten. War es mal zu wenig, gab es keine Busse. Super, sagte ich mir und begann zu pokern: Ich bezahlte fortan immer weniger – trotz gleichbleibender Parkzeit. Das realisierte ein Hüter des Gesetzes, und bald häuften sich meine Bussen. Pro Woche bezahlte ich locker über 100 Franken für selbige. Ich musste umdenken, doch der unbekannte Polizist behielt mein Auto im Visier: Eine Überzeit von wenigen Minuten reichte, um eine Busse zu kassieren.

So blieben meine Parkspesen weiterhin in astronomischer Höhe. Und dass die Stadt zur gleichen Zeit plante, die Steuern zu senken, überraschte mich nicht. Schliesslich  unterstützte ich die Stadtkasse regelmässig – wenn auch unfreiwillig. Wieder musste ich meine Taktik ändern. Ich wurde Bahnbenutzer. Leider haben die SBB und ich ein Problem: Wenn ich auf den Zug warte, hat der Verspätung. Nicht immer, aber oft. «Fahrleitungsstörung», heisst es dann. Und wenn ich für ein Interview zum Atzmännig muss, geht das mit dem Auto ohne vorgängige Planung viel schneller. So dauerte meine ÖV-Karriere knapp zwei Wochen.

Wieder mit dem Auto unterwegs, kamen auch die Bussen wieder. Ich bezahlte nun sicherheitshalber immer zu viel. Und ich wunderte mich, wer der Polizist sein könnte. Die Frage wurde eines Abends gelöst. Ich kam von einem Konzertbesuch zurück, hatte die Parkzeit um ein, zwei Minuten überzogen. Eine hübsche Polizistin stand stirnrunzelnd bei meinem Fahrzeug. Sie könne mich wegen dieser Lappalie doch nicht büssen, rief ich ihr zu. «Wegen ein paar Minuten gibts doch keine Busse», sagte sie charmant. Ich freute mich, endlich das Gesicht meiner Verfolgerin zu sehen. Auch sie freute sich. Für eine Sekunde musterten wir uns genau.

 

Kontaktieren Sie unseren Redaktor: jerome.stern@somedia.ch

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