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Den Journalisten ein Ei gelegt

Sibylle
Speiser
24.04.17 - 14:06 Uhr
Zeitungen
Marco Hartmann

In regelmässigen Abständen schreibt ein Redaktor der Zeitung «Südostschweiz», Ausgabe Gaster-See, ein paar persönliche Zeilen zu einem Thema, dass ihn gerade beschäftigt. Erhaltet hier einen kleinen Einblick in die Welt der Menschen hinter den Artiklen, die Ihr täglich lest.

Die Gewerkschaften haben es sicher gut gemeint, als sie auf der Arbeitszeiterfassung für die schreibende Zunft beharrten. Um den vielen Überstunden vorzubeugen. Denn Journalisten arbeiten zu viel. Das ist so ähnlich wie etwa bei den Ärzten. Die arbeiten auch so lange,wie sie gebraucht werden – und schliessen nicht um 17 Uhr die Tür ihrer Praxis hinter sich oder jene des Operationssaals oder verlassen den Unfallort, nur weil es 17 Uhr ist. Redaktorinnen und Redaktoren, die zu 100 Prozent angestellt sind, arbeiten meist 120 – jene, die zu 80 Prozent angestellt sind, meist 100 und so fort. Das wissen meine Kollegen, meine Kolleginnen und ich. Dennoch haben wir uns für diesen Beruf entschieden und nicht für einen, nach dem man die Uhr richten kann.

 

Messbar ist bei uns das Produkt: die Zeitung für den nächsten Tag oder die fertige Geschichte. Die Zeit, die wir dafür aufwenden, ist nicht messbar. Denn die hängt jeweils von verschiedensten Umständen ab: wie lange man zum Recherchieren braucht, für das Gespräch mit Leuten, für das Fotografieren, und wie lange man schliesslich dazu braucht, um die richtigen Worte zu finden, damit aus dem Ganzen eine gute Geschichte wird. Oder wie lange man braucht, bis die Zeitung für den nächsten Tag Seite für Seite gut aussieht und alle Beiträge inhaltlich gut rüberkommen, samt der Titel. Dennoch ereilt uns jetzt demnächst die Stempeluhr. Weil der Bundesrat den Gewerkschaften nachgegeben und das Arbeitsgesetz entsprechend angepasst hat. Wir sind darüber hier in unserer Schreibstube nicht gerade begeistert.

 

Denn die Überstunden werden bleiben – oder möchten Sie am nächsten Tag eine halbfertige Zeitung in der Hand halten, weil wir aus arbeitszeitlichen Gründen unser Werk nicht vollenden konnten? Aber die kreativen Wege zum Ziel werden eingeschränkt. Sich zwei Stunden an einen Stammtisch zu setzen und zuzuhören, wo die Leute der Schuh drückt, davon will eine Stempeluhr nichts wissen. Und auch nichts davon, dass einem die zündende Idee für die nächsten Zeilen während der Pause draussen an der frischen Luft kommt – und nicht drinnen vor dem Bildschirm.

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