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Tourist Office

Christian
Ruch
23.12.17 - 10:00 Uhr
PIXABAY

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

Sarah träumte von einer Karriere im Tourismus. Ihr grösster Wunsch war es, in einer schicken Uniform an der Rezeption des «Caesar’s Palace» zu stehen. Das war damals Jerusalems grösstes Luxushotel, in dem vor allem reiche Römer logierten. Doch noch war sie «Gästeberaterin» bei Destination Bethlehem und fand diesen Job gerade mal wieder einfach nur furchtbar. Ein junges Paar stand vor ihr, er ungefähr 25, sie wohl keine 18, aber hochschwanger. Sie suchten ein Doppelzimmer. «Oh mein Gott, Galiläer», dachte Sarah, wie sie den Mann sprechen hörte. «Wahrscheinlich aus Nazareth oder sonst so einem elenden Kaff da oben.» Also knipste Sarah ihr falschestes Lächeln an und sagte, wegen der Volkszählung werde das schwierig. Im Buchungssystem sah sie, dass das «Bethlehem Plaza» noch ein Zimmer frei hatte. Aber das war ein Vier-Sterne-Hotel. Das konnten sich diese armen Schlucker sicher nicht leisten. Und wenn der Frau die Fruchtblase platzen sollte, gäbe das auf den edlen Teppichen des «Bethlehem Plaza» eine riesige Sauerei und sie, Sarah, würde Stress mit dem Hotelbesitzer bekommen. Also sagte sie: «Es tut mir leid, in ganz Bethlehem gibt es kein freies Zimmer mehr.» – «Oh», sagte der Mann und wurde bleich. Sarah sah das Mädchen an und schämte sich. Sie wollte die zwei nur noch loswerden. Da hatte sie eine Idee. «Hier», sagte sie und zog einen vergilbten Flyer unter dem Tresen hervor. «Schlafen im Stroh wie Ochs und Esel, unser Super-Angebot für naturnahe Ferien im Stall! Zwar null Sterne, aber super günstig und seeeehr romantisch.» – «Na gut», sagte der Mann, «dann nehmen wir halt das.» – «Wunderbar», meinte Sarah, «ich ruf den Stallbesitzer gleich an und sag ihm, dass Sie kommen!»

Als Sarah an diesem Abend das Tourist Office zuschloss und nach Hause ging, sah sie am Himmel einen hellen Stern, der ihr noch nie aufgefallen war. Plötzlich dachte sie wieder an das schwangere Mädchen. Irgendetwas war anders als sonst. Aber Sarah wusste nicht was. Und sie sollte es auch nie erfahren.

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