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Weihnachtsträume

22.12.18 - 04:30 Uhr
PIXABAY
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In dieser Kolumne von Pesche Lebrument gehts um nichts Besonderes. Einfach Leben.

Weihnachtsbäume und Kinderträume wohnen hinter Fenstern. Ich seh sie von der Strasse aus. Bald ist Heiligabend.

Ich läute an der Wohnungstüre, Geschenke im Gepäck. Die Gastgeberin grüsst und giftelt: «Miar händ doch gsait, miar schenkend üs nüt.» Mit Ausnahme der Geschenke für die Kinder und die Gastgeber, rechtfertige ich mich und überreiche ihr das Geschenk. Sie runzelt die Stirn und bittet mich hinein. Glücklicherweise gibt‘s Gastgebergeschenke an Tankstellen.

Hoffentlich gibt’s Fleischfondue. Im Vorjahr gab’s nirgends Fleischfondue, weil es in den Vorjahren zu viel Fleischfondue gab.

Weihnachtsbäume verwandeln Wohnzimmer in wunderliche Welten mit Couchgarnitur. Den Feiertagen voraus ging die alljährliche Diskussion und Koordination, wer bei wem feiert und wie man mit jenen feiert, die nicht miteinander feiern. Geschiedene, Zerstrittene, alle gehören mit zur Familie.

Gemeinsames Gegenübersitzen zwischen Gipsengeln und Glitzersternen. Die Tischordnung ist Abbild familiärer Nähe. Erst nach dem Anstossen kommen die Gespräche in Gang, bald führt der Wein die Konversation. Wie glücklich ist das Gastgeberpärchen, es kann jederzeit in der Küche verschwinden.  Schade gibt’s kein Fleischfondue.

Sie packt ihr Instrument aus, immer spielt sie an Weihnachten. Wie immer weigert sich ihr Kind, sie zu begleiten, trotz jahrelangem Musikunterricht. Ihr Mann singt aus vollem Hals. Alle übrigen leihen ihre schwachen Stimmen den wenigen Versen, die sie kennen: «Gna-den-brin-gen-de Weih-nachts-zeit.»

Ich starre in den erleuchteten Weihnachtsbaum wie damals. Mein kleiner Neffe reisst das Geschenk eines anderen auf. Er freut sich, als wäre es seins. Für besitzlose Kinder haben Geschenke einen realen Wert. Mein Neffe schenkt mir eine handbemalte Klorolle mit lustiger Schnur-Frisur.

Zwischen zerrissenem Geschenkpapier helfen Väter auf allen Vieren die zahllosen Geschenke zusammenzubauen: «Hät’s aswo an Krüzschrubazücher? »; «hät ächt d’Tankstell no offa, i bruch no Batteria». Von der Couchgarnitur aus halten Handys die verstreuten Fröhlichkeiten fest.

Schlemmen macht schlaff, ich sitze satt im Sessel. Meine Tischnachbarin liest Mails. Der Familienälteste schläft abseits mit offener Hose.

 Die ersten gehen früh, erwähnen, wie schön doch alles war. Andere betrinken sich bis zur Besinnlichkeit. Ich mach mich auf den Weg. Morgen ist die andere Familienfeier. Hoffentlich gibt‘s Fleischfondue.

Weihnachtsbäume und Kinderträume wohnen hinter Fenstern. Ich seh sie von der Strasse aus. Bald ist Heiligabend.

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