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Kopfwelt

25.11.18 - 04:30 Uhr
PIXABAY

In dieser Kolumne von Pesche Lebrument gehts um nichts Besonderes. Einfach Leben.

Weit weg im Wagen. Das Autoradio ist mein Beifahrer. Die Landschaft rast auf mich zu, die Musik setzt sie in Stimmung. Plötzlich zerreisst ein pompöses Nachrichtensignet die Melodie. Der Sprecher verliest die Meldungen in getragenem Ton. Irgendetwas ist explodiert, ich hab nicht richtig zugehört. Ich bremse, der Verkehr staut sich vor der Landesgrenze. Ich rolle zum Zöllner, gleichgültig winkt er mich weiter. 

Die ausländische Autobahn macht Tempo, doch die Tankanzeige warnt in grellem Rot. Bald geht mir der Sprit aus.

Tankstelle, Benzinschwaden, Zahlen wirbeln an Zapfsäulen. Warum nur dreht sich die Anzeige des Preises immer so viel schneller als die des Benzins? Bleifrei rauscht durch den Schlauch und überholt meine Gedanken. Mit der Zapfpistole in der Hand lese ich die Zeitungsschlagzeile auf dem Plakat beim Eingang: «Anschlag auf Altersheim» Wirklich? Wann? Wo? Ich kneife meine Lider zusammen und lese erneut: «Altersheim am Anschlag» Liegt es an den Benzindämpfen, dass sich die Buchstaben vertauschten?

Hinter Kunden an der Kasse überfliege ich die Schlagzeilen auf den aufgelegten Zeitschriften: «Der Urlaub der Royals», «Tränen trotz Baby», «Zoff ums Erbe».  Über dem Kopf der Kassiererin hängen Bildschirme. Darauf verkündet eine endlose Laufschrift Nachrichtenmeldungen.  

Die Kassiererin präsentiert mir die Rechnung. Wann sind die Benzinpreise eigentlich derart explodiert?

Weiterfahrt, Motor und Musik laufen. Nach wenigen Kilometern weicht die Musik den Nachrichten. Ausgewähltes Weltgeschehen, die meisten Meldungen haben mit mir und meinem Leben nichts zu tun. Interessantes liegt neben Meldungsmüll. Schon steckt alles in meinem Kopf.

Die Zeitung zum Frühstück, das Radio zu Mittag, der Fernseher am Abend, schon lange ordnen Nachrichten nicht mehr meinen Alltag. Mittlerweile ziehen sie wie endlos strömende Mittelleitlinien an mir vorbei. Oft jage ich sie selbst im Netz. Nie weiss ich, worauf ich stosse.

Mein kleiner Neffe weiss nichts von der Nachrichtenwelt, in der ich mich aufhalte. Er bewegt sich auf ganz anderen Internet-Plattformen.

Auf meiner Sommerferieninsel habe ich überhaupt nichts mitbekommen. Neuigkeiten, von denen ich nichts wusste, haben überhaupt nicht existiert.

Wieder dringt der Nachrichtensprecher ins Bewusstsein: «Zur Strassenübersicht: Der Verkehr rollt störungsfrei.» Diese Meldung ist mir immer ein Rätsel. Was soll ich damit anfangen? Liegt ein ‘Nicht’-Stau voraus? Manche Nachrichten erscheinen mir wie grössenwahnsinnige Meldungen, die glauben überall Verbreitung finden zu müssen.

Nachrichten erschaffen in mir eine äussere Welt. Sie sind das öffentliche Leben, an dem ich gerade alleine im Auto teilnehme. Ich bin die Quelle meiner Gedanken.

Im Radio läuft bedächtige Musik. Ich drossle das Tempo. Freie Fahrt, dennoch fahr ich vorsichtig. Irgendwie habe ich das unbestimmte Gefühl, irgendetwas liegt da voraus.

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