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Büro, Büro

18.11.18 - 04:33 Uhr
PIXABAY

In dieser Kolumne von Pesche Lebrument gehts um nichts Besonderes. Einfach Leben.

Aufstehen, Arbeit, aufstehen, Arbeit, aufstehen, Arbeit.

Noch bevor die Nacht zum Tag wird, führen die Wege ins Büro. Gemeinsam bringen wir vor unseren Bildschirmen die Welt zum Laufen.

Doch heute Morgen läuft nichts wie es sollte. Meine Müdigkeit arbeitet mit, liest Zeitung und hängt im Internet fremden Gedanken nach. Erst der Gang zur Kaffeemaschine setzt meine Gedanken in Gang.

Ich laufe am Büromaterialschrank vorbei. Darauf liegt ein Kuchen. Angeschnittene Zeilen aus Zuckerguss: «65 Jahre – Dolce Vita.» Beinahe täglich finden sich Verführungen auf der öffentlichen Bürofutterstelle. Reste vergangener Feste, Mitbringsel vieler Mitarbeiter. Vorbeizulaufen ohne Zuzugreifen fällt seltsam schwer. Doch heute bleib ich hart, Gewichtsgewissensbisse.

Mein Bürostuhl bringt mich in Position. Seit Kindertagen ruhen meine Beine unter Tischplatten. Zuerst drückte ich die Schulbank, anschliessend Computertastaturen auf Schreibtischen.  Mein Gesicht verschwindet hinter dem Bildschirm, davor erscheint der Terminkalender. Er taktet den Tag, ersetzt den Schulstundenplan von früher.  Zum Glück klaffen Löcher im Kalender. 

Anruf. Er sagt, wir kennen uns von einer Veranstaltung. Ich grüsse den Unbekannten wie einen Freund. Er fragt, ob ich viel um die Ohren hätte. Ich bejahe. Warum weiss ich nicht, vielleicht, weil es besser klingt, als wenn ich sagen würde, dass es derzeit ziemlich ruhig ist. Er erzählt von Frau und Hund. Ich habe beide noch nie gesehen.

Er lädt mich zum «Business Lunch» ein. Was soll das sein? Tragen die Karotten Krawatten? Er betont, er bezahle. Er will mir etwas andrehen. Diese Woche noch will er mich treffen. Ich versuche doch gerade abzunehmen. Ich erzeuge ein geheimnisvolles Raunen, als suchte ich angestrengt eine Lücke im Kalender.  Wir einigen uns auf ein sehr viel späteres Datum. Der Unbekannte verschwindet im Terminkalender.

Kaum noch Kaffee und der noch da ist, ist kalt. Mitarbeiter umstellen die Bürofutterstelle mit eingebauter Gerüchteküche. Sie unterschreiben nacheinander eine Abschiedskarte für den bald pensionierten Kollegen. «Bis 65zgi im Büro kann i miar nit vorstella», sagt der junger Mitarbeiter. «Denn wart amol, bis Familia häsch», wirft ein älterer Kollege dazwischen. Zudem stecke er Leidenschaft und nicht nur Lebenszeit in seine Arbeit. Der junge Kollege sagt, Büro sei betreutes Leben.

Ich setze meine Unterschrift unter den vorgefassten Text und beteilige mich am Abschiedsgeschenk mit dem gleichen Betrag wie alle anderen. Kuchen kauend ziehe ich weiter. Ich habe vergessen zu fragen, was wir ihm schenken.

Männer stehen um den Kopierer. Ich stelle mich dazu. Die hübsche Angestellte zeigt ratlos auf die Displayanzeige: «Der Resttonbehälter muss geleert werden». Alle suchen wir gemeinsam den Resttonbehälter. Er ist unauffindbar, trotz klaren Anweisungen auf dem Display. Der junge Kollege von der Büromaterialtheke legt sich besonders ins Zeug.

Kurz bevor der Tag wieder zur Nacht wird, führen die Wege aus dem Büro.  Die Bildschirme werden abgeschaltet. Die Welt dreht sich weiter.

Als ich zuhause ankomme, ist es bereits dunkel. Bald liege ich im Bett. Bald schon geht der Wecker.

Aufstehen, Arbeit, aufstehen, Arbeit, aufstehen, Arbeit.

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