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Vierzehn Tage

01.07.18 - 04:30 Uhr
PIXABAY

In dieser Kolumne von Pesche Lebrument gehts um nichts Besonderes. Einfach Leben.

Der Sommer macht Ferien. Bald sind wir weg. Ich und meine Freundin. Vierzehn Tage lang. Diese berühmten vierzehn Tage.

Flughafen. Ganz früh. Ganz gleich, ob wir vier oder vierzehn Tage verreisen, sie hat immer gleich viel Gepäck mit dabei. Einen ganzen Berg.  Koffer, Rucksäcke, Taschen. Garderobe für jede Gelegenheit, Kleider für jedes Klima. Sonnencreme, Regenschirm, Kaffeepulver und Kohletabletten, ich führe eine kleine Kopie unseres Haushaltes mit im Gepäck.

Ein gewaltiger Schwarm Reisender rieselt durch die riesige Abflughalle. Verschwitze Gesichter tragen Koffer. Vorwiegend Männer. Ich schiebe den vollbeladenen Wagen hinter meiner Freundin her. Sie: «Häsch da Pass und s’Portemonnaie?». Ich: «Das frogsch mi hüt schu zum dritta Mol».

 «Miar sind guat in da Zit» sagt sie und lässt mich mit dem Gepäck beim Flughafenladen stehen. Sie schleicht durch die Zeitschriftenabteilung. Handygeklingel. Anruf von der Arbeit. Irgendwas liegt irgendwo im Argen. Mein Handy hängt am Ohr, meine Augen bewachen s’Wägeli, während meine Hände eine Wasserflasche und Sonnencreme aus dem Regal greifen. Mein offener Mund bestaunt den im Kassendisplay aufleuchtenden Flughafenphantasiepreis. Ich packe alles in meinen Reiserucksack. «Jo, bin ufam Wäg in d’Feria. Danka, wünsch ich diar au». Warum nur kann man Mobiltelefone nicht auf die Gabel knallen.

Am Check-In-Schalter verlangt eine freundliche Frau in Uniform meinen Pass. Ich durchsuche sämtliche Jacken- und Hosentaschen. Meine Freundin mustert mich mit verschränkten Armen. Den Pass finde ich schliesslich dort, wo ich ihn verstaute, damit ich ihn ganz bestimmt wiederfinde.

Ich hieve Koffer um Koffer aufs Band. Wir haben kein Übergewicht. Um ihre Koffer überhaupt schliessen zu können, übergab mir meine Freundin gestern Abend alle überzähligen Gepäckstücke. Seither trage ich ihre Erleichterung mit mir herum. Die sympathische Uniform schiebt die Tickets zusammen mit «En schöne Flug» über den Schalter.

Stillstand vor der grossen Abflugtafel. Ich sehe hoch und durchforsche das zeitlich geordnete Durcheinander. Destinationen rund um den Globus. Andere Welten auf dem gleichen Planeten. «Kasch amol schnell heba?» Meine Freundin drückt mir ihr Handgepäck in die Hand. Sie vergleicht das Ticket mit der Tafel. «Gate E» verkündet sie und läuft los. Dabei habe ich noch nicht einmal ansatzweise unser Reiseziel zwischen Flugnummern und Abflugzeiten ausgemacht.

Sicherheitskontrolle. Bin bepackt mit Reiserucksack, unseren Laptoptaschen und ihrem Handgepäck. Ich löse meinen Gurt und durchsuche sämtliche Jacken- und Hosentaschen. Während der Durchleuchtung des Gepäcks durchschreite ich Hose haltend den Metalldetektor. Kein Pips. Bin erleichtert.

Am Ende des Durchleuchtungsapparats winkt mich eine streng dreinblickende Frau in Uniform zu sich: «Isch das ihren Rucksack?».  Mit loser Hose stehe ich vor ihr. Sie schmeisst die Wasserflasche samt Sonnencreme in den Abfalleimer. Die mürrische Uniform mustert mich von unten nach oben, als wollte sie sagen: «Das müasstend sie eigentli wüssa». Sie deutet auf eine Tafel mit der Aufschrift ‘Max. 100 ml’

Im Duty-Free-Shop kaufe ich eine Wasserflasche und Sonnencreme. Welcher Teil dieses Wucherpreises ist bitteschön ‘Duty Free’?

Vor der Passkontrolle durchsuche ich sämtliche Jacken- und Hosentaschen. Der Pass hält sich zusammen mit dem Ticket gut versteckt. Mit dem roten Dokument, sowie einem «Grüezi» weise ich mich bei der amtlich gelangweilten Uniform als Landesbürger aus. Er steckt den Boardingpass in den Pass, gähnt und überreicht mir die Papiere.

Die Flugzeuge warten hinter grossen Glasscheiben. Passagiere aus aller Welt bevölkern das Terminal. Sie verströmen dieses Flughafen-Ferien-Freiheitsgefühl. Ich vergleiche das Flugticket mit dem Gate. Hier bin ich richtig. Erleichtert stecke ich die Boardkarte ein. Mein Ticket zu mir. Ich habe eingecheckt. Und ausgecheckt. Abflug, Abstand, Auszeit vom Leben. Wenigstens für vierzehn Tage. Diese berühmten vierzehn Tage.

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