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Surrealismus dank Netflix

Single
Böckin
26.02.20 - 16:30 Uhr
PIXABAY

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Eigentlich haben eine Freundin und ich einen inoffiziellen Pakt geschlossen, romantische Komödien auf Netflix strikt zu meiden. Eigentlich.

Grund: Die wirklich sehr surrealen Plots haben mir ein wirklich sehr surreales Bild von Beziehungen gegeben und dieses wirklich sehr surreale Bild hilft mir im wirklich sehr realen Leben nicht weiter.

Trotzdem habe ich letztes den gravierenden Fehler begangen, den zweiten Teil einer eben solchen «Rom-Com» zu schauen und ehe ich mich versah, folgten zwei weitere.

Mit einer Überdosis kitschiger, surrealer Liebesgeschichten hinterfragte ich einmal mehr meine eigenen Entscheidungen und wieso ich das nicht haben konnte. Abgesehen von einigen (zugegebenermassen nicht ganz unwichtigen) Punkten unterscheide ich mich nämlich von den Protagonistinnen nicht gross.

Vielleicht sollte ich auch meine in früheren Jahren geschriebenen Liebesbriefe verschicken. Alternativ befinden sich in meinen Handynotizen auch diverse Texte an potentielle Kandidaten, die irgendwann betrunken getippt und Gott sei Dank nie abgesendet wurden, aber durchaus 100 Prozent ehrlich sind.

Alternativ könnte ich auch einfach öfters in Typen reinlatschen und meine Sachen auf dem Boden verstreuen. Für viele scheint das zu funktionieren.

Oder mir fällt beim Servieren die Bestellung in seinen Schoss. Im Zug treffen sich unsere Blicke und wir wissen beide: Das ist meine wahre Liebe. Kann auch sein, dass ich im falschen Umfeld schaue und einfach mal etwas Neues ausprobieren sollte. Après-Ski in einer überfüllten Bar mit Schlager so laut, dass man sich nicht unterhalten kann, zum Beispiel. Gegensätze funktionieren laut Netflix immer gut!

Wenn alles nichts mehr nützt, bleibt mir immer noch die Option, mich in ein künstliches Koma versetzten zu lassen und auf meinen Prinzen zu hoffen, der mich wach küsst. Ha.

Aber jetzt mal wirklich, meine Standards sind nicht mal so unglaublich hoch. Zurückschreiben wäre ganz schön. Gemeinsame Interessen und ein gewisser Intellekt, dunkle Locken sind ein Plus. Oh und dann wäre da noch dieses alles einnehmende Gefühl, dass sich alles in dir zusammenzieht, wenn man aneinander denkt und sich ohne zu Zögern für den jeweils anderen vor den Zug werfen würde. Ganz normales Zeug eben …

PS: Die oben genannten Liebesbriefe und betrunkenen Textnachrichten werden garantiert niemals verschickt.

PPS: Betrunken die Liebesgeständnisse statt auf WhatsApp in den Notizen tippen. Die Hemmschwelle sie zu verschicken ist dann um ein Vielfaches grösser. Gern geschehen!

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