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Mai im Engadin

Hans Peter
Danuser
12.05.20 - 04:30 Uhr
St. Moritz
Sommerstimmung in St. Moritz am Lej da S. Murezzan

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Das Engadin ist im Mai komplett anders als Ende Winter. Im April waren die Hänge oben am Piz Rosatsch noch makellos weiß, mit zwanzig und mehr Tourenfahrern pro Tag, die ihre eleganten Spuren in den Schnee kurvten. Auf dem gefrorenen Silsersee tourten vereinzelt noch Langläufer und Radler über den Firnschnee.

Jetzt im Mai sind alle Seen im Tal eisfrei. Die Engadiner Post meldete am 23. April, dass der St. Moritzersee seit zwei Tagen «nach rund fünf Monaten ganz von seinem Eiskleid befreit sei» – 20 Tage früher als im Vorjahr. Und prompt präsentiert die Posta Ladina sämtliche Vergleichszahlen bis 1832 zurück, dem Jahr der ersten offiziellen Aufzeichnung. 1836 und 1837 war die Eisschmelze am 8. Juni fertig, 120 Jahre später, 2017 bereits am 1. April. Der See liegt 1770 Meter über Meer und ist 40 m tief.

Eine weitere Beobachtung betrifft den Waldrand zwischen der über 100 Jahre alten ehemaligen Klinik Bernhard und der aussichtsreichen Wasserfall-Promenade, die der 1900 m ü. M. – Höhenkurve entlang führt – für romantische Spaziergänge Extra-Klasse, direkt oberhalb St. Moritz Dorf. Der Weg ist eben, aber das Gelände sehr steil und gibt immer mal wieder mit Erdrutschen und Geröll zu reden. Auch diesen April donnerte ein Felsbrocken Richtung Tal, den die Förster dann sprengen mussten.

Rutsch- und Lawinenverbauungen sowie gezielte Aufforstung sollen dies möglichst verhindern. Aber nach einem schneereichen Winter wie dem vergangenen liegen die meisten Jungbäume im Frühling flach oder geknickt am Hang. Seit einigen Jahren versuche ich, 30 bis 40 solcher Bäumchen mit Pfosten aller Art so aufzurichten, dass sie bis im Herbst senkrecht weiter wachsen können und nicht verkümmern.

Am besten gelingt dies in solcher Höhenlage klar den Lärchen und – überraschend auch den Birken, die pro Sommersaison bis zu einem Meter und mehr zulegen können. Auch die Arven gedeihen gut, wachsen aber viel langsamer. Am kümmerlichsten stehen die paar kleinen Fichten da, die später möglicherweise von der Klimaerwärmung profitieren können.

Touristisch ist das Engadin wie der ganze Kanton in einer grotesken Situation. Noch vor wenigen Wochen musste man den Gästen mitteilen, sie sollten über Ostern doch bitte zu Hause bleiben, und jetzt raufen sich alle Bergregionen um die gleichen Schweizer Gäste, die ihre Ferien spätestens ab Pfingsten möglichst hier verbringen sollten, da aus dem Ausland infolge Corona-Restriktionen nur wenig Besucher  kommen dürften.

Für Gäste aus Übersee besteht diesen Sommer offenbar kaum noch Hoffnung. Ideen und Führung sind gefragt, damit das Vertrauen und Begehren für unsere Ferienmarken zurückkommt und wieder wächst.

Demnächst sollen die Gaststätten, Bars und Hotels wieder öffnen können, einzelne Golfplätze und Bergbahnen ebenfalls. Spätestens am 22. Mai dürfte auch unser «Lunch der Happy Few» im Waldhaus am See wieder stattfinden, der erstmals seit bald 17 Jahren über längere Zeit ausgefallen ist. Aufbruch ist angesagt – es kann nur besser werden!

 

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