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Hochverehrter Emir von Katar

Sportredaktor Johannes Kaufmann mit einem offenen Brief nach Katar.

Johannes
Kaufmann
22.11.22 - 08:46 Uhr
Gute Freunde: Emir Tamim bin Hamad Al Thani (links),und Fifa-Präsident Gianni Infantino (rechts) geben sich am Eröffnungsspiel der WM die Hand.
Gute Freunde: Emir Tamim bin Hamad Al Thani (links),und Fifa-Präsident Gianni Infantino (rechts) geben sich am Eröffnungsspiel der WM die Hand.
Bild Friedemann Vogel / Keystone

In der WM-Kolumne berichten die Sportredaktorinnen und -redaktoren täglich über ein aktuelles Thema der Fussball-WM.

Sehr geehrter Tamim bin Hamad Al Thani, Emir von Katar. Ich hoffe, ich habe Ihren Namen richtig geschrieben. Ich bin mir bewusst, dass Sie diese Zeilen nicht lesen werden. Es ist derzeit bekanntlich viel lost im Emirat, da kann man sich definitiv nicht mit derlei Nebensächlichkeiten befassen. Dieser offene Brief ist jedoch der einzige Weg, um mich über die bemerkenswerteste Fussball-Weltmeisterschaft aller Zeiten zu äussern. Eine bizarre Veranstaltung, die es ohne die Herrscherfamilie Al Thani nie gegeben hätte.

Es ist viel Kritik geäussert worden vor der angelaufenen WM. Berechtige Kritik, wie ich festhalten muss. Als junger Emir von Welt hätten Sie es in der Hand, Geschichte zu schreiben und die zurecht angeprangerte Menschenrechtslage in Ihrem Wüstenstaat zu verbessern. Geben Sie Ihrem Emir-Herzen einen Ruck! Trotzdem leiste ich dem Aufruf eines WM-Boykotts nicht Folge. Ich darf Sie beruhigen. Sie dürfen entspannt nächtigen in Ihrem Elfenbeinturm: Da mache ich nicht mit. Diese Debatte ist mir zu scheinheilig. Wir Europäer machen gerne Geschäfte mit Ihnen. Ebenso gerne zeigen wir mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger auf Sie.

Ja, auch als Emir von Katar findet das Leben nicht ausschliesslich auf dem Ponyhof statt. Allah hat Ihnen durch das mutmasslich grösste Erdgasfeld dieser Erde direkt vor Ihrem Emirat ein Geschenk des Himmels gemacht. Ihr unfassbarer Reichtum ruft aber auch viele Neider auf den Plan. Sie müssen Ihren Platz neben den regionalen Titanen aus Saudi-Arabien und dem Iran behaupten. Gewichtige Sportveranstaltungen sind da hilfreich. Eine Fussball-WM ist bei diesen Bemühungen der Hauptpreis. Und ja, Sie haben sich bei der umstrittenen Vergabe damals in Zürich bloss an den ungeschriebenen, schmutzigen Fifa-Regeln orientiert.

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