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Die Sonne als Markenzeichen

Hans Peter
Danuser
20.11.18 - 04:30 Uhr
BILDMONTAGE/WIKIPEDIA
BILDMONTAGE/WIKIPEDIA

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Die Sonne ist auf der ganzen Welt ein sehr starkes Symbol. In den meisten Kulturen und Kontinenten steht sie für positive Werte wie Licht, Wärme, Gesundheit, Ferien, ….

Mein Vor-Vorgänger Walter Amstutz, St. Moritzer Kurdirektor von 1929 bis 1938 hat die Sonne zum offiziellen Symbol von St. Moritz gewählt, nachdem er im Baedeker-Reiseführer gelesen hatte, dass der Ort mit durchschnittlich 322 Sonnentagen im Jahr den Schweizer Rekord aufwies. Sein Freund und Doyen der Schweizer Grafikgeschichte, Walter Herdeg gestaltete 1930 in der Folge die bekannte Sonne von St. Moritz, die Amstutz 1937 beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum in Bern eintragen liess. Damit schrieb er Tourismus- und Designgeschichte. Heute hat St. Moritz mit seiner Sonne das älteste geschützte touristische Ortssymbol der Welt. 

Rene Lüchinger, ehemaliger Chefredaktor des Schweizer Wirtschaftsmagazin «Bilanz», zählt sie in seinem Buch über Bildmarken der Schweiz zu den Top Ten unseres Landes, wie die Muschel von Shell, das Nest von Nestlé und das Krokodil von Lacoste (Orell Füssli, Zürich 2003). In meinen Kursen und Vorträgen an der HSG, ETH und anderswo diente «unsere» Sonne stets als einprägsames Beispiel einfacher, aber wirksamer Markenpraxis: authentisch, einzigartig, unverwechselbar, fast 90 Jahre unverändert in Kraft und in den Köpfen der aktuellen wie potenziellen Gäste – das Original aller später folgenden Sonnenmarken durch beliebig austauschbare Grafiker.

Dass ein weltbekanntes Markensymbol auch durchaus praktische Vorzüge hat, schilderte ich in meinem Buch «St. Moritz einfach – Erinnerungen ans Champagner-Klima».

Kurz vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele 1948 im Kulmpark St. Moritz kam eine norwegische Delegation ins Gemeindehaus und stellte die imperative Forderung: «Entweder Sie ziehen sofort alle schwedischen Flaggen runter, oder wir Norweger reisen ab und nehmen an den Spielen nicht teil!» Kurdirektor Peter Kasper brauchte seine ganze Sprachkunst und Überzeugungskraft, um den Norwegern glaubhaft zu machen, dass die blau gelben Fahnen die St. Moritzer Farben trugen und nicht jene von Schweden, die zufällig auch blau gelb sind. Zum Beweis zeigte er ihnen seine Krawatte mit den blau gelben Streifen und drei St. Moritzer Sonnen – anstelle der schwedischen Kronen.

Die Norweger blieben im Engadin und holten mit grossem Abstand am meisten Medaillen aller Teilnehmer-Nationen.

Ich gratuliere St. Moritz zu seiner legendären Sonne und hoffe sehr, dass sie bald einmal wieder in der Original-Version von Walter Herdeg zum Einsatz kommt. Er würde sich mehrmals im Grab umdrehen, wenn er sähe, wie unbedarft mittlerweile an seinem Meisterwerk herumgebastelt wurde. Als ob Mercedes je auf den Kreis um seinem Stern verzichten würde, oder Audi auf einen seiner Ringe oder Rolex auf einen Zacken seiner Markenkrone! Herdegs Sonne ist mit ihrem geheimnisvollen Sphinx-Lächeln so stark wie Apples Apfel – aber dreimal älter – und das kann auch wertvollste Firma der Welt nicht kaufen.

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