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Wie das Alter gut wird

Hans Peter
Danuser
13.11.18 - 04:30 Uhr
PIXABAY

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Jedes Jahr gibt es bei meiner Emser Tante Clärli etwas zu feiern. Sie ist 96, ihr Mann 95, und heuer sind sie seit 70 Jahren verheiratet. Beide strahlen Ruhe und Zufriedenheit aus, pflegen ihren Garten und engen Kontakt mit ihrer grossen Familie. Die Zwei sind Lebenskünstler, ohne dafür ein Rezept zu haben. Sie könnens einfach.

Ratgeber-Literatur dazu haben sie keine gelesen – und solche gibts heute zuhauf. Mit steigender Lebenserwartung hat das Alter und Altern eine grosse Bedeutung gewonnen – die entsprechend bewirtschaftet wird. Wirklich stark ist das Buch des 75-jährigen Tübingers Otfried Höffe: «Die hohe Kunst des Alterns. Kleine Philosophie des guten Lebens», München 2018, das der «Tages-Anzeiger» (8. September 2018) empfiehlt. Höffe fasst die Essenz seiner Erfahrung und Überlegungen in vier Verben zusammen: Laufen. Lernen. Lieben. Lachen. Wer diese vier Ls befolgt, altert gut und glücklich.

Befolgen heisst aber nicht abspulen, sondern hegen und pflegen, als zweite Natur gewissermassen. «Wenn man alt ist, muss man mehr tun als da man jung war.» (J. W. von Goethe, der 83 Jahre alte wurde) Wie einer die vier Ls prägend ins Leben einbaut, ist sehr individuell. Laufen steht für Bewegung, frische Luft, Sport, Gleichgewicht aller Art, Treppen statt Lift. Lernen heisst zum Beispiel Neugierde, Offenheit für neue Erfahrungen, tägliche Zeitungslektüre, Musik machen, Alphornen, in einem Chor mitsingen. Lieben steht für Partnerschaft, Familie, Freundschaft, gebraucht werden. Lachen ist die Musik des Lebens, die unsere Psyche befreit und mit Kopf und Körper ausbalanciert.

Die bewusst gelebten vier Ls wirken sinnstiftend und helfen, ein Kern-Credo für gutes Altern zu beherzigen: «Use it or lose it – brauch es oder verlier es.» Gemeint sind Aktivitäten aller Art, körperlich, geistig, seelisch.

Wichtig ist auch Loslassen als Kunst des gezielten Unterlassens. Jedes Alter hat seine Sonnen- und Schattenseiten. Gutes Altern heisst, sich auf die positiven Möglichkeiten der jeweiligen Situation zu konzentrieren und so zu reifen wie ein guter Wein: Mit zunehmenden Alter gewinnt man Charakter, strahlt Lebenserfahrung aus, wird gelassen und entsprechend cool. So erleben wir das Alter als Abfolge gewonnener Jahre, «golden years», wie die Amerikaner sagen.

Ergänzend zu Höffes Buch empfehle ich «Die neue Psychologie des Alterns» von Hans-Werner Wahl, der seit über 30 Jahren über das Alter forscht.

Dem Info-Portal zum Thema Generation 50+ entnehme ich folgendes Zitat: «In keinem Land leben ältere Menschen besser als in der Schweiz.»

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