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Europa – Kontinent der Radwege

Hans Peter
Danuser
31.07.18 - 04:30 Uhr
SUISSE MONTAGNE WETTER
Des personnes font du velo (mountain bike) en montagne pres du lac de Daubensee a la Gemmi ce dimanche 29 juillet 2018 au dessus de Loeche-les-Bains. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele ausgeschilderte Radwege in Europa. Was über Jahre entstanden ist, wird mit dem aktuellen Velo-Boom und der rasanten technologischen Entwicklung immer wichtiger – und hipper. City-, Renn- und Mountain-Bikes mit 30 Gängen rivalisieren mit Elektrorädern, E-Bikes, Pedelecs etc., was im Freizeit- und Berufsverkehr neue Möglichkeiten, aber auch Probleme schafft.

Derzeit wird ein weltweit einzigartiges Projekt realisiert, das diese Entwicklung berücksichtigt und auf «slow travel», sprich langsamen, umweltfreundlichen Tourismus zielt: Euro Velo – the Europeans Cicle Route Network. Seit etwa 20 Jahren thematisiert, plant und signalisiert es neue Radwege – bis 2020 insgesamt rund 70’000 km in 42 Ländern zwischen Island und Kreta. Europa ist bereits heute der Kontinent der Fernradelrouten und weist dazu auch die besten Voraussetzungen auf: landschaftliche und kulturelle Vielfalt, Flüsse, Berge, Küsten, intakte Infrastruktur, Wege, Strassen, öffentlichen Verkehr, …

Bei diesem riesigen Netzwerk und grossen Angebot stellt sich dem Genussradler die frage der Übersicht und Präferenzen. Welche Strecke ist für mich dieses Jahr perfekt? Dazu hat Thorsten Brönner im «grossen Radreisebuch Europa» 50 Traumtouren zusammengestellt, die er selbst gefahren ist und auf knapp 300 Seiten mit vielen Bildern vorstellt und systematisch präsentiert: Charakter, z. B. Flussradweg, familienfreundlich, wenig Steigung; Wegmarkierung, z. B. in beiden Richtungen, Bett&Bike,; E-Bike; An- und Rückreise; Info/Mail-Adressen, Telefonnummern. Dazu Kartenausschnitte, Höhenprofil mit Distanzen sowie präzise Beschreibungen der Strecke und ihren kulturellen und landschaftlichen Höhepunkten.

Die meisten Routen sind einige 100 km lang, die längste 1492 km (Island), die kürzeste 124 km (Neusiedler-See-Radweg). Ganz oben in der Gunst der Genussradler stehen die Fluss- und Küstenradwege, wie etwa der Loire entlang (642 km) mit ihrem naturnahen Flusslauf, Schlössern, Klöstern oder die Radwege entlang der Donau, dem Rhein der Rhone und dem Bodensee.

Das Buch ist informativ und gut geschrieben, mit vielen Tipps und Hinweisen, die au solchen Reisen wertvoll sind. Thorsten Brönner ist ein Radwander Profi, der auf hunderten von signalisierten Routen seine 50 Favoriten ausgelesen hat, die gewiss zu den schönsten zählen.

Die edle und äusserst populäre Herzroute zwischen Bodensee und Genfersee (720 km) durch die Schweiz handelt er leider nur kurz ab. Sie ist mit gut 15 Jahren die älteste und sicher die schönste Radwanderroute, die speziell für E-Bikes komponiert wurde. Da bereits vor Jahren die New Yorker Times auf anderthalb Seiten vierfarbig von ihr schwärmt, sollte sie spätestens in der nächsten Auflage von Brönners Buch als vollwertige Traumroute dabei sein. Die Herzroute führt in 13 Tagesetappen auf verkehrsfreien und verkehrsarmen Nebenstrassen von Rorschach über die wunderschöne «unbekannte Schweiz» nach Lausanne – eine sorgfältige Komposition von Panoramawegen und kulturellen Rosinen der Extraklasse – speziell für E-Bike-Geniesser. Sie ist gewissermassen das Bindeglied zwischen der Traumstrecke Königsee/Berchtesgaden – Bodensee/Lindau und Genfersee, Rhone/Mittelmeer …

Der Bodensee-Radwanderweg dürfte mit jährlich etwa 250’000 Benutzern weltweit die Nummer ein sein, was zu gewissen Zeiten den Radlergenuss etwas reduzieren kann.

Ich wünsche gute Lektüre im grossen Radreisebuch und viel Vorfreude auf die nächste Tour!

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Vor etwas mehr als 20 Jahren sind die Pioniere auf ihren Mountainbikes in die Berge gefahren – heute ist das Biken zum Breitensport geworden und damit auch eine gute Einnahmequelle für den Tourismus. Das ist ein Boom geworden, das viele Konflikte heraufbeschworen und mich in letzter Zeit unheimlich nervt. Wo früher in Berggegenden, wie bei uns in der Val Müstair oder im benachbarten Vinschgau die Wanderer allein unterwegs waren, sehen sie sich heute vermehrt mit waghalsigen Mountainbikers konfrontiert, die auf Wanderwegen rasant ins Tal hinunterfahren. Da kann man tatsächlich nicht einmal mehr den Hund ab der Leine laufen lassen. aus lauter Angst, dass er überfahren wird! (Übrigens am Landwasser in Davos wurde tatsächlich mein 2½jähriger Boxerhund nachts von einem Biker angefahren und tödlich verletzt, er verstarb an inneren Verblutungen!) Die fehlende Rücksicht vieler Biker ist der Hauptgrund warum ich nicht gut auf diese Freizeitsportler zu sprechen bin. Natürlich gibt es auch die anständigen Biker, die sind aber erstens rar und zweitens braucht es nur einen einzigen Raser, der die Wanderer verunsichern kann. Auf breiteren Wegen haben viele Biker die schlechte Angewohnheit, von hinten sich lautlos zu nähern und dann in einem unglaublichen Tempo vorbei zu fahren, da erschrickt man jedes Mal und ist froh, dass nichts passiert ist! Ich hatte Begegnungen die freundlich waren und auf gegenseitige Rücksichtnahme bedacht; also warum geht das bei anderen nicht auch. Wäre es nicht schön, wenn die Biker den Wanderer den Vorrang geben und sich mit einem Danke und Bitte entgegen könnten. Also ein gemeinsames miteinander und nicht gegeneinander. Zwar gibt es signalisierte Bike-Routen, diese sind aber für eingefleischte Biker uninteressant und auch die gesetzliche Sachlage ist alles andere als klar. Die Situation wird in Zukunft noch kritischer, denn nun kommen zum Biker Paradies noch die MTB-Biker mit Elektroantrieb hinzu. Die boomende Sportart hat die Tourismusregion völlig in Beschlag genommen. Das bringt zwangsläufig Konflikte, die Wanderer fühlen sich an den Rand gedrängt und werden diese Gebiete meiden. Ist das tatsächlich im Sinne einer Tourismusorganisation? Aber auch sonst habe ich das Gefühl, dass dem Velofahrer Privilegien eingeräumt werden die mehr als fragwürdig sind; man stelle sich einmal an eine stark befahrene Kreuzung in der Innenstadt mit Lichtsignalen und verfolge das bunte Treiben von Zweiradfahrern, die Verkehrsregeln schlicht ignorieren und somit auch die Fußgänger streifen und sogar Fahrrad Verbotstafeln! Selten hört man, dass fehlbare Velofahrer gebüßt oder zur Rechenschaft gezogen werden. Das wissen auch die Biker und sie kümmern sich daher einen Deut um die Rechte und nutzen das dementsprechend voll aus. Für uns Wanderer ist das recht mühsam, vor allem wenn wir mit dem Hund unterwegs sind. Ständig muss man auf der Hut sein und aufpassen dass keine Biker daherkommen. Biker sind in meinen Augen der Wanderschreck schlechthin, da Mountainbikes praktisch für alle Wege geeignet sind die über Stock und Stein führen, sind für Liebhaber der Bergvelos besonders attraktiv: Sie verlangen Geschick und haben dadurch einen viel größeren Reiz als eine zwei Meter breite und plane Forststrasse. Ich weiß, ich steche da in ein Wespennetz… meistens sagen die Behörden, es gibt eigentlich keinen Ärger zwischen Mountainbikers und Wanderer. Betroffene sehen das anders und ärgern sich über rücksichtsloses Verhalten der Sportler. In Tourismusgebieten gibt es immer mehr Pisten für Biker. Das rührt daher, dass man sie als Wirtschaftsfaktor entdeckt hat, der das Sommergeschäft ankurbelt. Immerhin fahren bereits sechs Prozent des Schweizer Mountainbikes, so habe ich es kürzlich gelesen. Zudem verfügen Mountainbiker im Schnitt über ein höheres Einkommen als Wanderer und benutzen die Bergbahnen öfter: Mit der Bahn rauf, mit dem Bike runter – und das mehrmals am Tag. Leider eben nicht nur auf präparierten Pisten! In der Szene spricht man von Freeridern und Tourenfahrern. Erstere suchen Nervenkitzel und Temporausch, Letztere Naturerlebnis, eigentlich dasselbe wie Wandern. Zuweilen macht den Wandernden nicht nur ihre Sicherheit Sorgen, sondern auch die durch Biker verursachte Belastung der Natur. Es ist unbestritten, dass Mountainbikes zur Erosion des Bodens und zur Störung des Wilds beitragen. Es wird wohl noch länger bestehen bleiben, das Problem des ungezügelten Mountainbikers. Die Folgen sind teilweise gravierend, der Protest dagegen nimmt nicht ab. Das Leide an der Geschichte ist, die heutigen Befürworter werden es eines Tages bereuen… nur dann ist es zu spät!

Giacumin Bass
7537 Müstair