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Roger Federer im Zenit

Hans Peter
Danuser
22.05.18 - 04:30 Uhr
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Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Das einflussreiche US-Magazin «Time» ist in seiner Doppelausgabe 30. April / 7. Mai 2018 ganz den 100 einflussreichsten Leuten der gegenwärtigen Welt gewidmet: «The 100 most influential people». Auf dem Titelbild ist Roger Federer. Und auch die erste Doppelseite zeigt den Schweizer nochmal dominant in einem Rolex-Inserat zum Thema «Influential». Und auf Seite 73 dann nochmal Federer im Porträt. Vorgestellt und charakterisiert wird er auf der Folgeseite von keinem Geringeren als Bill Gates, Gründer von Microsoft, einer der reichsten Menschen und Philanthropen der Welt.

Die «Time»-Redaktion zeigt auf einer Weltkarte, wo die diesjährigen 100 einflussreichsten Menschen der Welt geboren wurden und teilt sie in folgende Kategorien ein: Pioniere (22), Leader (28), Künstler (18), Titanen (14) und Iconen (18).

Roger Federer ist einer der 14 Titanen, zusammen mit Jeff Bezos, Gründer von Amazon, Elon Musk, Gründer von Tesla Cars. Die anderen Namen sind mir kein Begriff. Überhaupt merkt man rasch, dass «Time» die amerikanische Perspektive priorisiert: Gut die Hälfte der «100» stammt aus den USA, wovon neun aus New York und sechs aus Los Angeles. Von den Hundert kenne ich lediglich Shinzo Abe, Premierminister von Japan, Mauricio Macri, Präsident von Argentinien, Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, Robert Mueller, US-Sonderermittler, Donald Trump, Präsident der USA, Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, Xi Jingping, Präsident von China, Hugh Jackman und Nicole Kidman, Jennifer Lopez, alle drei Schauspieler, Oprah Winfrey, Talkmasterin und Unternehmerin.

Umso erstaunlicher und beeindruckender ist, dass Roger Federer aus der kleinen Schweiz dieses Magazin optisch derart dominiert – und zum Beispiel aus Deutschland niemand aufgeführt ist.

Schon 2011 hatte ich Federer an der ETH Zürich jeweils als Beispiel präsentiert, wie eine Persönlichkeit durch ausserordentliche Leistungen über längere Zeit hinweg eine hohe Bekanntheit und – bei entsprechendem Charakter und Verhalten eine starke Reputation aufbauen kann. Ich zitierte jeweils die Studie des American Reputation Instituts, das aus den 50 bekanntesten lebenden Persönlichkeiten jene mit dem besten Ruf und Vorbildcharakter eruieren liess. Nummer 1 war damals der mittlerweile verstorbene Nelson Mandela, erster schwarzer Präsident Südafrikas, Nummer 2 bereits der dreimal jüngere Federer, vor dem doppelt so alten Bill Gates, dann Waren Buffet, etc.

Solche Bewertungen bekannter Persönlichkeiten gibt es immer wieder. Gemeinsam ist diesen Rankings der hohe Bekanntheitsgrad der Auserwählten. Die Wahlkriterien, -verfahren und -gremien unterscheiden sich aber völlig. Das zeigt sich auch im Vergleich der aktuellen «Time»-Liste der «100 Einflussreichsten» mit der erwähnten Liste der 15 Persönlichkeiten mit dem besten Ruf (2011). Nur gerade zwei Rangierte der damaligen Liste sind heute in der «Time»-Auswahl dabei: Roger Federer (damals Nr. 2) und die Amerikanerin Oprah Winfrey (Nr. 7).

Diese beiden Persönlichkeiten sind auch sieben Jahre später noch einflussreich. Was immer sie tun und sagen, hat Wirkung. Diese lässt sich ziemlich genau messen (Anzahl Follower, Likes, etc. in den Social Media wie Facebook und Twitter, etc.), sagt aber nichts über den Inhalt und Ruf der Betreffenden. Klar sind Trump und Putin (nicht auf der Liste) bekannte und einflussreiche Personen. Beide haben global aber einen schlechten Ruf, weil ihnen Lug und Trug anhaften.

Ganz anders Federer und Winfrey. Auch sie haben über lange Zeitdauer ausserordentliche Leistungen und Resultate erbracht, die sie bekannt und reich gemacht haben. Dank ihrer Persönlichkeit, ihres Stils und Verhaltens haben sie dazu aber auch einen guten Ruf. Die Welt vertraut ihnen. Sie teilen ihren Erfolg mit anderen und sind Millionen Menschen und gerade auch Jugendlichen Vorbilder in Charakter und Haltung. Ihre Namen sind nicht nur bekannt und einflussreich, sie haben auch Substanz, sind starke, erfolgreiche menschliche Marken. Während Trump und Putin die Öffentlichkeit spalten und polarisieren, ist Federer ein «Ritter ohne Fehl und Tadel».

Aus meiner Sicht als Marken- und Marketingmann ist Federer heute der beste und bekannteste Botschafter, den die Schweiz je hatte. Ich hoffe, sehr, dass die Schweizer Regierung in Bern das auch realisiert und Federer mit einem offiziellen Repräsentationsstatus auszeichnet, bevor das die UNO, UNICEF oder sonst eine Organisation tut.

Über die Vision und Denkweise Roger Federers gibt übrigens sein ausführliches Interview im aktuellen Credit Suisse Bulletin Aufschluss.

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