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Qiviut – achtmal wärmer als Wolle

Hans Peter
Danuser
13.03.18 - 04:30 Uhr

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Brrr! – Das war kalt! Was haben wir gefroren beim Kälterekord von -23 °C auf der Diavolezza Ende Februar 2018! Und abends erholten wir uns beim zarten Filet eines Moschus-Ochsen in St. Moritz. Gastgeber war Walter Notter, der die Unterwolle dieser seltenen Tiere zu wertvollem Qiviut-Gewebe verarbeiten lässt. Ein Schal oder Pullover aus Qiviut ist achtmal wärmer als aus Schafwolle, 7000-mal seltener als Kaschmir! «Arktisches Gold» wird Qiviut deshalb auch genannt.

Walter, ein Wahlengadiner aus dem Aargau, ist seit bald 40 Jahren in der Textilbranche tätig und arbeitet seit Langem eng mit nepalesischen Teppichknüpfern, Wollspinnern und Webern vor Ort zusammen. Pionier dieser Industrie war dort vor Jahrzehnten der legendäre Schweizer Entwicklungshelfer Toni Hagen, dessen Tochter vor Kurzem für ihre ärztliche Hilfe in Nepal einen Swiss Award erhalten hat.

Seit 2010 betreibt Notter zusammen mit lokalen Partnern in Kathmandu eine Spinn- und Webschule, die neben handgeknüpften Teppichen immer mehr auch edle Kleidungsstücke und Schals aus Quivut und anderen seltene Naturfasern herstellt.

Seit dem schweren Erdbeben von 2015 in der nepalesischen Himalaya-Region entwickelte Notter das Anaginti-Hilfsprojekt «Eine Million Schals für Nepal», das er mit grossem persönlichen Engagement und viel Kreativität umsetzt. Er schafft damit eine Art «Brückenschlag zwischen Gebirgsregionen», der sich nicht nur aus der Herkunft seiner Wolle, sondern auch aus deren traditionellen Verarbeitung und ihres innovativen Designs ergibt. So baut Notter eine eigene, Pflanzen-basierte Färberei auf, die den edlen Fasern entsprechend attraktive und spezifische Outfits ermöglicht.

So entstand vor einem Jahr der erste «Engadiner Schal» aus hochwertigem Cariaggi-Kaschmir mit Motiven aus der Sgrafitto-Fassade des Hotels «Chesa Salis» in Bever. Ihm folgt heuer ein wunderschöner Schal mit Design eines Engadiner Lärchenfurniers, das perfekt zu Notters Konzept passt: 75 Prozent aller Schweizer Lärchen wachsen oberhalb von 1400 m ü. M. bis zu 2400 m ü. M. Notters Brückenidee kommt auch im Projekt «North and South» zum Tragen: das «Gold der Arktis» mit jenem der Anden in einem Schal zu vereinen. Resultat ist ein einzigartiges Gewebe, das die goldfarbene Vicuniafaser mit dem leicht gräulichen Braun des Quviuk vereint und sich so samtartig anfühlt, dass es sich nicht beschreiben lässt.

Das alles hat natürlich seinen Preis. Ein exklusiver, handgesponnener Schal aus handversponnenem Quivuk kostet in Notters Laden in Pontresina bis zu 1400 Franken, der günstigste rund 200 Franken. Notter ist ein klassischer Nischen-Pionier nach der Devise: Get niche or get lost. Ein anderes Credo ist nicht gebirgstauglich: Menge und Masse schon gar nicht. Gut, echt und persönlich muss es sein – Qiviut eben.

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