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Mein perfekter Schweizer Winter

Hans Peter
Danuser
09.01.18 - 00:20 Uhr

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Mein perfekter Schweizer Winter hat Schnee. Viel Schnee! Und zwar im ganzen Land. Nicht nur in den Alpen. Von Januar bis April!

Vor mir liegt mein 40. Winter im Engadin. 30 Jahre lang war ich Kurdirektor von St. Moritz. Hier ist zwischen Weihnachten und Ostern so viel los, dass der «Chef de Plaisir» vor Ort sein muss. Vor- und nachher war ich jeweils so oft auf Reisen, dass am Stammtisch gefrotzelt wurde: «Warum bückt sich der Papst nach der Landung auf dem Flughafen immer zum Boden runter? Er riecht, ob Danuser schon da war.»

Aber im Winter war und bin ich stets im Engadin. Hier startet Mitte Oktober auf der Diavolezza die Schweizer Wintersaison, und hier trainiert das nationale Ski-Team für Sölden und die Weltcup-Rennen, die im Dezember unter anderem wieder in St. Moritz stattfinden.

Ein weiterer Winterstart findet für mich allerdings in Zürich statt: die Eröffnungsgala des Zirkus Conelli Mitte November auf dem Bauschänzli. Dort teilen die St. Moritzer Stammgäste ihre Vorfreude auf die Sonnentage im Engadin.

Im Dezember gehts weiter mit Eislaufen auf den schwarz gefrorenen Seen auf dem Berninapass und – alle paar Jahre – auch im Tal unten. Ein einzigartiges Naturerlebnis – mit Connaisseurs aus der ganzen Schweiz samt Nachbarländern! Und die RhB hält nur wenige Meter über dem gefrorenen Lago Bianco bei Bernina Ospizio…

Zum Winter gehören für mich aber auch die Siege des HC Davos und ein Abstecher zum Spengler Cup. Vor und nachher stossen die Schicki-Mickis im St. Moritzer «Dracula Club», «Talvò», im neu renovierten «Country Club» beim «Kulm Hotel», «Suvretta House», bei Marquarts im «Palace Turm», im «Paradiso» am Berg oben auf die neue Saison und das kommende Jahr an. Das offizielle Feuerwerk am 1. Januar um 22 Uhr über dem gefrorenen St. Moritzersee ist wunderschön, wird aber seit einigen Jahren vom «russischen» Feuerspektakel am 6. Januar gleichenorts noch übertroffen.

Dann folgen im Oberengadin die Events und Parties Schlag auf Schlag bis Mitte März: die legendären Skeleton- und Bobrennen auf den beiden Natureisbahnen nach Celerina hinunter, Concours Hippique im Bad, Polospiele, Cricket und Pferderennen auf dem gefrorenen See, das 25. Gourmetfestival, der 50. Engadin Ski-Marathon und und und.

Zum Entspannen und Ausnüchtern empfehle ich Winterwandern über die verschneiten Seen oder auf dem sagenhaften Philosophenweg bei Muottas Muragl. Diese Panoramawege verwöhnen uns mit allem Luxus, der im winterlichen Unterland rar, im Engadin auf der Alpensüdseite aber in Perfektion geboten wird: Sonne, Raum, Weite, Ruhe, Natur – im «Festsaal der Alpen», auf dem «Dach Europas».

Wem das nicht reicht, empfehle ich als passende Zugabe sanft tragende Alphornklänge. Unsere Bläser-Gruppe kommt in der Wintersaison auf gut 50 Einsätze, und dies seit bald 30 Jahren! Die akustische Reichweite des Schweizer Nationalinstruments beträgt acht Kilometer, in kühlen Winternächten gar mehr.

Als es an Silvester vor Jahren derart schneite, dass alle Pässe und Tunnels gesperrt waren und die Partybands in Thusis festsassen, sprangen beim deutschen Verleger Hubert Burda spontan die St. Moritzer Alphornbläser ein: die beiden Polizeichefs, der Kurdirektor und ein Bauunternehmer. Burda tanzte mit seiner Frau Maria Furtwängler in den Schneeflocken zu unserem Alphornwalzer. Die Agnellis, Guccis, Bogners und Oetkers waren dabei «so amused», dass wir in den Folgejahren wieder «einspringen» durften.

«Nid lugg lo, Neni!»

Zu Beginn der 1990er-Jahre überredeten mich meine beiden älteren Söhne, den damals hippen Snowboard-Sport zu erlernen. Das war am Anfang eine echte Pein – und ein Image-Handicap für die Schweizer Skischule St. Moritz, deren offiziellen Dress ich damals trug. Sturz über Sturz, Liftfahren am Bügel nur in Begleitung möglich, bis es endlich einigermassen ging. Als ich mir nach einem weiteren kapitalen Sturz die Augen rieb, kurvten zwei Board-Kids vorbei, zeigten mir das Hangloose-Zeichen mit gestrecktem kleinen Finger und Zeigefinger und munterten mich auf: «Nid lugg lo, Neni!» Ich war damals gerade mal Mitte 40!

Seither bin ich jede Saison bis Anfang März mit dem Snowboard auf Corviglia unterwegs und wechsle dann für den Rest der Saison auf den Skiern zu den wunderschönen Steilpisten auf Corvatsch und Lagalb.

Zwei Geheimtipps an dieser Stelle: Lüna-Plaina-Skifahren auf der Diavolezza, deren Pisten oberhalb der Waldgrenze liegen und bei Vollmond erstaunlich hell sind – ein grossartiges Erlebnis!

Dasselbe gilt für die Marathonloipe auf dem gefrorenen Silsersee. Sogar bei Wolken reicht in Vollmondnächten die Sicht für eine lockere Seeüberquerung von Plaun da Lej zu «Gitzi mit Polenta» bei Familie Giovanoli im Restaurant Lagrev in Isola.

Ein Amerikaner staunte über meine Aussage, St. Moritz sei mit durchschnittlich 322 Sonnentagen im Jahr «Schweizermeister». Las Vegas in der Wüste Arizonas käme nur auf 320 Tage. Das läge an der Höhe von 1856 m ü.M., «close to heaven» erklärte ich ihm, und an den guten Beziehungen des Kurdirektors zum Himmel: «It‘s just a local phone call!» Was konnte er da noch entgegnen?

Wie schön und attraktiv das nebelfreie Wetter hoch oben auf der Alpensüdseite ist, wird mir immer wieder klar, wenn ich zwischen November und März vom neblig-feuchten Unterland kommend, bei Spinas mit dem Zug aus dem Albulatunnel fahre: klarer Sternenhimmel und tiefe Vorfreude auf die strahlende Engadiner Sonne …

Apropos Vorfreude: Kaum jemand weiss, dass diesen Winter in St. Moritz zwei echte Primeurs steigen:

Am 8. und 9. Februar 2018 findet auf dem gefrorenen See zum ersten Mal der neue Event «St. Moritz Ice Cricket» statt. Im Unterschied zum traditionellen «Cricket on Ice» der Amateure spielen hier Cricket-Stars aus der ganzen Welt mit: Indien, England, Südafrika, Australien, Pakistan, Sri Lanka, West Indies – mit entsprechend kosmopolitischer Fangemeinde. Als Infrastruktur dienen das Zeltdorf und die Bauten des St. Moritzer Poloturniers und der White-Turf-Pferderennen. Die Matches werden in den Teilnehmerländern im Fernsehen übertragen. Allein in Indien werden über 20 Millionen TV-Zuschauer erwartet.

Vom 12. bis 17. Februar 2018 sind auf dem gefrorenen St. Moritzer See die Schweizermeisterschaften im Eisschnelllauf geplant, als Testrennen im Hinblick auf die Olympischen Jugendspiele 2020. Das IOC entwickelt sich erfreulicherweise «back to the roots» und hat beschlossen, für die Jugendspiele in Lausanne die Eissportarten Bobsleigh, Skeleton, Rodeln und Eisschnelllauf vom 9. bis 20. Januar 2020 auf Natur-Infrastrukturen durchzuführen: der legendären Natureisbobbahn und grössten «Eisskulptur der Welt» sowie auf dem gefrorenen St. Moritzer See.

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